Bayer: Warten auf den grünen Zweig
Der „Befreiungsschlag“, als den man die Einigung von Bayer als Mutterkonzern der amerikanischen Monsanto mit zahlreichen Klägern in den USA hierzulande bezeichnet, hat nicht wirklich gesessen. Nicht an der Börse jedenfalls, und der Markt hat ja meistens recht.
Der „Befreiungsschlag“, als den man die Einigung von Bayer als Mutterkonzern der amerikanischen Monsanto mit zahlreichen Klägern in den USA hierzulande bezeichnet, hat nicht wirklich gesessen. Nicht an der Börse jedenfalls, und der Markt hat ja meistens recht.
Von Reinhard Schlieker
Na ja, wenn man nicht auf den Namen Wirecard hört, jedenfalls. Was also ist los bei Bayer? Immerhin gibt man für einen Vergleich mit den Klägern gegen (angebliche) Nebenwirkungen des Unkrautvernichters Glyphosat, Handelsname „Roundup“, rund fünfmal so viel aus wie Wirecard zum Beispiel an vermissten Guthaben reportierte und dafür direkt in die Insolvenz getrieben wurde. Nun ist Bayer eine andere Hausnummer als der undurchsichtige Finanztechnologe aus dem Bayerischen. Aber Geld ist auch in Leverkusen eine endliche Menge. Mit 68 Milliarden Dollar für den Kauf Monsantos und nun an die elf Milliarden für die Beilegung von drei Vierteln der Verfahren wegen Glyphosat und Dicamba liegt der Kaufpreis inklusive Nebenkosten höher als zeitweise der Börsenwert von Bayer. Fast ist man geneigt zu sagen: Weniger wäre da mehr gewesen.
Bayer war unter dem Vorgänger von Chef Werner Baumann noch vor einem Kauf zurückgeschreckt – auch mit dem nicht ganz unwichtigen Argument, der nicht eben blendende Ruf von Monsanto weltweit werde die Leverkusener mit nach unten ziehen. Was ja auch eingetreten ist. Man muss schon sehr weit und sehr optimistisch in die Zukunft sehen, um am Horizont gewinnbringende Umsätze mit den Unkrautvertilgern zu entdecken, die diese Investitionen noch als gelungen klassifizieren könnten. Ganz sicher ist man als deutsches Unternehmen mit seiner europäischen Kultur in den USA nie. Auch wenn Bayer darauf besteht, dass Roundup bei sachgemäßer Anwendung keinen Krebs erzeugt – im Ernstfall hilft das wenig, wie man in den letzten eineinhalb Jahren und beim Börsenkurs erleben konnte.
Immerhin darf Bayer nun, nach einem weiteren Prozess, auch in Kalifornien sein Mittel ohne Krebswarnhinweis verkaufen, eine nicht zu unterschätzende Erfolgstatsache, denn auf einen solchen Hinweis hätten sich künftige Kläger berufen können. Auch wenn praktisch auf jedem amerikanischen Produkt, das man kaufen kann, neben den ellenlangen Gefahrenhinweisen stets noch der Satz steht: „Enthält xyz, das dem Staat Kalifornien als krebserregend/vererbbar/furchtbarkeitsmindernd bekannt ist“ – Zutreffendes bitte ankreuzen. Und wenn es nur die Verpackung ist. Dem Staat Kalifornien ist also vieles bekannt, was man sonstwo nicht weiß, und womöglich sollte sich ein deutsches Unternehmen, das Zukäufe in den USA plant, zunächst einmal an der Westküste nach Produkten umsehen, die nicht direkt in die Apokalypse geleiten. Denn vor Gericht kann dort auch jemand obsiegen, der beim Gebrauch etwa eines Unkrautmittels zwar alles falsch gemacht hat, was man falsch machen kann, außer vielleicht, es direkt aufzuessen, aber dort wird dann eben dem vermeintlich Schwächeren geholfen, und das ist niemals ein Konzern.
Nun spekuliert man in Leverkusen auf das Ende mit gelindem Schrecken, kann Unternehmensteile verkaufen und damit einen Teil der Kosten wieder hereinholen (man könnte sagen: unter dem Strich also verschenken) und ansonsten auf die unbestreitbaren Vorteile für die Landwirtschaft setzen, welche der Landwirtschaft (und vielleicht sogar dem Staat Kalifornien) bekannt sind. Saatgut, das nach dem Zerstören des bösen Krauts oder sogar währenddessen gedeiht, lässt sich im Gefolge gut verkaufen, das wusste schon Monsanto alleine.
Nun muss es nur noch gelingen, der Welt seinen Beitrag zur Ernährung der wachsenden Bevölkerung nahezubringen, den Kampf gegen Wildwuchs auf dem Acker als eine Art Welthungerhilfe zu vermitteln, dann kann es in die erwähnte glänzende Zukunft gehen. Die man bei einem Aktienkurs um die 135 Euro vor wenigen Jahren eigentlich schon mal hatte, ganz ohne US-Querelen, und die bei heutigen knapp siebzig Euro doch ein wenig sehr verwaschen aussieht. Die Anleger stiegen aus, als es Mitte der Woche kleinere Erleichterungsgewinne gab, und bis die Verkäufer der Bayer-Papiere wieder ihre Aktienmarktdominanz erleben und Herren der Kurse sein werden, wächst noch viel nach auf den Feldern der Welt.
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