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Ölpreis: Unterschätzt der Markt das Risiko?

Dem größten Preisanstieg seit 1991 folgte nur kurze Zeit später die Erholung. Schon ist der Schock beinahe wieder vergessen. Dabei hat sich der Konflikt zwischen Saudi-Arabien und dem Iran gefährlich verschärft. Auf Dauer könnte das eine Risikoprämie rechtfertigen.

BÖRSE am Sonntag

Dem größten Preisanstieg seit 1991 folgte nur kurze Zeit später die Erholung. Schon ist der Schock beinahe wieder vergessen. Dabei hat sich der Konflikt zwischen Saudi-Arabien und dem Iran gefährlich verschärft. Auf Dauer könnte das eine Risikoprämie rechtfertigen.

Die Panik währte nur kurz. Nach dem Drohnenangriff auf die größte Erdöl-Raffinerie Saudi-Arabiens schossen die Ölpreise am Montagmorgen in die Höhe. Im frühen Handel kostete ein Barrel der Nordsee-Ölsorte Brent in der Spitze 20 Prozent mehr als noch am Freitag zuvor. Mit 71,95 US-Dollar war der wertvollste Industrierohstoff der Welt damit so teuer wie seit vier Monaten nicht mehr. Bereits am Mittag jedoch war von dem größten Preisanstieg seit dem Golfkrieg 1991 nur noch zirka die Hälfte übrig. Am Dienstag setzte sich die negative Erholung fort. Das Barrel Brent verbilligte sich um 6,6 Prozent auf 64,48 Dollar. Am Donnerstag war es mit 63,65 Dollar sogar noch günstiger zu haben und beinahe wieder auf dem Ausgangsniveau der vergangenen Woche in Höhe von 60,30 Dollar angelangt.

Die kurzfristige Sorge um eine spürbare Angebotsverknappung wich so offenbar schnell wieder Entspannung. Global erscheinen die Erdöl-Bestände reichlich genug. Das Angebot ist durch die Rückkehr der USA zum größten Förderer der Welt groß genug, um kurzfristige Engpässe auszugleichen. Auch einen der größten Ausfälle aller Zeiten, um den es sich handeln dürfte, wenn wie nach dem Anschlag aus Saudi-Arabien 5,7 Millionen Barrel täglich weniger den Weltmarkt erreichen, was rund fünf Prozent der globalen Versorgung entspricht. Doch auch diesbezüglich gab es von Saudi-Arabiens Energieminister bin Salman und Saudi Aramco-Chef Nasser schnell Entwarnung. Ende des Monats schon, so lautete die Nachricht, werde die Ölproduktion wieder ihr normales Niveau erreichen. Und aufgrund der großen Lagerbestände könnten schon jetzt alle Kundenwünsche vollständig erfüllt werden. So visiert Bin Salman für September wie auch für Oktober eine Produktionsmenge von 9,89 Millionen Barrel pro Tag an. Das wäre mehr als im August.

War der Ölpreisschock von Montag also nichts weiter als eine kurze Panikattacke, eine schlussendlich wenig aussagekräftige Überreaktion des Marktes? Gründe dafür gäbe es. Neben dem globalen Angebotsüberhang, schwächelt Chinas Wirtschaft weiter. Im August stieg die Industrieproduktion so langsam wie seit 17 Jahren nicht mehr. Auch der Einzelhandelsumsatz und Investitionen in Sachanlagen sanken. Das, gemeinsam mit der dadurch steigenden weltweiten Rezessionsangst spricht für ein Absinken der globalen Erdöl-Nachfrage, was fallende Preise nach sich ziehen würde.

Das Eskalationsrisiko steigt

Dagegen spricht jedoch das mit dem Drohnenangriff gestiegene Risiko einer militärischen Eskalation im Nahen Osten zwischen den Großmächten Saudi Arabien und dem Iran. Möglich auch, dass sich in diesem Fall die USA oder Russland in irgendwelcher Art und Weise daran beteiligen. Auch wenn der Iran als Urheber des Angriffs nicht feststeht und die Schuld klar von sich weist, Saudi-Arabien und die US-Regierung sind überzeugt davon. Gut möglich, dass sich diese Frage so schnell nicht abschließend klärt. Nun dürfte es deshalb noch lange nicht im Sinne genannter Konfliktparteien sein, einen handfesten Krieg zu beginnen. Doch die Angst davor muss nach den Geschehnissen quasi steigen. Es muss gar nicht die große militärische Auseinandersetzung sein, es reicht schon ein Krieg auf politischer und wirtschaftlicher Ebene, der langfristig zum Faktor werden könnte, wenn es um den Ölpreis geht. Schlussendlich wird ein großer Brandherd des Nahen Ostens derzeit immer heißer und die Parteien, die ihn schüren, scheinen unberechenbar. So haben nach den Anschlägen viele Analysten ihre Ölpreis-Prognosen angehoben. Im Schnitt erwarten sie jetzt nicht mehr 66 Dollar pro Barrel Brent, sondern ein Preisniveau zwischen 70 und 72 Dollar. Nicht aufgrund einer spürbaren Angebotsverknappung, mehr ist es das genannte Konfliktrisiko, welches sie in der Bewertung des Rohstoffs eingepreist sehen wollen. Eine sogenannte „Risikoprämie“ also.

Am Markt ist davon bislang nichts zu spüren. Zum Ende der Woche kündigte Donald Trump jedoch via Twitter an, neue Sanktionen gegen den Iran erheben zu wollen. Darüber hinaus beschuldigten saudische Militärs erneut den Iran des Raffinerie-Angriffs. Deeskalation klingt anders. Möglich also, dass sich in den kommenden Wochen die Risikoprämie deutlicher im Preis für das „schwarze Gold“ wiederfindet. Derweil gilt längst nicht als sicher, dass es Saudi-Arabien schafft so schnell wie angekündigt seine Ölproduktion wieder zu normalisieren. Dauere dies länger als sechs Wochen, könnte der Preis für das Barrel Brent auf bis zu 75 Dollar steigen, schreiben die Analysten von Goldman Sachs. Das könnte aus ökonomischer Sicht dann auch für Deutschland gefährlich werden. „Ein Anstieg der Ölpreise um zehn Euro pro Barrel würde die deutsche Wirtschaft vermutlich endgültig aus der Stagnation in eine milde Rezession abrutschen lassen“, sagte der Chefvolkswirt der Berenberg-Bank, Holger Schmieding, der Nachrichtenagentur Reuters. Aber das ist ein anderes Thema, das nebst schon eher für eine längere Phase der Panik sorgen könnte.

Oliver Götz
 
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