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Es wird dunkel und dann hell in Hellas

Das Licht ist längst gedämpft, das Mitternachts-Saxophon spielt eine Late-Night-Melodie auf der ansonsten leeren Bühne; ein Paar dreht sich noch auf der Tanzfläche, auf die Luftschlangen müde herabhängen wie tote Fische, und sie drehen sich auch nur deshalb noch, weil sie nichts besseres anzufangen wissen. Wenn es noch hoffnungsloser geht, dann sind wir bei Griechenland und seinen Aussichten, sich am Ende eines langen Tages noch aufzuraffen zu einem Schritt in Richtung Aufbruch.

BÖRSE am Sonntag

Das Licht ist längst gedämpft, das Mitternachts-Saxophon spielt eine Late-Night-Melodie auf der ansonsten leeren Bühne; ein Paar dreht sich noch auf der Tanzfläche, auf die Luftschlangen müde herabhängen wie tote Fische, und sie drehen sich auch nur deshalb noch, weil sie nichts besseres anzufangen wissen. Wenn es noch hoffnungsloser geht, dann sind wir bei Griechenland und seinen Aussichten, sich am Ende eines langen Tages noch aufzuraffen zu einem Schritt in Richtung Aufbruch.
 
Erst morgen werden sich die Tanzpartner wohl ein letztes Mal zusammentun zu einer heroischen Anstrengung, den Weg zu finden, den der Wille dann beschreiten kann. Müde sind derweil die Bevölkerungen rund um die europäische Tanzfläche. Die Deutschen wären bereit, unsagbaren Milliarden Lebewohl zu sagen für das Privileg, dieses Thema nicht mehr irgendwo in ihrer Nähe vorzufinden. Fast kommt schon Hoffnung auf, weil aus Athen zu den nachweisbar angebotenen Kompromissformeln nichts kommt, im Gegenteil: Die jüngste Ansprache von Ministerpräsident Tsipras vor den Parlamentariern seines Parteibündnisses signalisierte Unbeugsamkeit, Verachtung für seine Verhandlungspartner und Vorwürfe an die verhinderten Retter.

Fünf Jahre und viele Milliarden nach dem Auftakt der Wir-lassen-euch-nicht-im-Stich-Aktion gibt es nur Bitterkeit – als wollten die EU und der IWF nichts lieber als dem alten Mütterlein in Thessaloniki an die spärliche Rente. Kein Wort aus Athen zu desolater Verwaltung, ungerechter Verteilung der Pensionen und anderer staatlicher Wohltaten, Korruption und Schlendrian, fehlgeleitete Steueranreize und Kapitalflucht, die nicht verfolgt wird. Die Liste ist nicht vollständig. Man hätte schon früher auf den Gedanken kommen können: Die links-rechtsradikale Regierung, so glaubt und glaubte man, will doch irgendwie, dass ein Kompromiss gefunden wird.

Dies scheint mir eine Fehleinschätzung  zu sein. Die Lösung des Alexis Tsipras war und ist der Staatsbankrott. Aus seiner Sicht und der seiner hartgesottenen Wähler ist es der Weg in die Freiheit: Man nimmt mit, was noch zu haben ist – unter anderem die bis heute laufenden ELA-Notkredite, dank derer aus den hellenischen Bankautomaten noch Euros kommen. Die Pleite lässt alle Schulden verschwinden, sie animiert vielleicht den ein oder anderen Auslandsgriechen, sein verschontes Vermögen aus Zürich zurückzubringen, sie schafft enorme Kaufkraft für die Euros unter den Matratzen und lässt den griechischen Export aufblühen. Keine Troika tanzt mehr in Athen und kein Orchester spielt fremde Melodien, nach denen der stolze Grieche tanzen muss.

Ein Paradies, keine Höllenvision. Niemand in Brüssel oder Washington wird es zugeben: Es ist ein teurer, aber erlösender Ausgang dieses ganz und gar ungriechischen Dramas – denn Läuterung ist gestrichen. Geostrategisch wird es der NATO nicht gefallen, aber mal ehrlich: Wie verlässlich ist ein Partner Griechenland heute? Das Militär ist reich und mächtig, aber wem gehorcht es? Ein wesentlicher Teil der Regierung orientiert sich längst in Richtung Russland oder Serbien, ob mit Euro oder ohne. Und Ansteckungsgefahr? Die Märkte wissen längst, dass Portugal oder Spanien, selbst Zypern vollständig andere Geschichten sind als Griechenland. Die Milliarden Europas sind und waren dort besser angelegt.