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Heldenhaft: Heiße Speisen anfassen und dann ab in den Dax

Delivery Hero, seit 2011 existent und seit Sommer 2017 börsennotiert, wird in den früher ehrwürdigen Dax-Index aufgenommen. Eines der dreißig deutschen Unternehmen allererster Güte mithin, und das ab Montag, also unverzüglich, sofort.

Delivery Hero, seit 2011 existent und seit Sommer 2017 börsennotiert, wird in den früher ehrwürdigen Dax-Index aufgenommen. Eines der dreißig deutschen Unternehmen allererster Güte mithin, und das ab Montag, also unverzüglich, sofort.

Von Reinhard Schlieker

Dort war zuvor eine Art Mischkonzern für Bilanzbetrug und verwandte krumme Geschäfte gerade hinauskomplimentiert worden – Wirecard galt bei seiner Dax-Premiere allerdings auch als todschick und seriös und eine Goldgrube sowieso. Lassen wir das lieber. Delivery Hero wird geführt von Niklas Östberg, junger Schwede, mit nun vierzig Jahren, und einer der Begründer des Heldentums aus Berlin. Aber hier kocht keinesfalls der Chef persönlich: Delivery Hero mit seinen Kurieren fährt, trägt, liefert Speisen und Getränke an solche Kundschaft, die der Auffassung ist, dass warmgehaltenes Menü in etwa das Geschmackgeschehen des anbietenden Restaurants erreicht, und wenn nicht, ist auch egal. Hauptsache nicht vor die Tür.

Letzteres bescherte dem in vierzig Ländern, vor allem Asien und Nordafrika sowie Nahost begehrten Lieferdienst während der Corona-Schockreaktionen einen Aufschwung, obwohl es an der Börse im März einen genauso scharfen Einbruch gab wie bei anderen Firmen auch – da hatte niemand das so einleuchtend Positive am Business sehen wollen. Das war bisher der letzte richtig gute Einstiegsmoment, denn statt für 55 Euro wie noch im März wird die Aktie inzwischen wieder für an die 100 gehandelt, nahe dem Allzeithoch.

Traditionell sehen die Zahlen des Unternehmens aus wie frisch gelieferte Tomatensauce, nämlich tiefrot. Das Gewinnkonzept entspricht in etwa dem der frühen Amazon: Erstmal überall auftauchen, kochen, backen, liefern, und dann kann man auch mal Gewinne machen. Hoffentlich. Immerhin 2,8 Milliarden Euro sollen dieses Jahr an Umsatz hereinkommen. Betrachtet man die Unternehmensgeschichte, so speist sich der Geldfluss aber auch aus Firmenverkäufen. Konkurrenten hatte man schon immer gern aufgekauft, von Pizza.de bis Foodora oder Lieferheld. Da wurde also vieles genauso heiß gegessen wie es gekocht wurde, nur in Deutschland bleibt die Küche kalt: Das Geschäft in der Heimat gehört seit einer Weile den niederländischen Kollegen von Takeaway.com (Marke Lieferando), eine knappe Milliarde brachte das in die Kasse. Für den deutschen Markt braucht man wohl Spezialrezepte, es wird nicht so viel bestellt wie man erhoffte, denn des Deutschen Küche bleibt fast nie kalt und knauserig ist man wohl auch hin und wieder.

Nun hat man also im Dax einen Berliner Dienstleister, der in Deutschland gar nicht arbeitet, mit Verlusten so ins Auge stechend wie Michelin-Sterne, neun Jahre alt und mit einem leicht nachzuahmenden Geschäftsmodell. Kein Wunder, dass die ersten Experten bereits einiges zu mäkeln hatten an dem, was die Deutsche Börse ihnen da aufgetischt hat, und denen die ganze Richtung nicht schmeckt, denn Delivery Hero zählt gar noch als Tech-Unternehmen und nicht als ein etwas anderer Fahrradkurierdienst. Etikettenschwindel?

Allerdings muss man es dem Chef schon lassen, dass er expandiert: In sogenannte Geisterküchen zum Beispiel, die halbautomatisch günstig kochen, direkt an den Kurier übergeben und damit die eigentlichen Restaurants entlasten, deren Speisekarte sie anbieten, und dann ab zum Gourmet in spe. Fastfood im wahrsten Sinne des Wortes. Die Geschmäcker sind halt verschieden. Wer sich auf jeden Fall hungrig strampelt, das sind die Fahrradkuriere, und manche schimpfen auf den Hungerlohn. Ohne Trinkgeld sähe es übel aus für viele, die Arbeitsmittel muss man meist mitbringen (Fahrrad und Smartphone). Wahrscheinlich geht es mit der Mitarbeiterkultur auch erst bergauf, wenn dann einmal Gewinne erzielt werden. Das nennt man einen Hoffnungswert.

Die beteiligten Restaurants bleiben auch nicht unangeknabbert. 30 Prozent ruft Delivery Hero als Provision auf, der Kunde zahlt noch eine Liefergebühr. Und so sieht nun alles danach aus, als würde Delivery Hero nun den anderen Dax-Mitgliedern auf Augenhöhe das Wasser reichen können – in die Büros vieler dort vertretener internationaler Firmen liefert man das schon sicher, fast rund um den Globus. Und ist dabei mehr wert als etwa die Deutsche Bank oder RWE. Was sind das nur für Zeiten? Nun ja, solche halt, in denen man neue Helden braucht, und sei es auch nur, dass sie es wagen, heiße Speisen anzufassen.

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