CeBIT: Bits & Pieces & Murphy’s Law
Die Computermesse im pulsierenden Hannover ist seit dreißig Jahren ein Event, der sich jedesmal erst finden muss. Nach Jahren begeisterten Publikumsandrangs aus spielaffinen Jugendlichen hat man bereits vor längerer Zeit beschlossen, ganz ernsthaft zu werden. So ernsthaft, dass inzwischen ganze Hallen voll von tödlich sicherer Sicherheitssoftware angeboten werden. Ein Experte meinte neulich, es gebe überhaupt nur zwei Sorten von Unternehmen: Solche, bei denen bereits eingedrungen worden sei, und solche, bei denen eingedrungen worden sei, die aber das noch nicht bemerkt hätten.
Die Computermesse im pulsierenden Hannover ist seit dreißig Jahren ein Event, der sich jedesmal erst finden muss. Nach Jahren begeisterten Publikumsandrangs aus spielaffinen Jugendlichen hat man bereits vor längerer Zeit beschlossen, ganz ernsthaft zu werden. So ernsthaft, dass inzwischen ganze Hallen voll von tödlich sicherer Sicherheitssoftware angeboten werden. Eine besser als die andere – und man kann es sich aussuchen: Die einen werben damit, dass ihr Produkt auch von Geheimdiensten und Sicherheitskräften angewendet wird, die anderen damit, dass solche Gruppierungen wie NSA, CIA und so weiter eben nicht Zugang erhalten. Das ist Marktwirtschaft at ist best.
Platzhirsch Telekom macht so etwas wie eine Messe in der Messe. Mit Shows, Diskussionen, Panels und Plänen nimmt die Zukunft Gestalt an. Man ist beeindruckt, weiß, dass die viel wissen, und fürchtet sich ein bisschen. Wenn es so raffinierte Schutzprogramme braucht, um Himmels willen, wie groß muss da die Bedrohung im weltweiten Netz erst sein? Die Antwort: ziemlich groß. Ein Experte meinte neulich, es gebe überhaupt nur zwei Sorten von Unternehmen: Solche, bei denen bereits eingedrungen worden sei, und solche, bei denen eingedrungen worden sei, die aber das noch nicht bemerkt hätten.
Wenn in der Tat Murphy’s Law weltweit und zeitlos gilt, wonach alles, was schiefgehen kann, irgendwann auch schiefgeht, dann hat die deutsche Wirtschaft im Cyberspace nichts zu lachen. Denn vor allem Mittelständler antworten auf die Bedrohung oft nur in zweierlei Weise: 1.) gar nicht oder 2.) mit der Abkehr von der Welt, sprich: Man mauert sich ein und vergibt lukrative Chancen auf Geschäfte im Netz. Dabei könnten gerade die Mittelständler mit ihrer Nähe zu Kunden und Lieferanten es dort besser machen, wo die Großen ihre Digitalisierung nur auf Kosten des Kunden erreichen. Unpersönlich, vorgestanzt und meist haarscharf neben der Sache agieren die zahlreichen Callcenter, die ein Großunternehmen im Vertrieb und „Support“ fast ausschließlich einsetzt. Kein Wunder: Mensch kostet, Mensch ist zu teuer. Gerade auf der CeBIT ist das möglichst personenlose Agieren der Trumpf. Was Maschinen machen können, sollen sie machen, und daran wird geforscht als gäbe es kein Morgen. Vom Bauern, der auf seinem GPS-gesteuerten Mähdrescher sitzt nur noch deshalb, weil einer das Ding aufs Feld und wieder zurück bringen muss, bis zum Netzspezialisten, der daran arbeitet, einen virtuellen Netzspezialisten zu programmieren. Um zu merken, das zum Schluss auch er gehen kann.
Was uns in geradezu metaphysisch-philosophische Sphären führt. Daraus ist zu folgern, dass menschliche Kontrolle, gesunder Menschenverstand und nötige Skepsis im Geschäft ausgeblendet sind, weil sich sonst kein Geschäft machen ließe. Das öffnet geschickten Betrügern jede Menge Spielraum. Dass dies nebenbei auch noch für erhebliche Unzufriedenheit der Kunden sorgt, ist nur am Rande zu erwähnen. Der Mensch im Geschäftsleben schafft sich ab, das Feld ist Computern überlassen – hinter denen weiße und schwarze Hüte stehen mögen, für niemanden erkennbar.
Kreativität im Geschäftsleben findet nur noch dort statt, wo kein unmittelbarer Austausch mit Außenstehenden, seien es Ideengeber oder Kunden, eingeplant ist: In der Programmierung. Feedback des Kunden erreicht das Unternehmen nicht mehr, weil auch das Feedback von Computerstanzen bearbeitet wird. Das Verhalten, die Wünsche und Beschwerden des Kunden werden von Mitarbeitern des Anbieters vorgedacht – auf ungewöhnliche Fragen bekommt daher kein Kunde eine Antwort. Die Fantasie des Anbieters, soweit sie Computern anvertraut wird, wird niemals ausreichend sein, dazu ist das Leben zu komplex und die Zahl der Fehler, die gemacht werden können, zu groß.
Der Mensch ist zu teuer. Wo Kunst und Kreativität vor 150 Jahren ausschließlich möglich wurden, weil es zu bezahlbaren Kosten menschliche Arbeitskraft gab, bringt die Gegenwart weitgehend schmuck- und schnörkellose Produkte hervor, die umso günstiger sind, je weniger menschliche Geisteskraft hineinfließt. Das sorgt für eine dröge Warenwelt. Erkauft wurde die alte Kunst durch teils hungernde Arme, die zu erbärmlichen Löhnen arbeiteten. Heute gibt es ein Grundauskommen für jeden, aber kaum Kunst-Handwerk. Die Gesellschaft spaltet sich auf in Massenverbraucher und Wohlhabende, die sich Maßfertigung leisten können. Spiegelbildlich hat sich also in den letzten 150 Jahren grundsätzlich nichts geändert – die Abgrenzungen in der Gesellschaft finden lediglich auf höherem Wohlstandsniveau ab.
Was folgt daraus für die Cyber-Sicherheit? Mit der Massenzugänglichkeit des Netzes und der Industrie 4.0. dreht sich die Spirale ein gutes Stück weiter. Die Trennungen werden noch schärfer, die Einfallstore für schädigende Attacken vergrößern sich. Die mit dem „Fortschritt“ einhergehende weitere Ausgrenzung des Menschen erfordert hochspezialisierte Programme zum Schutz der ablaufenden automatischen Prozesse. Daher müssen nicht nur der Computer und seine Netzanbindung gesichert werden, sondern auch der vereinzelte Mensch, der hinter den Prozessen noch steht.
Lückenlose Überwachung dürfte die Folge sein, um Angriffe von innen auszuschließen: Die deutschen Unternehmen werden immer noch am stärksten von ihren eigenen Mitarbeitern kriminell geschädigt. Soweit Außenstehende, staatlicher oder privater Provenienz, Angriffe gegen bestehende Strukturen planen - wiederum auf Regierungsstellen ebenso wie auf Unternehmen - herrscht der altbekannte Rüstungswettlauf. Raffinierte Gangster treffen auf – hoffentlich – noch raffiniertere Schutztruppen. Der Normalbürger, der Einzelunternehmer oder Mittelständler darf staunen, mehr nicht. Fragen? Lieber nicht – einige der Antworten, die man geben müsste, könnten die Bevölkerung verunsichern…