Auf ein neues Krisenjahr
Während sich 2008 bei unverminderter Krisenstimmung dem Ende zuneigte, gibt es für das neue Jahr nur wenige Zeichen von grundlegender Besserung.
Eines davon mag die Entschlossenheit sein, mit der Barack Obama seine am 20. Januar beginnende US-Präsidentschaft in den Dienst der Krisenbekämpfung stellen will. Das Rezept, mit unvorstellbaren Summen die Infrastruktur auszubauen, ist gewiss nicht unklug – künftige Generationen mögen an den Schulden teilhaben, die dadurch aufgetürmt werden, aber sie sind dann auch Nutznießer des Geschaffenen. Eines Tages. Dass Infrastrukturprojekte in den USA einen tiefen eigenen Sinn haben, wird jeder konzedieren müssen, der sich die immer wiederkehrenden Nachrichten über berstende Wasserrohre, einstürzende Brücken und flächendeckende Stromausfälle zu Gemüte führt.
Nicht ganz so desolat sieht es in Deutschland aus (Schulen und öffentliche Gebäude sollte man mal außer Acht lassen), allerdings immerhin noch desolat genug, um sagen zu müssen, dass man sich eine Regierung wie die gegenwärtige genau genommen nicht leisten kann. Deren Zaudern und Zerren mag amüsant sein auf den ersten Blick, so wie man eine Zeit lang auch Vereinsversammlungen lustig finden kann, bei denen die meiste Zeit über die Geschäftsordnung debattiert wird, und etwas Rührendes hat es auch – der Schaden allerdings, der mit dem kleinteiligen Hickhack um minimalin- vasive Konjunkturprogramme angerichtet wird, könnte irgendwann den Auswirkungen der Finanzkrise noch die Krone aufsetzen. Richtiggehend erschrocken zeigten sich bereits die Wirtschaftsforscher, die sich sonst eigentlich nicht völlig einig sind: Mit der offenkundigen Ratlosigkeit in Berlin verschärfe sich die Lage noch, denn bei den Konsumenten und Investoren mache sich das Gefühl breit, dass Abwarten eine gute Idee sein könnte. Es ist keine, im Gegenteil – aber es gibt niemanden der Verantwortlichen in Deutschland, der da mit besserem Beispiel voranginge.
Derweil richten sich die Konsumforscher auf ein weiteres Jahr eher schlechter Nachrichten ein. In den USA rechnen die Wirtschaftsinstitute mit mindestens drei Quartalen depressiver Stimmung: „Wenn es zum ersten Mal einen Monat geben wird, in dem weder die Hauspreise sinken noch die Arbeitslosenzahl steigt, dann können wir vielleicht einen Wendepunkt erahnen“, fasst es ein New Yorker Ökonom in Worte. Etwas optimistischer sind einige Medien, wie etwa der „Economist“: Da jeder Krise etwas Gutes innewohne, sei in nächster Zeit mit einem Innovationsschub zu rechnen. Warum? Entlassene Banker und klamme Investoren müssten sich praktisch auf die Suche nach Neuem begeben, so die Theorie, und die Gründung einer eigenen Firma sei da für viele der Schritt aus der Arbeitslosigkeit in eine neue kreative Tätigkeit. Ideen gäbe es genug. Funktionieren kann ein Neustart allerdings nur, wenn die herrschende Kreditklemme energisch aufgelöst wird. Genau an dieser Stelle hätten staatliche Rettungspakete anzusetzen – sie müssten nicht nur Kapital garantieren, sondern auch dafür sorgen, dass es auf dem Markt ankommt. Unser Problem war und ist ja nicht so sehr, dass Banken unter dem bedrückenden Gefühl leiden, nicht genug Geld im Tresor zu haben, sondern eher, dass solches Geld nicht im Wirtschaftskreislauf frei fließen kann. Insofern sollte man 2009 streng darauf achten, dass nicht einfach den Banken, sondern besser der Volkswirtschaft geholfen wird. Da sollten Banken, die trotz Kapitalgarantie ihr Geschäft nicht betreiben, doch bitte beiseite treten. Schließlich wird es im Jahre 2009 noch darauf ankommen, ob man die Leute umgehen kann, denen die Krise genau genommen recht gelegen kommt – all die Mahner und Untergangspropheten, die meinen, ihre Stunde habe geschlagen, und die nun genussvoll glauben, ihre Botschaft vom Weltenende unter die Leute bringen zu müssen, und damit eine Erholung auch psychologisch erschweren. Zur Überwindung jeder Krise, auch der aktuellen, braucht man Elan, einen gehörigen Schuss Optimismus und generell den Willen, es allen besser gehen zu lassen (notfalls zeitweise dann auch mal auf Kosten des Feldhamsters oder der Sumpflilie). Das ist nicht bei allen vorauszusetzen, leider. Interessanterweise feiert man bei uns den künftigen US-Präsidenten schon länger, ohne dass dieser etwas getan hätte – außer genau die Eigenschaften und die Geisteshaltung zu demonstrieren, die in Deutschland so schmerzlich vermisst werden. Vielleicht könnte man da etwas lernen, ehe man die Krise bis zur Neige ausgekostet hat – das hieße: Gute Vorsätze fassen für 2009 und sie gleich auch mal in die Tat umsetzen.