Globale Gefahren
Das World Economic Forum, das ab Mittwoch wieder sein alljährliches Treffen in Davos veranstaltet, befindet sich in einem Dilemma – wie derzeit viele Organisationen, die sich auf regelmäßiger Basis mit Wirtschaft und Finanzen auseinandersetzen. Man kann sich rühmen, schon vor einem, sogar vor zwei Jahren auf die sich abzeichnenden Probleme am amerikanischen Immobilienmarkt hingewiesen zu haben, und vor allem im letzten Jahr gab es tatsächlich deutliche Warnungen vor einer Ausweitung der Schieflagen zu einer veritablen Krise.
Allerdings folgte daraus kein unmittelbares Handeln. Weiterhin wird man sagen können, dass die Welt fast sehenden Auges in die Krise stolperte. Woran liegt das? Wenn man schon Warner hat, warum hört man nicht auf sie? Im Falle des Weltwirtschaftstreffens mag es damit zu tun haben, dass angesichts der Menge an Teilnehmern (um die 2000) und der Vielfalt der Themen (Hunderte) es immer und zu allen Bereichen jemanden geben wird, der vor Fehlentwicklungen warnt – von denen dann manche eintreten mag, manch andere vielleicht nicht. Zu oft schon waren mutmaßlich drohende Katastrophen an die Wand gemalt worden, die dann kurz darauf kein Thema mehr waren. Die Krisen, die vorausgesagt wurden und dann tatsächlich eintraten, wurden aber auch erst bekämpft, nachdem sie dann für jedermann sichtbar existierten. Es dürfte auch schwer sein, an diesen Phänomenen grundsätzlich etwas zu ändern. Zum einen ist der Mensch ein Wesen, das hofft – und damit auch angesichts bevorstehender Probleme sich doch dem Glauben hingeben möchte, irgendwie wird schon alles wieder werden. Knappe Ressourcen jedenfalls in unsichere Szenarien zu stecken, dazu gehört schon viel Überredung. Und – so sollte man meinen – auch handfeste Daten, die das nahende Unheil plausibel machen. Daran aber fehlt es meistens. Zum anderen fehlt vor dem Eintreten der Probleme einfach das Gefühl von Verantwortung: Wer soll sich darum kümmern, wer wird betroffen sein und vor allem, wer ist schuld? Vermutlich lässt manche Institution eine Krise eher auf sich zukommen, als sie zu bekämpfen, ehe feststeht, ob man dafür überhaupt zuständig ist.
So müssen Warnungen vor Fehlentwicklungen fast zwangsläufig ins Leere gehen, solange sie sich nicht von puren Befürchtungen (und deren gibt es sehr viele) zu realen Bedrohungen gewandelt haben. So wie die Dinge liegen, wurden die düsteren Aussichten auf den Wirtschaftsgipfeln der letzten zwei Jahre allerdings doch ernst genommen, von einigen zumindest. Diejenigen, die recht nahe dran waren am Desaster mit den berüchtigten Immobilienwertpapieren, zogen sich teils schon vor langer Zeit aus diesem Markt zurück, um ihr eigenes Schäfchen ins Trockene zu bringen. Und wie man hört, gab es in manchen amerikanischen Handelssälen und Bankhinterzimmern ein herzhaftes Gelächter über jene in Übersee, die immer noch die windigen Wertpapiere mit den großen Renditeversprechen kauften, wo doch klar war, dass das nicht gutgehen konnte. Geholfen, das sehen wir heute, hat es ihnen nicht viel. Zu früh gefreut: Die Krise ist so umfassend geworden, dass auch jene untergingen, die gar nichts mehr mit den riskanten Papieren zu tun hatten – da wurde dann halt ihr restlicher Bestand pulverisiert, denn im Moment gilt an den Weltfinanzmärkten ja das Prinzip: Mitgefangen, mitgehangen. Mal sehen, welche neue Fehlentwicklung die versammelten Manager, Finanzexperten und Politiker dieses Mal vorausahnen in Davos, in den nachdenklichen, aber schweigenden Schweizer Bergen.