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Daimler: „Das reicht nicht.“

Der Blick auf den Chart sagt eigentlich schon alles. Bei Daimler ist einiges im Argen. Angesichts der mehrjährigen Talfahrt blicken selbst hart gesottene Aktionäre immer missmutiger drein. Immerhin war die solide Dividende ein kleiner Trost. Aber auch damit ist nun Schluss. Eine drastische Kürzung steht an. Der Markt zeigte sich davon nicht sonderlich enttäuscht. Überzeugt ist er aber auch noch nicht. Wie es nun weitergeht

Der Blick auf den Chart sagt eigentlich schon alles. Bei Daimler ist einiges im Argen. Angesichts der mehrjährigen Talfahrt blicken selbst hart gesottene Aktionäre immer missmutiger drein. Immerhin war die solide Dividende ein kleiner Trost. Aber auch damit ist nun Schluss. Eine drastische Kürzung steht an. Der Markt zeigte sich davon nicht sonderlich enttäuscht. Überzeugt ist er aber auch noch nicht. Wie es nun für Anleger weitergeht

Schlechter hätte es kaum laufen können: Die ersten Monate als Vorstandschef von Daimler waren für Ola Källenius alles andere als einfach. Seit dem 22. Mai 2019 leitet der schwedische Manager die Geschicke des Premiumherstellers, in dem er schon seit vielen Jahren tätig ist. Der Insider setzte sich an das Steuer eines Konzerns, in dem es ordentlich im Getriebe knirscht. Zweifelsohne eine Herausforderung. Dabei ist die Dieselaffäre nur die Spitze des Eisberges. Es ist vor allem die Frage nach der Ausrichtung. Wie solch sich Daimler künftig positionieren?

Hohe Investitionen

„Die Zukunft des Unternehmens liegt in der CO2-neutralen Mobilität sowie in der konsequenten Digitalisierung“, betonte Källenius jüngst bei Vorlage der 2019er-Zahlen. Kritiker werfen Daimler schon seit Längerem vor, den Einstieg in die Elektromobilität verschlafen zu haben. Erst seit letztem Jahr ist mit dem EQC das erste vollelektrische Modell auf dem Markt, das außerdem mit Anlaufproblemen zu kämpfen hatte. Nun will der Vorstand ordentlich Gas, oder besser gesagt, Strom geben, um künftig bei der Kundschaft zu punkten. Der Erfolg in der E-Mobilität ist zudem wichtig, um die CO2-Grenzwerte für die Neuwagenflotte einzuhalten. Sonst drohen womöglich Strafzahlungen. Erfolgreiche E-Autos fallen aber nicht einfach so vom Himmel. Zunächst sind Investitionen in neue Technologien nötig. Diese wurden im vergangenen Jahr „substanziell erhöht“, unter anderem für den Anlauf der Elektroantriebsproduktion. Das ging erst einmal zulasten der Profitabilität. Aber nicht nur deshalb mussten die Stuttgarter kleinere Brötchen backen.

Absatz und Umsatz gesteigert

Dabei lief es operativ doch eigentlich gut, wie die Fahrzeugverkäufe implizieren. In der größten und wichtigsten Sparte Mercedes-Benz Cars verzeichnete das Unternehmen mit 2,39 Mio. Einheiten abermals einen Absatzrekord. Zuwächse gab es auch bei Vans und Bussen. Nur bei den Lkws sanken die Verkäufe. Insgesamt lag der konzernweite Absatz mit 3,34 Mio. Fahrzeugen nur knapp unter dem Vorjahresniveau von 3,35 Mio. Einheiten. Zwar gab es teilweise negative Wechselkurseffekte, sämtliche Fahrzeugsparten verzeichneten jedoch Umsatzzuwächse. Das gilt auch für den Geschäftsbereich Daimler Mobility, in dem der Konzern verschiedene Finanz- und Mobilitätslösungen bündelt. Dazu gehören Finanzierungs-, Leasing- und Mietservices, Fuhrparkdienste, Versicherungen sowie Beteiligungen an App-basierenden Carsharing-Lösungen. Absolut betrachtet verbuchte dieser Bereich im vergangenen Jahr sogar die größte Steigerung bei den Einnahmen. Alles zusammen erzielte Daimler ein Umsatzplus von 3,2 % auf 172,7 Mrd. Euro. Zwar keine überragende, aber eine solide Leistung. Wo ist also das Problem?

