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Globaler Chipmangel: Gewinner und Verlierer

Die weltweiten Technologieausgaben dürften weiter zunehmen und die Nachfrage nach Halbleiterkomponenten ankurbeln. Den Sektor erwartet ein überdurchschnittliches Wachstum. Es gibt neben Gewinnern, aber auch Verlierer. Ein Überblick.

(Foto: Gorodenkoff / Shutterstock)

Die weltweiten Technologieausgaben dürften weiter zunehmen und die Nachfrage nach Halbleiterkomponenten ankurbeln. Den Sektor erwartet ein überdurchschnittliches Wachstum. Es gibt neben Gewinnern, aber auch Verlierer. Ein Überblick.

Von Von Yishan Cao und Geraldine Sundstrom, PIMCO

Computerchips oder Halbleiter bewegen alles – von Autos bis hin zu Unterhaltungselektronik wie PCs, Spielekonsolen und Smartphones. Der jüngste Mangel an dieser wertvollen Ressource hat signifikante Auswirkungen auf die Verbraucherpreise, die Unternehmensgewinne, die Beschäftigung, die Inflation und sogar auf die nationale Sicherheit.

Während wir davon ausgehen, dass sich der Engpass bei Chips in der zweiten Jahreshälfte etwas entschärfen wird, insbesondere bei den Autokonzernen, sollte die erhöhte Nachfrage nach Halbleitern von Bestand sein. Auf längere Sicht rechnen wir mit einem Halbleiter-Superzyklus, bedingt durch die anhaltende Nachfrage aus traditionellen Quellen, wie etwa der Unterhaltungselektronik, die um eine wachsende Nachfrage aus neueren Quellen wie Chips für Anwendungen der künstlichen Intelligenz (KI) ergänzt wird.

Obwohl die Halbleiterindustrie aussichtsreiche Chancen bietet, ist unsere Einschätzung, welche Unternehmen im antizipierten Superzyklus zu den Gewinnern und den Verlierern zählen werden, mit vielfältigen Risiken behaftet.

Wodurch wird der weltweite Chipmangel ausgelöst?

Der Mangel entsteht durch zwei Schlüsselfaktoren: eine Covid-19-bedingte Störung der Angebots- und Nachfragedynamik und die anhaltenden geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China.

Während der Pandemie stieg die Nachfrage nach Unterhaltungselektronik sprunghaft an, da sich Millionen von Menschen gezwungen sahen, von zu Hause aus zu arbeiten und zu lernen. Im vierten Quartal 2020 wurden weltweit 10,7 Prozent und mit Blick auf das Gesamtjahr 4,8 Prozent mehr PCs ausgeliefert – insgesamt 275 Millionen Einheiten im Jahr 2020, das stärkste Wachstum der letzten zehn Jahre. Zur gleichen Zeit fiel die Nachfrage nach Chips aus der Automobilindustrie geringer aus, bedingt durch die rückläufigen Auftragseingänge für Neuwagen im ersten Halbjahr 2020. Entsprechend verlagerten die Halbleiterhersteller ihre Kapazitäten auf Konsumgüter, die in der Regel anspruchsvoller zu produzieren sind und höhere Margen bringen. Daraus ergab sich ein Kapazitätsengpass für die industrielle Chipproduktion. Als die Automobilnachfrage in der zweiten Jahreshälfte 2020 wieder anzog, konnte die Nachfrage der Autokonzerne nicht bedient werden.

Die meisten chinesischen Chiphersteller setzen bei der Produktion von Halbleitern auf Software und Anlagen aus den USA. Nachdem die US-Regierung im Jahr 2019 Handelsbeschränkungen für Technologieexporte nach China verhängt hatte, begannen chinesische Unternehmen, Chipbestände zu horten, wodurch sich die Knappheit noch weiter zuspitzte. Während die chinesischen Importe von Halbleitern 2020 um 14,6 Prozent höher ausfielen als im Vorjahr – mit einem Umfang von 350 Milliarden US-Dollar bzw. 2,4 Prozent des BIP –, stiegen die Investitionen für Technologien sowie Forschung und Entwicklung von 1,2 Prozent des BIP im Jahr 2019 auf 1,5 Prozent des BIP im Jahr 2020.

Ferner wirkten sich die geopolitischen Spannungen negativ auf die Investitionsbereitschaft der globalen Technologieunternehmen aus. Dadurch hat sich die Knappheit noch verschärft, da nur eine Handvoll fortschrittlicher Chiphersteller in der Lage ist, den Nachfrageschub nach Halbleitern zu bedienen. Die Umsätze der globalen Hersteller werden zu über 83 Prozent von Unternehmen mit Hauptsitz in Taiwan und Südkorea erwirtschaftet, wobei die Konzentration bei hochmodernen Chips sogar noch höher ist. Ihr „Just in Time“-Modell funktioniert allerdings am besten in einer stabilen Angebots- und Nachfrageumgebung. Angesichts der Unsicherheiten in der Lieferkette könnten chinesische und sogar globale Hersteller fortan gezwungen sein, ein „Just in Case“-Modell in Erwägung zu ziehen, was zum Teil dem Zugang zu US-Technologien geschuldet ist.

