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Microsoft-Aktie trotzt allen Widerständen

Nicht Amazon und auch nicht Apple. Der wertvollste, börsennotierte Konzern der Welt heißt seit April diesen Jahres Microsoft. Die Gründe dafür sind vielfältiger Natur. Einer jedoch ragt heraus.

BÖRSE am Sonntag

Nicht Amazon und auch nicht Apple. Der wertvollste, börsennotierte Konzern der Welt heißt seit April diesen Jahres Microsoft. Die Gründe dafür sind vielfältiger Natur. Einer jedoch ragt heraus.

Ein wenig muss man sich noch immer die Augen reiben, zweimal hinschauen, kurz den Kopf schütteln. Microsoft, der wertvollste, börsennotierte Konzern der Welt? Apple knapp hinter sich, Amazon und Alphabet weit abgeschlagen? Kann das sein?

Kann es. Eine große Überraschung bleibt es dennoch. Wie nur hat es Microsoft geschafft, so schnell nicht nur das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen, sondern diese regelrecht in eine Art Goldgräberstimmung zu versetzen? Die Aktie des Windows-Konzerns, sie ist auf einmal wieder zum großen Anlegerliebling geworden. Allein im laufenden Jahr ist ihr Kurs um 35 Prozent auf 137 US-Dollar gestiegen. Auf Dreijahressicht steht die Aktie mit 140 Prozent im Plus, auf Fünfjahressicht mit knapp 200 Prozent. Seit 2014 steigt der Kurs kontinuierlich an, seit 2016 rast er beinahe von einem Rekordhoch zum nächsten. Die aktuelle Marktkapitalisierung beträgt demnach 1,047 Billionen US-Dollar. Damit ist Microsoft der dritte Konzern, dem der Sprung über die Eine-Billion-Dollar-Schwelle gelingt. Seit April dieses Jahres verweist der von Bill Gates gegründete Software-Riese Apple und Amazon auf die Plätze. Auch wenn das Duell mit Apple ein enges ist. Der iPhone-Konzern erreicht derzeit eine Marktkapitalisierung in Höhe von 1,046 Billionen US-Dollar. Damit liegen die beiden Tech-Konzerne quasi auf Augenhöhe.

Aber zurück zu Microsoft. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000 dümpelte der Kurs des Computer-Konzerns 13 Jahre lang irgendwo bei 25 bis 30 Dollar herum. Die Erfolgsstory von Apple, die Erfindung des Smartphones oder das Aufkommen neuer Tech-Schwergewichte wie Google drängten Microsoft ins Börsenabseits. Und nicht wenige Experten prophezeiten dem Konzern alles, nur keine rosige Zukunft bei dieser neuen, übermächtig erscheinenden Konkurrenz. Und tatsächlich bediente Microsoft lange Zeit die Skepsis mit wenig innovativen Angeboten und fehlgeschlagenen Versuchen gegenüber Apple und Co. aufzuholen, was nicht mehr aufzuholen war.

Der Beginn einer neuen Ära

Die Wende kam, als einer kam, der darauf nur noch wenig Wert legte, dafür neues schaffen, neue Geschäftsfelder erschließen wollte, das Smartphone links liegen ließ, dafür anderen vielversprechenden Technologien nacheiferte. Und das angestaubte Image des Konzerns aufpolierte, indem er der nach wie vor wichtigen Windows- und Office-Sparte einen radikalen Strategieschwenk verordnete. Als Satya Nadella am 4. Februar 2014 sein Amt als neuer Microsoft-CEO antrat, war das der Beginn einer neuen Ära. So viel steht heute, mehr als fünf Jahre später, fest. Selten stand eine Börsen-Erfolgsstory so sehr in Bezug zu einer Person, wie die von Microsoft in den vergangenen Jahren.

Satya Nadella hat Microsoft an der Börse einen besonderen Ruf eingebracht. Nämlich den, defensiver Qualitäts- und offensiver Wachstumswert in einem zu sein. So zahlt der Konzern mit Sitz in Redmond, Washington, seit 2003 zuverlässig eine Dividende, die Jahr um Jahr höher ausfällt. Derzeit liegt sie bei 1,84 Dollar je Anteilsschein. Ebenso stützen die Amerikaner mit einem Aktienrückkaufprogramm den Kurs. Darüber hinaus weist Microsoft einen hohen Anteil wiederkehrender Umsätze auf, dürfte so von zyklischer Seite her weniger anfällig sein. Überhaupt scheint der Konzern weniger von stärkeren Korrekturen am Gesamtmarkt tangiert zu werden, als andere. Im turbulenten Börsenherbst 2018 beispielsweise, so schreibt die HSBC, „büßte der Nasdaq100 zwischen Ende September und dem Jahreswechsel rund 23 Prozent ein, die Apple-Aktie etwa 40 Prozent, die Papiere von Microsoft verloren hingegen 19 Prozent und markierten bereits im März wieder ein frische Bestmarke“.

Wird Azure zur größten Cloud-Plattform der Welt?

Auf der anderen Seite wächst Microsoft vor allem dank seiner Cloud-Plattform Azure nun schon seit einiger Zeit deutlich schneller und stärker, als von Analysten erwartet. Im Ende Juni diesen Jahres zu Ende gegangenen Geschäftsjahr 18/19 wuchs der Umsatz so um 14 Prozent auf 125,8 Milliarden Dollar, der Nettogewinn stieg um 20 Prozent auf 36,8 Milliarden Dollar. Mit einem operativen Gewinnplus von 20 Prozent und einer Umsatzsteigerung von zwölf Prozent übertraf Microsoft dazu auch im vierten Quartal die Analystenschätzungen, woraufhin diese reihenweise ihre Kursziele erhöhten. Laut dpa-AFX-Analyzer empfehlen derzeit 15 von 15 Experten die Aktie zum Kauf. Unter anderem wegen verbesserter Perspektiven von Azure, hob so beispielsweise DZ-Bank-Analyst Ingo Wermann sein Kursziel auf 162 Dollar an. Auch wenn sich das Umsatzwachstum im vierten Quartal gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres von 89 auf 64 Prozent verlangsamte, liegt dieses noch immer höher, als das von Amazon-Konkurrent und Noch-Platzhirsch AWS. Dazu konnte Microsoft auch in allen anderen Konzernbereichen Gewinn und Umsatz steigern. Die Erlöse aus der „Office 365-Web-Version“ stiegen so ebenfalls stark, um 31 Prozent, an. Vorreiter Adobe folgend bietet Microsoft seine Bürosoftware inzwischen per Online-Abonnement an. Und auch das Karriereportal LinkedIn konnte seine Umsätze um 25 Prozent steigern.

Der Aufstieg zum wertvollsten, börsennotierten Konzern der Welt kommt bei Microsoft also nicht von irgendwo her. Und doch ist das Tempo, in dem er vonstattenging, beeindruckend. Bleibt die Frage, wie lange diese Erfolgsstory noch intakt bleibt. Für den Moment spricht wenig dagegen. Das Bild, das Microsoft derzeit abgibt, realwirtschaftlich wie an der Börse, dürfte Anleger an die berühmte eierlegende Wollmilchsau erinnern, an einen Fels in der Brandung, dem es an Stabilität genauso wenig mangelt wie an weiterer Kurs- und Wachstumsphantasie. Möglich, dass man sich noch länger die Augen reiben darf. Im positiven Sinne.

Oliver Götz

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