Sondereffekte belasten

Die Gewinne waren rückläufig – und das sogar deutlich. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) brach von 11,13 auf 4,33 Mrd. Euro ein. Neben höheren Ausgaben, unter anderem für die bereits erwähnten Investitionen, drückten zahlreiche Sonderbelastungen auf den Profit. Sie machten insgesamt mehr als 6 Mrd. Euro aus. Auf rechtliche Verfahren (Stichwort: Dieselaffäre) und die damit verbundenen Kosten sowie die „Takata-Rückrufaktion“ (Airbags) entfiel mit 5,4 Mrd. Euro der größte Batzen. Hinzu kommen Restrukturierungskosten von 1,2 Mrd. Euro in den Sparten Van und Mobility. Ein positiver Einmaleffekt von 718 Mio. Euro, der aus dem Zusammenschluss der Carsharing-Angebote von Daimler und BMW resultiert, konnte die negative „Sonderbilanz“ zwar etwas aufbessern, mit insgesamt fast 6 Mrd. Euro riss sie aber ein ordentliches Loch. Rechnet man die Einmaleffekte heraus, lag das EBIT immerhin bei 10,3 Mrd. Euro. Damit lief es operativ letztlich nicht so schlimm, wie beim ersten Blick zu vermuten ist.

Dividende wird gekürzt

Für die Aktionäre ist das nur ein schwacher Trost. Denn bei der Höhe der Dividende orientiert sich Daimler an dem auf die Aktionäre entfallenden Gewinn inklusive Sondereffekten. Angestrebt wird eine Ausschüttungsquote von 40 %, wenn es der freie Cashflow aus dem Fahrzeuggeschäft hergibt. Der entsprechende Gewinn war 2019 von 7,2 auf 2,4 Mrd. Euro ebenfalls drastisch gesunken. Folglich streicht der Vorstand die Dividende. Für das Geschäftsjahr 2018 gab es noch 3,25 Euro je Aktie. Nun soll der Hauptversammlung am 1. April eine Ausschüttung von lediglich 0,90 Euro je Aktie vorgeschlagen werden. Nicht nur deshalb wird es wohl bei der Zusammenkunft der Anteilseigner am 1. April unschöne Worte geben. Källenius und seine Vorstandskollegen werden ganze Arbeit leisten müssen, um die Aktionäre vom eingeschlagenen Kurs zu überzeugen. Wie sagte der Firmenchef jüngst Bezug nehmend auf die 2019er-Zahlen so treffend: „Das sind keine Ergebnisse, die wir in der Zukunft sehen wollen. Das reicht nicht.“ Finanzchef Harald Wilhelm fügte mit Blick auf die Dividendenkürzung hinzu: Das sei zweifellos enttäuschend. Aber auch deswegen nehme man nun so intensiv die Kostenseite in den Blick.

Kosten müssen runter

Daimler hatte im November ein Spar- und Effizienzprogramm angekündigt. Gekürzt werden soll unter anderem bei den Materialkosten, in der Verwaltung sowie beim Personal. In diesen Bereichen will man bis Ende 2020 die Ausgaben um mehr als 1,4 Mrd. Euro drücken. Ein ambitioniertes, aber erreichbares Ziel. Sonderbelastungen wie im vergangenen Jahr erwartet das Management nicht. Auch die Investitionen werden etwas zurückgefahren. Auf dem Prüfstand stehen außerdem weiterhin alle Nicht-Kernaktivitäten. Erste positive Ergebniseffekte sollen bereits 2020 sichtbar werden. Demgegenüber werden jedoch die Kosten für die Restrukturierung sowie den eingeleiteten Personalabbau stehen. Allein Letzteres dürfte in diesem Jahr mit rund 1,2 Mrd. Euro negativ zu Buche schlagen. Große Ergebnissprünge sind daher nicht zu erwarten. Beim Absatz geht der Vorstand von leichten Rückgängen aus. Immerhin soll das EBIT deutlich über dem von Sonderbelastungen geprägten niedrigen Vorjahresniveau liegen. Voll entfalten werden sich die erhofften positiven Effekte der eingeleiteten Maßnahmen aber erst in den nächsten Jahren.