Was bedeutet das für die Inflation?

Der globale Chipmangel lässt Inflationsdruck bei den Hardwarepreisen im IT-Bereich entstehen, der angesichts der zunehmenden Kapitalintensität ein langfristiges Phänomen sein und die Eintrittsbarriere im Halbleitersektor anheben könnte. Chinesische Hersteller von Haushaltsgeräten haben zum ersten Mal seit Jahrzehnten beachtliche Preiserhöhungen angekündigt. Darin spiegelt sich zum Teil auch die unzureichende Versorgung mit Rohstoffen wie Substraten oder Wafern wider. Für die Gesamtwirtschaft bedeutet dies, dass Lieferengpässe die Preise in die Höhe treiben und die Einzelhandelsumsätze und die Margen für halbleiterintensive Geräte schrumpfen lassen könnten.

Unserer Einschätzung nach müssen auch die Automobilhersteller mit höheren Chipkosten rechnen; diese Kostenentwicklung sollte aber keinen großen Einfluss auf die weltweite Inflation haben, da ein zehnprozentiger Preisanstieg bei Kfz-Halbleitern die Automobilproduktion lediglich um rund 0,2 Prozent verteuern würde.

Anlagechancen und wesentliche Risiken

Die Pandemie hat die Digitalisierung der Unternehmen vorangetrieben. Bei dem aktuellen konjunkturellen Aufschwung liegt der Fokus aber nicht auf der Infrastruktur – hier stehen Chips und nicht Straßen im Vordergrund. Wie wir in unserem kürzlich veröffentlichten Blog-Beitrag „Grünes Licht für eine grünere Wirtschaft“ festgestellt haben, sind Halbleiter ein wichtiger Wegbereiter für die wirtschaftliche Erholung und versetzen den Sektor in eine gute Ausgangslage, um von Trends wie Energieeffizienz, 5G und einer vermehrten Produktion von Elektrofahrzeugen zu profitieren.

Was die Investitionsausgaben für die Halbleiterproduktion angeht, werden Taiwan, Südkorea und China in unseren Augen die Nase vorn behalten und im Jahr 2021 für mehr als 70 Prozent der weltweiten Kapitalaufwendungen verantwortlich sein. 2020 machten die Exporte von Halbleitern rund sechs Prozent des südkoreanischen und 20 Prozent des taiwanesischen BIP aus. Die beiden Nationen werden vermutlich auch in den nächsten drei bis fünf Jahren Vorreiter bei diesen Technologien sein und damit das Wachstum und ihre Währungen stützen. Unter den übrigen Gewinnern des globalen Chipmangels werden vermutlich Hersteller von Halbleiteranlagen und marktführende Unternehmen sein, die über eine bessere Verhandlungsposition verfügen, um ihre Chipversorgung zu sichern.

Mit größeren Herausforderungen rechnen wir indes für kleinere Autobauer, Hersteller von Unterhaltungselektronik und Industrieunternehmen, die ihren Bedarf an Chips nicht decken können. Auch Chipdesigner könnten sich schwertun, wenn ihnen keine ausreichenden Fertigungskapazitäten zur Verfügung stehen und die Chiphersteller ihre Preise wie erwartet anheben.

Unter dem Strich erwarten wir eine Zunahme der weltweiten Technologieausgaben, die die Nachfrage nach Halbleitern ankurbeln und dem Sektor ein überdurchschnittliches Wachstum bescheren. Doch auch wenn der Sektor in unseren Augen reich an Chancen ist, möchten wir den Anlegern raten, einige wesentliche Risiken im Auge zu behalten. So könnte eine Eindämmung der Pandemie das Wiederhochfahren der globalen Wirtschaftsaktivität beschleunigen und somit die Nachfrage nach Automobilchips beflügeln, was die Dauer des kurzfristigen Chipmangels verlängern könnte. Ferner könnte eine Zunahme der US-chinesischen Spannungen die Lieferengpässe verschärfen; hier wird die politische Haltung, die US-Präsident Joe Biden gegenüber China in Sachen Technologie einnimmt, einen entscheidenden Einfluss auf die globale Lieferkette im Halbleitersegment nehmen. Auch Chinas Bestreben nach Autarkie bei der Chipherstellung ist ein mittel- bis langfristiges Risiko, das die Wettbewerbslandschaft grundlegend verändern könnte. Darüber hinaus könnte jegliche Verknappung von Materialien und Komponenten beträchtliche Konsequenzen für den Sektor und andere Bereiche, die auf Chips angewiesen sind, nach sich ziehen.