Gerade jetzt!
In der Krise soll man sich vorbereiten – auf den kommenden Aufschwung. Das heißt nun beileibe nicht, dass damit Gesundbeterei gefordert wäre. Aber das Leben geht tatsächlich weiter, in jeder Hinsicht, und deshalb wird auch das derzeit Erlebte, auch die jetzige Prognoselandschaft eines Tages Geschichte sein.
Falsch wäre es deshalb, in der heutigen Lage kurzfristig und hektisch alles über Bord zu werfen, was sich in Jahren unter dem Strich bewährt hat. So ist beispielsweise die internationale Ausrichtung der deutschen Industrie keineswegs ein Nachteil. Gut, in der weltweiten Konjunkturkrise sind wir besonders getroffen, weil Vorsicht im Inland zeitgleich mit weltweitem Rückgang auftritt. Demgegenüber jedoch weist das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) darauf hin, dass Deutschland mit seiner modernen Ausstattung zum einen im wertvollen Oberklassegeschäft weltweit profitiert, das auch in Krisen nur beschränkt leidet. Das betrifft vor allem langfristige Großprojekte. Zum anderen bietet sich die Gelegenheit, die Atempause zu strategischer Neuausrichtung zu nutzen. Kurzum: Deutschland jetzt allein durch Binnennachfrage retten zu wollen, wäre wohl ebenso aussichtslos, wie verfehlt. Wir werden allerdings davon ausgehen müssen, erneut mit einem hohen Sockel an Arbeitslosigkeit aus der Krise zu starten. Das gilt besonders dann, wenn der nächste Aufschwung spät kommt und die bislang segensreich wirkenden Kurzarbeitsregeln nicht mehr ausreichen, um die tatsächliche Arbeitslosigkeit niedrig zu halten. Hinzu kommt noch die horrende Staatsverschuldung, die sich mit Sicherheit aufbauen wird; zum einen natürlich durch die Folgen der Konjunkturpakete, zum anderen durch die rückläufigen Steuereinnahmen, wie sich in der kommenden Woche anhand der Steuerschätzung zeigen wird. Was mit den Rentenund Krankenversicherungssystemen sein wird, ist noch gar nicht berechenbar. Wenn – nicht nur, aber vor allem an den Börsen weiterhin Aufschwung gefeiert wird, sollte man dies trotz allem als Signal in die Bewertung der näheren Zukunft mit aufnehmen. Sehr oft schon war das Gespür an den Aktienmärkten nicht verkehrt. Auch 2002/2003 deutete kaum etwas auf die Erholung hin, und nur bei längerfristiger Betrachtung der steigenden DAX-Kurve konnte man hinterher ganz gut erkennen, wie früh die Börse schon an die Erholung geglaubt hat. Manchen war das damals ganz entgangen, wieder andere warnten vor dem zwangsläufig kommenden Rückschlag. Die Situation könnte heute ganz ähnlich aussehen. Dass trotz schlimmer Nachrichten, wie derjenigen von Siemens oder BASF oder auch der Telekom, die Kurse unbeirrt bleiben, sollte andere Gründe haben als einen gesteigerten Masochismus der Anleger. Nun gut, vielleicht brauchen die Akteure in der sogenannten realen Wirtschaft eine recht ausdauernde Fähigkeit zur Vorfreude, wenn sie allein auf die Börse blicken. Aber wenn jetzt die Zahl der krassen Fehler – auch beim staatlichen Handeln – ein erträgliches Maß hält, könnte es besser ausgehen als bisher geglaubt.