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Nächste Rezession erst 2022?

Geht es nach den Experten von J.P. Morgan Asset Management dürfte die Wahrscheinlichkeit für den Beginn einer Rezession erst 2022 die 50-Prozent-Marke übersteigen. Zudem dürfte ein möglicher Abschwung voraussichtlich weniger schwerwiegend ausfallen als in der Vergangenheit, da die Wirtschaftszyklen der führenden Volkswirtschaften der Welt in den letzten Jahrzehnten insgesamt stabiler geworden sind.

BÖRSE am Sonntag

Geht es nach den Experten von J.P. Morgan Asset Management dürfte die Wahrscheinlichkeit für den Beginn einer Rezession erst 2022 die 50-Prozent-Marke übersteigen. Zudem dürfte ein möglicher Abschwung voraussichtlich weniger schwerwiegend ausfallen als in der Vergangenheit, da die Wirtschaftszyklen der führenden Volkswirtschaften der Welt in den letzten Jahrzehnten insgesamt stabiler geworden sind.

Die USA befinden sich in einer Spätphase des Konjunkturzyklus. Ob und wann die nächste Rezession kommt, ist jedoch noch nicht abzusehen. Die Experten von J.P. Morgan Asset Management gehen allerdings davon aus, dass der nächste Abschwung voraussichtlich weniger schwerwiegend ausfallen dürfte als in der Vergangenheit. Denn insgesamt sind die Wirtschaftszyklen der führenden Volkswirtschaften der Welt in den letzten Jahrzehnten stabiler geworden. Eine Folge dessen sei aber auch, dass auf eine Rezession folgende Erholungsphasen weniger kräftig ausfallen. Dies sind die Ergebnisse einer Analyse im Rahmen des langfristigen Kapitalmarktausblicks „Long Term Capital Market Assumptions“ (kurz: LTCMA) von J.P. Morgan Asset Management.

Auf dem Weg zu mehr wirtschaftlicher Stabilität

Für die Analyse fokussierte sich das Team um Dr. David Kelly, Chief Global Market Strategist bei J.P. Morgan Asset Management, auf US-Rezessionen, da ein Abschwung in den USA häufig auf andere Länder überspringt. Betrachtet wurden Rezessionen seit 1948 – insgesamt fallen elf Abschwünge in diesen Beobachtungszeitraum.

„Unser Research zeigt, dass die US-Wirtschaft in den letzten 70 Jahren allmählich immer stabiler geworden ist“, erklärt Dr. David Kelly. „Das Wachstum hat sich erheblich verlangsamt, die Rezessionen sind im Allgemeinen aber moderater – und Aufschwünge dafür schwächer geworden. Da geringere konjunkturelle Schwankungen gegenüber der Verlangsamung des Wachstums allgemein überwiegen, treten Rezessionen im Laufe der Zeit darüber hinaus weniger häufig auf“.

Nach Ansicht von Dr. David Kelly scheint diese wirtschaftliche Stabilisierung vor allem dadurch bedingt, dass Unternehmen in den USA die Verwaltung ihrer Lagerbestände verbessert haben und zudem moderatere Ausschläge bei den Staatsausgaben sowie bei der Volatilität auf dem Immobilienmarkt für geringfügigere Verwerfungen gesorgt haben. Ferner habe der Dienstleistungssektor, der stabiler als der Fertigungssektor ist, seit Ende des Zweiten Weltkriegs zunehmend an Bedeutung für die US-Wirtschaft gewonnen.

„Genauso wie die Abwärtsrisiken für die Wirtschaft in den USA abgenommen haben, stumpfen aber auch die Instrumente für eine Stimulierung des Wachstums in den vergangenen Jahren ab. So ist insbesondere der Spielraum der Finanz- und Geldpolitik, einen starken V-förmigen Aufschwung auszulösen, geringer geworden“, erklärt Dr. Kelly.

Wann könnte die nächste Rezession voraussichtlich einsetzen?

„Auf der Grundlage der US-Daten für die letzten 20 Jahre deuten unsere Simulationen darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit für den Beginn einer Rezession erst ab dem dritten Quartal 2022 die Marke von 50 Prozent übersteigt – das heißt zwei Quartale später als auf der Grundlage der Erfahrung der vorangegangenen 50 Jahre der Fall gewesen wäre“, sagt Dr. David Kelly.

Hervorzuheben ist allerdings, dass diese Analyse – vor dem Hintergrund eines moderateren Konjunkturzyklus –nur auf die langfristigen Wirtschaftstrends hinweist. Sie berücksichtigt weder die derzeitigen, kurzfristigen fiskalpolitischen Anreize für die US-Wirtschaft noch die momentan niedrige Arbeitslosigkeit im Land, die jeweils das Risiko für eine Rezession im Jahr 2019 oder 2020 erhöhen, da die fiskalpolitischen Anreize auslaufen und ein Mangel an Arbeitskräften das Wirtschaftswachstum hemmt.

Weniger häufige, flachere Einbrüche und moderatere Aufschwünge

Trotzdem deuten nach Ansicht von Dr. David Kelly die Wirtschaftstrends auf lange Sicht darauf hin, dass Anleger im Gegensatz zu früher heute realistisch mit einigen zusätzlichen Quartalen anhaltenden Wachstums im Konjunkturzyklus rechnen können. Anleger können auch davon ausgehen, dass zukünftige Einbrüche weniger dramatisch und die anschließende Erholung schwächer ausfallen werden. Im Durchschnitt ist die Wirtschaft in den USA in den elf Rezessionen der Nachkriegszeit real um 1,9 Prozent geschrumpft und in den drei Jahren nach Ende einer jeden Rezession um 13,9 Prozent gewachsen.

Basierend auf dem Verhalten der Wirtschaft in den letzten 20 Jahren könnte eine hypothetische zukünftige Rezession einen kleineren Rückgang von 1,4 Prozent vom Höchststand bis zum Tiefststand mit sich bringen. Allerdings müsste eventuell auch davon ausgegangen werden, dass die Wirtschaft in den ersten drei Jahren des Aufschwungs nur mehr um 7,0 Prozent wachsen wird.
Die Auswirkungen für Anleger

„Unsere Analyse ist weniger darauf ausgelegt, für Anleger den genauen Zeitpunkt des nächsten Abschwungs vorherzusehen, sondern vielmehr die Risiken und ihre mögliche Entwicklung zu erkennen“, erklärt Dr. David Kelly.

Beispielsweise könnte eine immer einfallsreichere Geldpolitik vonnöten sein, um eine flachere Erholung zu stützen, was wiederum bedeutet, dass die Zinsen im nächsten Jahrzehnt niedriger sein könnten als ansonsten zu erwarten gewesen wäre. Die Marktvolatilität könnte trotzdem genauso heftig ausfallen wie in der Vergangenheit – vor allem, wenn ein stabileres wirtschaftliches Umfeld bedeutet, dass Ungleichgewichte und Vermögensblasen längere Zeit haben, um sich aufzubauen. Insgesamt dürften Anleger nach Ansicht von Dr. David Kelly zwar feststellen, dass sich wirtschaftliche Wachstumstrends im Vergleich zur Vergangenheit verlangsamen, sie könnten sich aber damit trösten, dass die Weltwirtschaft voraussichtlich stabiler sein werde.