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Solaris: „IPO-Readiness noch nicht erreicht"

Das Fintech Solaris wollte mit Wumms an die Börse. Daraus wurde bislang nichts. Denn es gibt auch in der Königsdisziplin Kandidaten, die dort verkümmern.

(Bild: Solarisbank)

Das Fintech Solaris wollte mit Wumms an die Börse. Daraus wurde bislang nichts. Denn es gibt auch in der Königsdisziplin Kandidaten, die dort verkümmern.

Das hatten sie sich anders vorgestellt bei Solaris, jenem Technologieunternehmen aus Berlin mit deutscher Banklizenz: Schnelles Wachstum, schwarze Zahlen, IPO standen auf dem Zettel. Doch zumindest die beiden letzten Punkte sind bis auf weiteres verschoben. Was ist passiert?

Das 2016 gegründete Fintech ermöglicht anderen Startups, die Banklizenz zu nutzen und damit erste Geschäfte zu machen. Die angebundenen Firmen benötigen dann selbst keine Vollbanklizenz mehr. Zudem bietet Solaris etablierten Unternehmen Bankdienstleistungen an, beispielsweise bei der Herausgabe von Kreditkarten. Ursprünglich hatte sich das gehypte Fintech einmal vorgenommen, bereits 2019 schwarze Zahlen zu schreiben. Heute ist klar, dass dieses Ziel nie erreicht und auch nicht mehr verfolgt wurde. Stattdessen wuchs Solaris schnell, reitete die Welle des Techbooms und stellte Gewinne hinten an. Das Geld der Investoren: Es floss trotzdem. Den nächsten großen Schritt wollte man an der Börse machen, frisches Geld auch bei Privatanlegern einsammeln. Doch inzwischen bremst der designierte Chef Carsten Höltemeyer auch hier. Er will den Kurs in Richtung Profitabilität fortsetzen und die Position in der Branche stärken – möglicherweise auch ohne den einst avancierten Börsengang, wie er gegenüber Markt und Mittelstand erklärt.

Börsengang verschoben

Noch vor rund einem Jahr hatte Höltemeyers Vorgänger Roland Folz stolz verkündet, dass Solaris bis zur Jahresmitte 2022 „IPO-ready“ sein wollte. Sein Nachfolger schlägt einen zurückhaltenderen Ton an: „Aufgrund der Marktentwicklung in 2022 haben wir die IPO-Readiness noch nicht erreicht.“ Es handele sich vor allem um Maßnahmen zu einer geordneten Unternehmensführung, die das Berliner Fintech in den nächsten sechs Monaten umsetzen werde, es geht um Abläufe und Kontrollen. Die Finanzmarkt-Kontrolleure der BaFin machen an dieser Stelle Druck: Für das Unternehmen gilt bis auf weitere, dass es für neue Partnerschaften die Erlaubnis der Aufseher einholen muss. „Wir müssen von der Bafin also grünes Licht bekommen, bevor wir neue Kunden aufnehmen dürfen“, berichtet Höltemeyer über die Auflage, die zeigt, dass Solaris noch ein paar Hausaufgaben machen muss. Außerdem läge die Entscheidung über einen Börsengang letztlich bei den Eigentümern. „Natürlich sehen wir, dass die Märkte derzeit recht angespannt sind und wir werden uns nicht auf einen Markt aufdrängen, der nicht attraktiv für uns ist“, stellt Höltemeyer fest, dessen Worte damit nicht so klingen, als träume er länger vom Schritt aufs Börsenparkett. Stattdessen nimmt er das alte Ziel, Gewinne, wieder in den Blick – und zwar für 2023. Sein Credo: weniger Wachstum, mehr Profitabilität.

Fintech-Branche strauchelt

Diese überraschend konservative Losung passt zur angeschlagenen Stimmung im deutschen Fintech-Sektor. Eine Studie des Beratungsunternehmen McKinsey belegt: Weniger Gründungen in 2022, geringere Investitionssummen und kaum Wachstum im europäischen Vergleich. Besonders die Wettbewerber aus Großbritannien, Schweden und den Niederlanden zeigten, wie hoch die Latte für erfolgreiche Fintechs liege, so McKinsey.

