Große Erholung an den Märkten – Worauf es jetzt ankommt
Nach einem derart starken Einbruch wie Ende 2018 haben sich die Aktienmärkte selten so schnell erholt wie zuletzt. Vor allem die weiterhin lockere Geldpolitik beflügelt. Eine bestimmte Entwicklung im Zinsbereich sollten Anleger jedoch genauestens im Blick behalten.
Nach einem derart starken Einbruch wie Ende 2018 haben sich die Aktienmärkte selten so schnell erholt wie zuletzt. Vor allem die weiterhin lockere Geldpolitik beflügelt. Eine bestimmte Entwicklung im Zinsbereich sollten Anleger jedoch genauestens im Blick behalten.
Von Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P Morgan Asset Management
Die Kapitalmärkte zeigten sich im ersten Quartal 2019 gegenüber Anlegern sehr gewogen. Nach Beobachtung von Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt, haben sich in der Vergangenheit die Aktienmärkte nach einem derart starken Einbruch wie Ende 2018 selten so schnell wieder erholt wie es zuletzt der Fall war. „Die Geldpolitik hat einen entscheidenden Anteil an der schnellen Erholung der Aktienmärkte“, erklärt Galler. Die klare Äußerung der US-Notenbank (Fed) auf ihrer März-Sitzung, bis Ende des Jahres keine weiteren Zinserhöhungen vorzunehmen, habe die Märkte beflügelt. Es stellt sich nun die Frage, wie Anleger sich in diesem Marktumfeld positionieren sollten. Rund um den Guide to the Markets für das zweite Quartal 2019 erläutert Tilmann Galler die Themen, die für die weitere Entwicklung der Märkte relevant sind: die Stimmung der US-Konsumenten, politische Risiken vor allem in Europa, die Kehrtwende der US-Notenbankpolitik sowie die Invertierung der Zinsstrukturkurve. Eine nachhaltige Rally an den Märkten könne sich nach Ansicht des Experten jedoch nur nach einer Trendwende bei den Unternehmensgewinnen etablieren.
USA: Stabilität des Arbeitsmarkts bleibt der Schlüssel
In den USA war das Verbrauchervertrauen insbesondere im Dezember 2018 sowie im Januar 2019 stärker geschwunden. Für die Bewertung der Situation gilt es jedoch, einen Blick insbesondere auf den Arbeitsmarkt zu richten, da es eine enge Korrelation zwischen Verbrauchervertrauen und Arbeitslosenquote gibt. Demnach war die Situation am US-Arbeitsmarkt Anfang 2019 eher enttäuschend: Im Februar wurden beispielsweise lediglich 20.000 neue Stellen geschaffen. Angesichts eines allmählich steigenden Lohndrucks sähen Unternehmen zuneh¬mend davon ab, mehr Personal einzustellen. Dass sich der positive Trend etwas verlang¬samt, sei für den US-Zyklus in der Spätphase jedoch natürlich. Ins¬gesamt gebe die Situation jedoch keinen Anlass zur Sorge: „Die nach wie vor sehr niedrige Arbeitslosenquote von lediglich 3,8 Prozent im Februar 2019 zeigt, dass der US-Arbeitsmarkt weiterhin stabil ist. Wir bleiben daher verhalten optimistisch für den Konsum und das Wachstum der US-Wirtschaft“, erklärt Galler.
Politische Risiken bleiben besonders für Europa relevant
Eine mögliche Eskalation im Handelskonflikt sowohl zwischen den USA und China als auch zwischen den USA und Europa ist laut dem Experten derzeit die größte Herausforderung. Die Eurozone könnte dadurch ins Kreuzfeuer des Konflikts geraten. Zudem könnte sich die Situation in Italien ebenfalls negativ auf die Märkte auswirken. Gemäß aktuellen Umfragen hat sich die Stimmung in der italienischen Bevölkerung mit Blick auf die beiden Koalitionsparteien – die rechte Lega Nord sowie die linke Fünf-Sterne-Bewegung – inzwischen deutlich zugunsten der Lega Nord gedreht. Dies könnte unter Umständen den Ruf nach Neuwahlen aus diesem Lager lauter werden lassen. „Die Sorgen um Italien lassen sich an den Rentenmärkten bereits deutlich ablesen; die Spreads 10-jähriger italienischer Staatsanleihen sind gegenüber deutschen Staatsbonds in den letzten Monaten in die Höhe geschnellt “, erläutert Galler. Eher geringes Potenzial für Auswirkungen auf die Märkte sieht er bei der im Mai stattfindenden Europawahl. Zwar könnte es sein, dass euroskeptische Parteien hinzugewinnen, doch sei nicht mit einer Unregierbarkeit in Straßburg zu rechnen. Allenfalls könnte die Koalitionsbildung schwieriger werden. Das Thema Brexit sieht Tilmann Galler ebenfalls nicht als großen Risikofaktor an. Die Märkte dürften seiner Meinung nach von einem harten Brexit verschont bleiben, da dies auch vom britischen Parlament nicht gewünscht sei.
