Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Märkte >

Die Frontiermärkte – Quelle an nicht ausgeschöpften Chancen

Die Frontiermärkte besitzen noch keinen Schwellenländer-Status, können jedoch bei einem Anlagehorizont von mehreren Jahren ein vergleichbares Risiko-Rendite-Verhältnis und Liquiditätsniveau bieten. Einige dieser Märkte sind zahlungskräftiger als viele Industrieländer.

BÖRSE am Sonntag

Die Frontiermärkte besitzen noch keinen Schwellenländer-Status, können jedoch bei einem Anlagehorizont von mehreren Jahren ein vergleichbares Risiko-Rendite-Verhältnis und Liquiditätsniveau bieten. Einige dieser Märkte sind zahlungskräftiger als viele Industrieländer, doch ihre Kapitalmärkte erscheinen zu eng und besitzen viel zu wenig Liquidität, um sie bereits als Schwellenländer einzustufen.

Von Xavier Hovasse, Fondsmanager und Head of Emerging Equities, Carmignac

Auch wenn die Unternehmen in Schwellenländern mittlerweile genau von den Analysten verfolgt werden, bergen die Unternehmen in Frontiermärkten, deren Kapital sich im Durchschnitt nur in sehr geringem Ausmaß in Händen ausländischer Anleger befindet, häufig ein noch nicht ausgeschöpftes Potenzial. Folglich finden aktive Anleger beim Aufholprozess in diesem Universum gute langfristige Wachstumsaussichten, zumal viele dieser Länder gerade neue Wirtschaftsreformen umsetzen. Allerdings hat jedes dieser Länder seine eigenen Herausforderungen und Entwicklungsmotoren und ist für binnenwirtschaftliche Einflüsse anfälliger als für globale. Dies erfordert ihre individuelle Analyse und ein robustes Risikomanagement.

Zu den Frontiermärkten gehören sowohl Katar, eines der Länder mit dem höchsten Pro-Kopf-BIP weltweit, als auch Kenia, eines der ärmsten Länder. So kletterte die Börse von Katar 2018 um rund 24 Prozent nach oben, während sie in Kenia 16 Prozent verlor (in Dollar). Ebenso wird eine Volkswirtschaft wie Bangladesch, die auf dem verarbeitenden Gewerbe aufbaut, bei Impulsen von außen nicht in gleicher Weise reagieren wie eine Volkswirtschaft wie Sri Lanka, deren Rückgrat im Wesentlichen der Tourismus bildet.

Strenge Selektion ist unverzichtbar

Die diese Märkte kennzeichnende schwache Liquidität und die vielen Unternehmen mit öffentlicher Kapitalbeteiligung erfordern ein sehr strenges Risikomanagement. Entscheidend ist eine gute Auswahl, denn viele Frontiermärkte sind derzeit wenig attraktiv. So sind wir beispielsweise bei den größten Akteuren dieses Universums gegenüber Nigeria sehr vorsichtig, dessen wirtschaftliche Fundamentaldaten so sehr schwächeln, dass wir eine Rezession befürchten. Die Erdölförderung, die Schlüsselbranche seiner Wirtschaft, war im ersten Halbjahr 2018 deutlich rückläufig. Aber obwohl die Haushaltseinnahmen sanken, stiegen die Ausgaben, und die Behörden benötigten die Hilfe der Märkte, was die Verschuldung weiter aufblähte. Auf politischer Ebene nehmen die Sorgen aufgrund der Sicherheitsprobleme im Nordosten des Landes zu. 2018 verlor der nigerianische Markt 18 Prozent (in Dollar).

Chancen für 2019?

Bei den Frontiermärkten interessieren uns Länder, die für ausländische Anleger relativ offen sind und die eine gewisse wirtschaftliche und politische Stabilität aufweisen. Daher setzen wir auf die Frontiermärkte des asiatischen Kontinents. Hierzu zählen viele verschiedene Länder mit zahlreichen Wachstumsnischen: Bei den Volkswirtschaften mit deutlichen Haushaltsüberschüssen und vielen Sektoren mit unterdurchschnittlicher Durchdringung (die im Vergleich zur Größe der Wirtschaft des Landes schwach entwickelt sind) gibt es einen hohen Anteil an Unternehmen, der unseren Anlagekriterien entspricht.

Daher schätzen wir Vietnam, das solide wirtschaftliche Fundamentaldaten aufweist (Wachstumsrate von rund 6,5 Prozent und Haushaltsüberschuss von rund sechs Prozent) und in den letzten Jahren Reformen zur Öffnung seiner Wirtschaft für ausländische Anleger umgesetzt hat. Vietnam hat die Gelegenheit genutzt, zu einem wichtigen weltweiten Zentrum des verarbeitenden Gewerbes zu werden, denn China hat sich aus der Herstellung einfacher Fertigerzeugnisse zurückgezogen. Die ausländischen Direktinvestitionen (FDI) stiegen daher beträchtlich an.

Frontiermärkte bieten den Anlegern eine Möglichkeit zur Diversifizierung

Die Frontiermärkte sind überdies eine echte Möglichkeit zur Diversifizierung, denn ihre Korrelation mit den Industrieländern ist historisch betrachtet gering (unter 0,6). Diese Entkopplung erklärt sich durch die begrenzte Anzahl ausländischer Anleger sowie durch die geringe Verschuldung auf Ebene der Staaten, Unternehmen und Privathaushalte. Dies macht sie für Änderungen der Wechselkurse und Zinssätze wenig anfällig.

Die Frontiermärkte bieten zudem eine gute geografische Diversifizierung zwischen Europa, Afrika, Lateinamerika und Asien. Sie ermöglichen überdies den Zugang zu Small Caps und Mid Caps, was eine zusätzliche Renditequelle darstellt. Denn diese Titel werden von den Analysten wenig verfolgt, und aus Mangel an Informationen interessieren sich wenige Anleger dafür. Dies erzeugt Ineffizienzen beim Wert. In diesem Umfeld können sich aktive Portfoliomanager ihr eigenes internes Research zu Nutze machen. Diese Small Caps und Mid Caps der Frontiermärkte sind auf die Binnennachfrage ausgerichtet und profitieren daher von der Entwicklung des Konsums in diesen Regionen. Sie bieten auf lange Sicht starke Wachstumsaussichten, geringe Korrelationen mit den Industrieländern und somit sehr gute Diversifizierungsmöglichkeiten.

Lesen Sie auch: Seltene Erden: Zündet China die letzte Eskalationsstufe?