Nicht nur die Solaris schiebt den geplanten Börsengang in unbestimmte Ferne. Steigende Zinsen, hohe Kursschwankungen und eine mögliche Rezession lassen viele Aspiranten zögern. Im vergangenen Jahr ist der Markt für Börsengänge eingebrochen. Nur neun deutsche Unternehmen wagten laut Deutscher Börse ein Listing. Mit Ausnahme von Porsche waren das kleine Firmen. „Auch wenn Porsche als erhoffter Eisbrecher sehr erfolgreich mit einem Volumen von über neun Milliarden Euro an die Börse ging, fiel das IPO-Jahr 2022 nach dem Beginn des Russland-Ukraine-Krieg de facto aus“, erklärt Klaus Rainer Kirchhoff, Chef der Beratungsfirma Kirchhoff Consult, in einer aktuellen Studie. Börsenkandidaten warten eine stabilere Lage ab.

Profitabilität schlägt Wachstum

Auch der Branchenstar und Aufsichtsratschef von Solaris, Ramin Niroumand, blickt mit Zurückhaltung auf einen möglichen Börsengang des Berliner Fintechs. „Wir haben immer gesagt, wir bereiten uns auf einen Börsengang vor und entscheiden je nach Marktsituation. Aber aktuell wäre das kein gutes Timing“, so Niroumand gegenüber Markt und Mittelstand. „Abhängig von den Wachstumsplänen“ brauche Solaris zwar neues Eigenkapital, aber das bekäme man auch über andere Wege. „Für uns ist die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten nicht so relevant, jede Methode hat ihre Vor- und Nachteile.“ Zwar würden Unternehmen, die an der Börse sind, einen größeren Kreis an Investoren erreichen, aber sie müssten auch intensiver berichten.

Im Gespräch mit Niroumand, der sich selbst als Teil der „Berliner Bubble“ beschreibt, wird deutlich, dass Solaris derzeit vor allem Finanzierungsmöglichkeiten abseits eines möglichen IPOs prüft. „Ich betrachte das als einen Wettkampf um Kapital. Die Frage ist doch: Wo bekommt man einfacher Kapital? Früher lautete die Weisheit, man sei irgendwann zu groß für Privat Equity und für Fonds.“ Teilweise sei das ja auch noch richtig, Beispiel Amazon und Co. Wer solle bei diesen großen Playern signifikant Anteile kaufen, fragt Niroumand rhetorisch und antwortet ernsthaft: „Weil aber mittlerweile die Fonds so groß sind, bekommen Unternehmen auch auf diesem Weg gutes Geld.“

Auto1 schreckt ab

„Gutes Geld“ ist dabei das Stichwort, dass immer mehr Unternehmen Alternativen zum Börsengang prüfen lässt. Solaris macht offenbar Schule.  Denn schließlich gibt es eindrückliche Beispiele, die belegen, dass der Schritt aufs Börsenparkett auch im Desaster enden kann. So wie bei Auto1. Kein Unternehmen ist in den vergangenen Jahren an der Frankfurter Börse so euphorisch begrüßt worden wie Europas größter Gebrauchtwagenhändler, und keins wurde danach so heftig abgestraft. Noch kurz nach dem IPO war das Papier über 52 Euro wert, heute kostet es nicht mal mehr zehn Euro. Dabei wurde ein Großteil der Erwartungen sogar erfüllt.

Gründe für heftige Talfahrten wie die von Auto1 findet man – neben genannten Faktoren wie hohe Inflationsraten und Rezessionsängste – unmittelbar an der Basis, bei Anlegern und Analysten, genauer: bei deren Kursfantasien. Gerade in der Fintech-Branche wurden in den vergangenen Jahren teils astronomisches Wachstum erwartet und entsprechend in die Kurse eingepreist, growth first, profits second. Diese Entwicklung könnte sich nun ändern. „Das vergangene Jahr war ein harter Einschnitt für die Fintech-Branche. Nach einem langen Aufwärtstrend befinden wir uns nun in einer Marktkonsolidierung“, sagt Niroumand. Investoren würden von Unternehmen vor allem Profitabilität im Einklang mit nachhaltigem Wachstum erwarten. Das aber dämpft die Phantasie der Anleger gewaltig.

Florian Spichalsky

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