Deutschland macht Krisen gründlicher
Wenn es weltweit kriselt, kann man von den Deutschen erwarten, dass sie noch eine Schippe drauflegen, und das mit gewohnter Gründlichkeit. Da hat man doch was eigenes, könnte man sagen.
So war es Anfang der Woche mit VW und dem Deutschen Aktienindex: Der ganz normale Absturz ist doch was für Längsparker. Wir schaffen auch noch ein bisschen Durcheinander dazu. Richtiger Sinn für Humor kam da auch noch durch, als Porsche seinen Zugriff auf knapp 75 Prozent der VW-Stammaktien verkündete, „um Schwankungen aus dem Markt zu nehmen“. Entweder hatte man übersehen oder bewusst einkalkuliert, dass die plötzliche Reduzierung des Free Flow von 45 auf weniger als fünf Prozent eine Art Panik auslösen muss. Dazu muss man nicht Hellseher sein, sondern nur die durchschnittlichen Börsenumsätze eines DAX-Wertes mal ansehen. Da ist ganz klar, dass mehr gehandelt werden wird, als dann vorhanden ist. Kommt hinzu, dass VW schon länger ein Eigenleben führte und man aufseiten Porsches natürlich Mitverursacher war – wer im großen Stil Aktien kauft, müsste eigentlich nicht überrascht sein, wenn das den Kurs bewegt. Dass es Leute gibt, die mit Leerverkäufen auf den Moment setzen, wenn der Kurs dann natürlicherweise einmal wieder in die Gegenrichtung geht, sollte ebenfalls nicht überraschen. Da wird es dann demnächst noch einmal interessant, wenn Porsche Zahlen vorlegt und man sehen kann, wie viel VW an Finanzerlösen zum Wohlsein beigetragen hat. Schon jetzt könnte man konstatieren: Porsche ist eigentlich nur noch ein Hedgefonds mit angeschlossener Autowerkstatt.
Jedenfalls blieb der DAX in Bewegung, meist in ganz andere Richtungen als die Indizes der übrigen Welt, denn die VW-Turbulenz verschonte ja andere Werte auch nicht. Durch die Bank mussten bestimmte Fonds und Großanleger 29 Werte verkaufen und einen kaufen – unabhängig von ihrer eigentlichen Einschätzung, denn VW hatte zeitweise 27 Prozent Gewicht im DAX, war das höchst bewertete Unternehmen der Welt und daran kam niemand vorbei, der den Index spiegeln will. Die Deutsche Börse wusste sich erst keinen Rat, fand dann offenbar eine Vorschrift, die eine Begrenzung der VW-Hausse verbot, und einen Tag später dann eine, die sie erlaubte. Als endlich die Absicht verkündet wurde, VW maximal mit 10 Prozent in die DAXBewertung einfließen zu lassen (gültig ab morgen übrigens erst), hatte Porsche schon mit der Abgabe einiger seiner VW-Optionen auf die merkwürdige Krise in der Krise reagiert und den Markt etwas beruhigt. Immerhin notiert aber VW immer noch doppelt so hoch wie jüngst – vermutlich haben sich einige derart die Finger verbrannt, dass sie nun nicht mehr auf die Idee kommen, Leerverkäufe tätigen zu wollen. Was Porsche nur recht sein kann. Fast untergegangen in dem ganzen Tumult ist die Ankündigung der zuständigen Bundesaufsichtsbehörde (BaFin), man „prüfe“. Dieses löbliche Vorhaben wird sicherlich noch in diesem Jahrzehnt zu einem Ergebnis führen, wenn nicht noch früher. Irgendwann wird in den Annalen eines künftigen Börsenjahres dann der Chronist vermerken, dass die BaFin verkündet habe, es seien keine Unregelmäßigkeiten festgestellt worden (soviel Spekulation muss in einem Artikel zur Börse mal erlaubt sein). Dass Gründlichkeit vor Schnelligkeit geht, beweist Deutschland auch gerade wieder mit den Regierungsplänen zur Kfz-Steuerermäßigung. In kleinsten deutsch- ziselierten Bestimmungen wird da gerade festgelegt, dass jeder Neuwagenkäufer indirekt ein paar Euro dazubekommt, die vermutlich als Krisenhilfe verpuffen wie ein Tropfen auf der Herdplatte, aber die ganze Regierungsbürokratie wohl wochenlang beschäftigen werden. Das richtet nicht viel Schaden an, lenkt aber schön vom Wesentlichen ab. Zu dem kommen wir dann später, wenn die Exporte einbrechen und die Konjunktur folgt.