Herausforderungen bleiben

Sie sollen dann helfen, die Renditen deutlich zu verbessern – eine Aufgabe, die sich Källenius und sein Team explizit auf die Fahnen geschrieben haben. Zudem will man die Cashflows steigern, um die nötigen Investitionen zu stemmen, aber auch den Anteilseigner wieder eine attraktive Dividende bieten zu können. Das alles wird aber nur gelingen, wenn der eingeschlagene Einsparungskurs fruchtet. Außerdem muss die Strategie bei der Neuausrichtung aufgehen. Und hier liegt der eigentliche Knackpunkt. Der aktuelle Transformationsprozess in der Autoindustrie wird auch für Daimler eine Herausforderung bleiben. Hinzu kommt der zyklische Charakter des Autogeschäfts, weshalb konjunkturelle Schwächephasen die Neuausrichtung erschweren könnten. Immerhin ist der Anfang gemacht und der neue Vorstand scheint auch tiefer greifende Maßnahmen nicht zu scheuen. Zudem sollten eine steigende Nachfrage nach individueller Mobilität sowie eine Zunahme im weltweiten Güter- und Personentransport in den nächsten Jahren und Jahrzehnten Daimler in die Karten spielen. Entscheidend für den künftigen Erfolg wird jedoch sein, dass man sich weiterhin als Premiummarke behaupten kann. Der Vorstand setzt darauf, dass der Premiumbereich auch künftig stärker wachsen wird als der Massenmarkt. Aber reicht das als alles Strategie aus? Lässt sich der Markt davon wieder nachhaltig überzeugen?

Erster Lichtblick

Interessanterweise hat die jüngste Ankündigung, die Dividende deutlich zu kürzen, keine neuen Kursverwerfungen nach sich gezogen. Und auch die schwache Gewinnentwicklung 2019 wurde erwartet und ist entsprechend bereits im Preis berücksichtigt. Die Abwärtsbewegung der Aktie seit dem Zwischenhoch von November hat zudem bislang zu keinem neuen Verlaufstief geführt. Ist das vielleicht ein Indiz für eine bevorstehende Trendwende? Nicht zwangsläufig. Auch wenn in der Kursentwicklung bereits eine Reihe von negativen Faktoren enthalten sind, ist die aktuelle charttechnische Konstellation nur ein erster kleiner Lichtblick, den es zu bestätigen gilt. Negativ wäre ein nachhaltiger Bruch des Mehrjahrestiefs von August 2019 bei 40,31 Euro. Das könnte für eine Fortsetzung der übergeordneten Abwärtsbewegung sprechen. Der Kursverlauf gibt somit noch keine klaren Anhaltspunkte, um bei Daimler aktiv zu werden. Als langfristiger Investor muss man zudem den Blick auf die Perspektiven richten, um zu entscheiden, ob das Geschäftsmodell zukunftsfähig und ob der Autobauer damit grundsätzlich ein Kauf ist. Glaubt man daran, dass die Stuttgarter mit ihren Fahrzeugen und Mobilitätslösungen auch künftig gutes Geld verdienen werden? Wer diese Frage mit „ja“ beantwortet, der sollte auf weitere Signale im Chart warten. Denn erst wenn auch der Markt wieder auf Daimler abfährt, wird sich eine Investition auszahlen. Noch ist es nicht so weit. Das reicht (noch) nicht.

Thomas Behnke

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