Knall bei Deutz: Gut oder schlecht für Anleger?
Keine Frau – kein Chefsessel: Mit einem spektakulären Knall ist der Dauerstreit um die gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote beim Maschinenbauer Deutz zu Ende gegangen. Vorstandschef Frank Hiller (55) muss die älteste Motorenfabrik der Welt verlassen. Und jetzt?
Keine Frau – kein Chefsessel: Mit einem spektakulären Knall ist der Dauerstreit um die gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote beim Maschinenbauer Deutz zu Ende gegangen. Vorstandschef Frank Hiller (55) muss die älteste Motorenfabrik der Welt verlassen. Und jetzt?
Auch Aufsichtsratschef Bernd Bohr gibt seinen Vorsitz ab, bleibt aber einfacher Aufsichtsrat, teilte das Unternehmen nach einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung mit. Finanzchef und Arbeitsdirektor Sebastian C. Schulte rückt an die Spitze der 1864 gegründeten Deutz AG. Der 43-Jährige war Teil des Deutschland-Achters und trat 2004 auch bei Olympia an. Er übernimmt jetzt das Ruder bei dem im S-Dax-gelisteten Motorenbauer, der 2020 mit 4500 Beschäftigen 1,6 Milliarden Euro erwirtschaftet hat. Die Kölner bauen Dieselantriebe vor allem für Baumaschinen, Traktoren oder Boote.
Mit dem überraschenden Personalkarussell ist ein Streit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat eskaliert, der seit Wochen gärt. Im Mittelpunkt steht das zweite Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II) das im vergangenen Sommer in Kraft getreten ist. Demnach muss in einem börsennotierten und mitbestimmten Unternehmen mit mehr als drei Vorstandsmitgliedern bei nächster Gelegenheit eine Frau in das Leitungsgremium einziehen. Die Top-Etage bei Deutz ist mit vier Männern besetzt. Neben Schulte, der von Thyssen-Krupp kommt, ist auch Entwicklungsvorstand Markus Müller weniger als ein Jahr in dem Spitzengremium.
Den Vorstand mit einem anderen Aufgabenzuschnitt mit einer Frau zu erweitern wäre bei Mitarbeitern und Investoren wohl schwer vermittelbar gewesen. Der Motorenbauer hat erst 2020 ein Sparprogramm umgesetzt, im Zuge dessen fast jede vierte Stelle weggefallen ist. Mit dem Rausschmiss von Hiller eröffnet sich für Deutz die Chance, mit einer Finanzchefin der Gesetzesvorgabe zu entsprechen. Entsprechende Schritte seinen eingeleitet, so das Unternehmen. Das Manöver dürfte für den Konzern dennoch teuer werden, denn Hillers Vertrag war erst im vergangenen Jahr bis 2026 verlängert worden. Somit ist davon auszugehen, dass der geschasste CEO den abrupten Abgang mit einer Abfindung in Millionenhöhe versüßt bekommt.
„Mit Sebastian Schulte übernimmt ein führungsstarker Analytiker und Teamplayer den Vorstandsvorsitz von Deutz“, lobte Bohrs Nachfolger Dietmar Voggenreiter. Der ehemalige Audi-Vertriebschef ist seit 2019 im Deutz-Aufsichtsrat vertreten. Der Finanzchef bringe genau die Kompetenzen für eine „profitable Transformation“ mit. „Ich bin davon überzeugt, dass wir mit ihm die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Vorstand zielorientiert fortsetzen werden“, sagte Schulte. „Das Unternehmen kann sich wieder darauf konzentrieren, Motoren zu verkaufen, zu bauen und zu entwickeln und beschäftigt sich nicht mehr mit sich selber“, ließ die IG Metall. verlauten. Der Kommentar zur Personalie an sich legt offen, was die Arbeitnehmerseite zuletzt vermisst hat: „Damit führt nun ein ausgesprochener Teamplayer das Unternehmen. Eine wichtige Voraussetzung, um alle Stakeholder und hier vor allem die Beschäftigten im Transformationsprozess mitzunehmen“, so Sabine Beutert, die für die Gewerkschaft Deutz betreut.
Der Streit, wie dem Gesetz gefolgt werden soll, hatte sich immer mehr zum Machtkampf zwischen Hiller und Bohr entwickelt. Die Debatte hatte immer mehr die Entscheidungen innerhalb des Traditionsunternehmens gelähmt. Zuletzt deutete sich an, dass der Chefaufseher sein Amt aufgeben wird, das er seit 2019 innehatte. Während der Sondersitzung des Aufsichtsrates, bei der es wohl sehr heftig zugegangen ist, vollzog Bohr dann tatsächlich den Rücktritt. Gleichzeitig konnte er aber den Rausschmiss Hillers durchsetzen. Offenbar haben die übrigen Aufseher aber Bohr überredet, im Gremium zu bleiben. Der 65-Jährige war bis 2013 über zehn Jahre Chef der Autosparte bei Bosch und gilt als ausgewiesener Fachmann. Zwischenzeitlich war er Mitglied in den Aufsichtsräten von Daimler und Knorr-Bremse. Die 40.000 Euro, die Bohr der Verzicht auf den Posten des Chefaufsehers kosten, dürfte der passionierte Segelyachtfahrer verschmerzen.
Die Deutz-Aktie brach nach dem spektakulären Stühlerücken um fast einen Euro auf knapp fünf Euro ein. Das Papier erholte sich aber in den folgenden Tagen etwas, blieb aber unter dem Eindruck der allgemeinen nervösen Märkte unter Druck. Die Privatbank Berenberg hat das Kursziel von 7,50 auf 6,80 Euro gesenkt, aber die Einstufung auf "Hold" belassen. Die Abberufung von Vorstandschef Hiller stehe wohl in keinem Zusammenhang mit der operativen Leistung oder Strategie des Motorenbauers, schrieb Analystin Charlotte. Belastungen erwartet sie durch die anhaltende Verknappung von Komponenten sowie steigender Herstellkosten. Ach die Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe reduzierte ihr Kursziel von 11,20 auf 10,80 Euro blieb aber bei der Einstufung auf "Buy".
Andreas Kempf
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