Kehrtwende der US-Geldpolitik – viele andere Notenbanken bleiben ebenfalls bei lockerer Geldpolitik
Im Zuge der Abkühlung der US-Wirtschaft ist auch die unmittelbare Inflationsgefahr zurückgegangen. Die Frage ist, wie die Geldpolitik in dieser Situation idealerweise aussehen sollte. Auf der einen Seite gibt es Meinungen, wonach die Fed mit ihren bereits erfolgten Zinserhöhungen einem Wirtschaftsaufschwung in den USA entgegensteht. Andererseits ist die Situation der nach wie vor niedrigen Zinsen für Sparer weiterhin schwierig und daher vertreten andere die Ansicht, die Zinsanpassungen nach oben sollten weitergehen. Die Fed hat nach Ansicht von Tilmann Galler nun einen „Schritt an die Seitenlinie“ gemacht, um sich die Wirkung ihrer Politik zunächst einmal anzuschauen. Als nächster Zinsschritt könnte nach Einschätzung von Galler sogar wieder eine Senkung in Frage kommen.
Mit Blick auf das Programm der Bilanzverkürzung, das am 1. Mai begonnen hat und bis Ende September 2019 ab¬geschlossen sein soll, sieht der Stratege ein Damoklesschwert für die Kapitalmärkte ver¬schwinden – nämlich, dass das Liquiditätsumfeld zu restriktiv werden könnte. Auch andere Notenbanken in den Industrie¬ländern sind inzwischen von einer Zins-Normalisierung zurückgewichen und bleiben bei einer lockeren Geldpolitik. In der Konsequenz sind Anleihenkurse zuletzt gestie¬gen, einhergehend mit einem Rückgang bei den Renditen.
Die Invertierung der Zinsstrukturkurve schürt neue Verunsicherung – doch vorerst kein Handlungsbedarf
Das schwächere Wachstum auf globaler Ebene hat dazu beigetragen, dass sich die Zinsstrukturkurven der 3-Monats-/10-Jahres-Renditen in den USA inzwischen invertiert haben. Da eine Invertierung der Zinsstrukturkurve normalerweise Rückschlüsse auf das mögliche Eintreten einer Rezession zulässt, schürt dies aktuell Verunsicherung. Doch nach Analyse von Galler lässt sich festhalten, dass es sich um keine vollständige Invertierung handelt. Die 2-Jahres- und die 10-Jahres-Renditen seien nach wie vor nicht invertiert, das heißt 2-jährige Renditen liegen nach wie vor niedriger als 10-jährige Renditen am Treasury-Markt. Selbst wenn diese unvollständige Inver¬tierung als Rezessionssignal gedeutet werden würde, bestünde kein unmittelbarer Handlungsbedarf: „Die Faust¬regel besagt, dass es nach Invertierung der Zinsstruktur¬kurve meist eineinhalb bis zwei Jahre dauert, bis eine Rezession eintritt“, sagt der Stratege.
Aktien bleiben attraktiv
Die anhaltende Niedrigzinspolitik hat nach Ansicht von Tilmann Galler dazu geführt, dass viele Assetklassen teurer geworden sind. Gegenüber Anleihen seien Aktien jedoch nach wie vor attraktiver. Nichtsdestotrotz seien die Bewertungen zum Teil bereits erhöht, so dass die zukünftigen Ertragserwartungen inzwischen geringer ausfallen würden. Mit Blick auf die Rentenmärkte sieht Tilmann Galler das Hochzinssegment im Vorteil gegenüber qualitativ hochwertigeren Investment-Grade-Anleihen. „Die Risikoaufschläge im Investment-Grade-Bereich sind weiterhin auf einem sehr durchschnittlichen Niveau, so dass das Risiko-Rendite-Profil in diesem Segment nicht sehr attraktiv ist“, stellt Galler fest. Die Ausfallquoten bei Hochzinsanleihen sind dagegen weiterhin relativ moderat mit derzeit rund 1,8 Prozent. Im Lauf des Jahres dürfte die Ausfallquote nach Meinung von Tilmann Galler sogar auf unter 1 Prozent fallen.
Anleger sollten sich angesichts zunehmender Unsicherheiten an den Märkten jedoch möglichst breit diversifiziert aufstellen. Es sei angebracht, in Zukunft stärker auf Substanzaktien- sowie ertrags- und ausschüttungsorienterte Income-Strategien zu setzen, und dafür Positionen im Wachstumsbereich und bei den Small-Caps zu reduzieren.
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