Alte Sünden
Die Ölpest im Golf von Mexiko wird für den britischen BP-Konzern zu einer traumatischen Erfahrung. Nur, dass man sich diese allein selbst zuzuschreiben hat. Die wütende Schuldzuweisung an andere Beteiligte wie etwa den Ausrüster Halliburton oder den Plattform-Betreiber Transocean, hat man unter der Last der Fakten einstellen müssen. Es ist unwahrscheinlich, dass BP von dieser Seite einen Teil der immensen Kosten des Desasters wird eintreiben können.
Es wird an allen Ecken eng für den Konzern, und das wohl auch zu Recht. Protokolle und Szenarien zeigen, dass auf verschiedenen Ebenen ein laxer Umgang mit Sicherheitsfragen erfolgte – so wurden Schäden am Fördermechanismus nicht ernst genommen, und die Standardaussage des Bohrinsel-Personals bei Problemen scheint „halb so wild“ gewesen zu sein. Welch ein Irrtum. Nach bereits jetzt absehbaren Milliardenschäden und einem Imageverlust in kaum bezifferbarer Höhe wird man sich bei BP (hoffentlich) fragen, ob eine halbe Million Dollar für ein zusätzliches Sicherheitsventil nicht gut angelegtes Geld gewesen wäre – und in Zukunft sein wird. Denn dass man auf Tiefseebohrungen künftig verzichtet, ist wohl ausgeschlossen. Nach der Erfahrung mit „Deepwater Horizon“ drängt sich zusätzliche Sicherheit ja geradezu auf, und es wäre ein Armutszeugnis, wenn man in der Industrie weiterhin auf staatliche Anforderungen verweisen würde: Es ist gar nicht einzusehen, dass man auf Sicherheit verzichtet, nur weil sie in den meisten Weltgegenden nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist. Abgesehen von Schlamperei und Nachlässigkeit macht bei BP auch die Krisenbewältigung einen verheerenden Eindruck, und es dürfte nicht zuletzt an dem Herumgeeiere liegen, dass der Börsenwert sich verflüchtigt, die Ratingnoten gesenkt werden und die Anleger auf ihre Dividende werden verzichten müssen – wenn das so weitergeht. BP-Chef Hayward macht durch geschmacklose Bemerkungen von sich reden („Ich möchte mein früheres Leben zurück“ – ja, wer möchte das nicht?) und musste sich für Dampfplauderei in großen Anzeigen entschuldigen. Kaum jemand versteht, warum man die Technik zur Minderung des Ölausstoßes erst anfertigen muss, nachdem das Unglück passiert ist – und dann kam noch Pech dazu: Vereiste Stahlhaube, steckengebliebene Säge und dergleichen mehr, das sieht doch stark nach der Versuch-und-Irrtum-Methode aus. Alte Sünden holen BP ein: Zu wenig Krisenvorsorge in jeder Hinsicht rächt sich nun vor Louisiana und Mississippi. Während die Analysten mit Kosten für BP von bis zu 37 Milliarden Dollar rechnen, schmiert der Aktienkurs ab: Von rund 650 Pence sackte er auf 430 Pence ab. Ein Drittel des Börsenwertes ist vernichtet. Es könnte noch mehr werden: Eine Klagewelle in den USA ist sehr wahrscheinlich, und bei den dort üblichen Strafzahlungen wird es in diesem Fall vermutlich abenteuerlich. Es hilft nichts – wenn BP sich nicht rasch ändert, nun leider nötig geworden in einer schlimmen Ausnahmesituation, wird die Sache nur immer teurer. Bei den übrigen Mineralölkonzernen dürfte man den Verlauf sehr aufmerksam beobachten.