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Insolvenzen bedrohen Banken

Die Koalition will weiter bei an sich fälligen Insolvenzen ein Auge zu drücken. Die Insolvenzverwalter schlagen Alarm. Sie sehen eine „Bugwelle“ von Pleiten. Banken befürchten massive Kreditausfälle.

Bankenkrise voraus? (Foto: engel.ac / shutterstock)

Die Koalition will weiter bei an sich fälligen Insolvenzen ein Auge zu drücken. Die Insolvenzverwalter schlagen Alarm. Sie sehen eine „Bugwelle“ von Pleiten. Banken befürchten massive Kreditausfälle.

Von Oliver Stock

Im Berliner Justizministerium wird derzeit fieberhaft nach einer Lösung für die Folgen einer Insolvenzwelle gesucht, die Corona bedingt über Deutschland hereinbrechen könnte. Nach Informationen des WirtschaftsKuriers laufen dazu derzeit Gespräche zwischen allen Beteiligten - unter ihnen neben dem Justizministerium vor allem dem Verband der Insolvenzverwalter, dem bundesweit rund 460 spezialisierte Anwälte angehören.

Ihr gemeinsames Problem: Die im März beschlossenen Hilfen für Unternehmen haben dazu geführt, dass eine große Zahl von Unternehmen, die längst überschuldet sind, keinen Insolvenzantrag stellen mussten. Die große Koalition hatte eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis September beschlossen, die für Unternehmen gelten sollte, die durch die Corona-Krise in Schieflage geraten waren. Die nicht gestellten Insolvenzanträge stauen sich nun aber auf und können, wenn sie schließlich doch umgesetzt werden müssen, zu massiven Kreditausfällen bei Banken führen. Insbesondere Volksbanken und Sparkassen haben deswegen schon jetzt ihre Vorsorge gegenüber Kreditausfällen deutlich hochgefahren. Das Leibniz Institut für Wirtschaftsforschung in Halle hat bereits vor eine Bankenkrise, die dadurch ausgelöst werden könnte, gewarnt.

Insolvenzwelle rollt erst an

Die im März beschlossene Ausnahme-Regelung zeigte eine Wirkung, die in ihrem Ausmaß so von der Bundesregierung nicht beabsichtigt war: Trotz des massiven Konjunktureinbruchs im Zuge der Corona-Pandemie sank die Zahl der Insolvenzen. Im ersten Halbjahr 2020 verringerte sie sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um mehr als acht Prozent auf 8900 Fälle. „Das Insolvenzgeschehen als Seismograph der ökonomischen Entwicklung hat sich damit von der tatsächlichen Situation der deutschen Unternehmen entkoppelt“, heißt es dazu vom Inkasso-Unternehmen Creditreform, das halbjährlich die Insolvenzen in Deutschland analysiert.

Schuld seien die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen, die allerdings zum Teil das Gegenteil von dem bewirkt hätten, was eigentlich passieren sollte. Der vorübergehende Stopp der Insolvenzantragspflicht sollte einen akuten Anstieg der Pleiten, insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen, verhindern und die Insolvenzzahlen stabil halten. „Tatsächlich aber zeigt der Rückgang der Insolvenzen, dass auch solche Unternehmen vorläufig der Insolvenz entgangen sind, die – hätte es die Viruskrise nicht gegeben – den Gang zum Insolvenzgericht angetreten hätten“, analysiert Creditreform.

Für Christoph Niering, Vorsitzender des Berufsverbandes der Insolvenzverwalter, gibt es deswegen auch jetzt keinen anderen Weg als den: „Wir gehen davon aus, dass die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nicht über Ende September hinaus verlängert wird, sofern wir in Deutschland keinen erneuten Anstieg der Infektionszahlen verzeichnen. Dann sind insolvente Unternehmen wieder uneingeschränkt verpflichtet einen Insolvenzantrag zu stellen“, fordert er.

Aussetzen der Insolvenzantragspflicht könnte zu einer nicht mehr beherrschbaren Situation führen

Niering hat gute Argumente auf seiner Seite. Wolfgang Weber-Thedy, der als Berater Unternehmen in Insolvenzen begleitet und beispielsweise beim Konkurs von Karstadt mit im Boot war, zählt auf: Erstens würden durch die Aufhebung der Insolvenzantragspflicht sämtliche „Errungenschaften“ des modernen Insolvenzrechts weitgehend außer Kraft gesetzt. Er spricht damit Instrumente wie die Insolvenz in Eigenverwaltung oder das sogenannte Schutzschirmverfahren an, die helfen, angeschlagene Unternehmen zu sanieren. Und zweitens befürchtet auch Weber-Thedy eine „Bugwelle“: Wenn Insolvenzen weiter aufgeschoben würden, komme es irgendwann zu einer Situation, die nicht mehr beherrschbar sei. Das Außerkraftsetzen der Insolvenzantragspflicht sei wirtschaftsfeindlich und kontraproduktiv. „Eine Verlängerung der Situation ist politisch verantwortungslos“, meint er.

Genau das allerdings plant derzeit die große Koalition in Berlin. Sie will die Antragspflicht zunächst bis zum Jahresende weiter aussetzen. „Unternehmen, die sich bis hierhin durchgekämpft haben, sollen auch nach September noch Licht am Horizont sehen dürfen”, sagte der rechtspolitische Sprecher der SPD, Johannes Fechner in einem Interview. Auch die Union zeigt sich offen dafür, die Aussetzung länger gelten zu lassen. Es gehe darum, Unternehmen nicht ohne Not in die Insolvenz zu treiben, meint der justizpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Jan-Marco Luczak. „Wir sperren uns daher nicht grundsätzlich gegen eine Verlängerung des Insolvenz-Moratoriums.” Allerdings will der CDU-Mann dauerhaft eine Veränderung des Insolvenzrechts herbeiführen, die die Sanierung von Unternehmen weiter vereinfacht. Das Justizministerium kommentierte dazu gegenüber dem WirtschaftsKurier, dass die Entscheidung noch in der Schwebe sei. Die Anhörung aller Beteiligten laufe noch. Auch vom Verband der Insolvenzverwalter heißt es, man befinde ich in Gesprächen.

FDP-Fraktionsvize Thomae: "Bundesregierung scheint Chance für eine konstruktive Lösung zu verschlafen"

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae sieht in der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht "keine Dauerlösung". Sie benachteilige recht einseitig die Gläubiger und verringere damit immer weiter das Vertrauen im Wirtschaftsverkehr. Sobald die Insolvenzpflicht wieder greift, hält auch Thomae eine Insolvenzwelle für möglich. Der FDP-Politiker fordert daher einen "Schutzschirm light", der "Unternehmen mit einem im Kern gesunden Geschäftsmodell, niedrigschwellig und möglichst unbürokratisch die Sanierung und die Rückkehr in die wirtschaftliche Normalität ermöglicht". Die europäische Restrukturierungs-Richtlinie enthalte hierfür schon die richtigen Instrumente und müsste bis zum Sommer 2021 umgesetzt werden. Thomae zufolge hat die FDP die Bundesregierung bereits aufgefordert, die Umsetzung vorzuziehen und das darin vorgesehene Sanierungsverfahren auch auf Unternehmen anzuwenden, die nur wegen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht noch keine Insolvenz angemeldet haben. Leider, so der Fraktionsvize weiter, habe die Bundesregierung aber "die eit seit der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht im März nicht genutzt und scheint die Chance für eine konstruktive Lösung zu verschlafen".

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