Fundamentaldaten rechtfertigen massive Verkäufe nicht
Kurskorrektur an den Märkten! Ist jetzt noch der richtige Zeitpunkt für Aktien? Bleibt die Volatilität hoch und sind weitere Kursstürze nur eine Frage der Zeit? Oder sind im Zuge der Korrektur einige Papiere gar erst wieder richtig interessant geworden? Monica Defend und Vincent Mortier vom Vermögensverwalter Amundi im Gespräch mit der BÖRSE am Sonntag.
Kurskorrektur an den Märkten! Ist jetzt noch der richtige Zeitpunkt für Aktien? Bleibt die Volatilität hoch und sind weitere Kursstürze nur eine Frage der Zeit? Oder sind im Zuge der Korrektur einige Papiere gar erst wieder richtig interessant geworden? Monica Defend und Vincent Mortier vom Vermögensverwalter Amundi im Gespräch mit der BÖRSE am Sonntag.
BÖRSE am Sonntag: Wir haben jüngst mehrere Kurskorrekturen gesehen, zuerst bei Renten, jetzt am Aktienmarkt. Was steckt dahinter?
Monica Defend: Wir hatten lange keine Kurskorrektur; hohe und zum Teil extreme Bewertungen bei risikobehafteten Anlagen wurden ignoriert. Anleger investierten vermehrt in Aktien oder verfolgten spekulative Strategien an den Zins- und Währungsmärkten, das sind die sogenannten Carry Trades. Am 2. Februar wurden dann die US-Lohnkosten veröffentlicht. Wir haben gesehen, dass die durchschnittlichen Stundenlöhne mit 2,9 Prozent so deutlich gestiegen wie zuletzt im Juni 2009. Im Vormonat waren es übrigens 2,5 Prozent. An den Märkten wird jetzt mit höheren Inflationszahlen gerechnet. Kurskorrekturen waren die Folge.
BaS: Was war der Auslöser dafür?
Defend: Zuerst waren die Rentenmärkte betroffen. Die Rendite auf zehnjährige Treasuries, so nennt man ja die US-Anleihen, stieg von 0,48 auf 0,72 Prozent. An der Entwicklung der inflationsgeschützten Treasuries lässt sich gut ablesen, dass die Inflationserwartungen gleichzeitig von 1,91 auf 2,11 Prozent angestiegen sind. Am Aktienmarkt kam es dann am 5. Februar zu deutlichen Verkäufen, weil algorithmische Handelsprogramme entsprechende Stopp-Loss-Aufträge auslösten, also den Verkauf bei Unterschreiten einer bestimmen Schwelle.
BaS: Mit welchen Strategien können Anleger sich wappnen?
Vincent Mortier: In den letzten Monaten haben wir uns darauf konzentriert, Risiken zu reduzieren, und fahren Absicherungsstrategien. Wir gehen gerade in das Spätstadium des aktuellen Finanzzyklus über und können uns daher eine Präferenz für Aktien mit gutem Gewinnwachstum, also Gewinn je Aktie, erlauben.
BaS: Wo finden Sie diese Aktien?
Mortier: Insbesondere in Europa und Japan, bei sorgfältiger Auswahl auch in einigen Schwellenländern. Bei Unternehmensanleihen sollten Anleger genau hinsehen, denn die Bewertungen sind extrem hoch. Außerdem empfehlen wir kurze Laufzeiten, da sich hier noch immer Prämien abschöpfen lassen. Entscheidend sind Qualität und Liquidität. Bei Staatsanleihen wird es vor allem darauf ankommen, die durchschnittliche Kapitalbindungsdauer und die Zinskurve richtig zu steuern. Zwar kehren die Laufzeitprämien1 allmählich wieder in die Zinskurven zurück, dennoch empfehlen wir zur Risikoreduzierung in dieser Phase eine kurze Duration – das ist die Kapitalbindungsdauer – und inflationsgeschützte Anleihen.
BaS: Und was ist langfristig die richtige Reaktion?
Defend: Es kommt nach unserer Auffassung bei der richtigen Anlagestrategie für dieses Jahr entscheidend auf die Inflationserwartungen an. Wir sehen bisher keine Anzeichen für größere Preisanstiege in den USA. Unser Basisszenario halten wir angesichts einer mäßig steigenden Teuerungsrate für weiterhin intakt.
BaS: Sehen Sie Veränderungen in den Wirtschaftskennzahlen oder den Fundamentaldaten der Unternehmen, die eine Korrektur rechtfertigen?
Defend: Die positiven Fundamentaldaten von Wirtschaft und Unternehmen rechtfertigen die massiven Verkäufe nicht. Die Weltwirtschaft wächst ja schließlich. Überall auf der Welt haben Unternehmen aus allen Sektoren gute Zahlen vorgelegt und uns damit in unserer Überzeugung bestätigt, dass es bei Aktienrenditen vor allem auf den EPS-Zyklus ankommt, also den Gewinn je Aktie. Die Fundamentaldaten sind also weiterhin solide.
BaS: Sehen Sie hier eine Einstiegsgelegenheit, oder erwarten Sie, dass die Volatilität eine Weile erhalten bleibt?
Defend: Die Kursentwicklung der letzten Jahre war äußerst stabil, es ist daher gut möglich, dass die Volatilität uns jetzt eine Weile begleitet. Wir bleiben bis auf weiteres vorsichtig. Wenn sich jedoch Gelegenheiten ergeben, werden wir diese auch aktiv ausschöpfen. Bei dem aktuellen Comeback der Inflation ist das durchaus möglich. Nebenbei treten wir gerade in das Spätstadium des laufenden Finanzzyklus ein, Volatilität ist dabei nicht ungewöhnlich.
BaS: Wie sollten Anleger ihre Strategie für 2018 ausrichten?
Mortier: Alles in allem sollten sich Anleger aus unserer Sicht weiterhin auf Diversifizierung, also die Streuung konzentrieren und Verlustrisiken mit entsprechenden Strategien reduzieren. Gleichzeitig könnten sich durch die Kurskorrektur auch wieder Einstiegsgelegenheiten ergeben. Wer bei den aktuellen soliden Wirtschafts- und Unternehmenskennzahlen aussichtsreiche Anlagen finden will, sollte nach unserer Auffassung aktiv und flexibel investieren.
Monica Defend ist Head of Strategy und Deputy Head of Research, Vincent Mortier ist Deputy CIO bei Amundi Asset Management.