Google: Aktiensplit auf Kosten der Anleger
Rund um den 3. April haben deutsche Google-Aktionäre eine Überraschung erlebt, die einige zunächst für einen verspäteten Aprilscherz gehalten haben werden. Für einen Aktiensplit bei Google im Verhältnis 2:1 hat ihre depotführende Bank einen Kapitalertragsteuerabzug in Höhe eines Achtels des Wertes der gehaltenen Google-Aktien vorgenommen.
Rund um den 3. April haben deutsche Google-Aktionäre eine Überraschung erlebt, die einige zunächst für einen verspäteten Aprilscherz gehalten haben werden. Für einen Aktiensplit bei Google im Verhältnis 2:1 hat ihre depotführende Bank einen Kapitalertragsteuerabzug in Höhe eines Achtels des Wertes der gehaltenen Google-Aktien vorgenommen. Im schlimmsten Fall hat dies zu Kontoüberziehungen geführt. Informiert wurden die Aktionäre im Vorfeld nicht.
Der Reihe nach: Bei dem von Google vorgenommenen Aktiensplit im Verhältnis 2:1 handelte es sich nicht um einen gewöhnlichen Aktiensplit. Die Aktionäre haben nicht einfach nur eine weitere Google-Aktie gleicher Ausstattung erhalten, die gemeinsam mit der vorhandenen Aktie den Wert der bisherigen Aktie verkörperte. Vielmehr erhielten sie pro Aktie (Class A) eine stimmrechtslose Aktie einer neuen Gattung (Class C). Hintergrund ist, dass vor dem Aktiensplit die beiden Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin aufgrund des 10-fachen Stimmrechts ihrer Class-B-Aktien insgesamt 56 Prozent der Stimmrechte hielten. Diese starke Stellung sollte trotz des zur leichteren Handelbarkeit erforderlichen Aktiensplits beibehalten werden. Ein normaler Aktiensplit hätte den Stimmrechtsanteil der beiden Gründer auf nur 42 Prozent schrumpfen lassen, was die beiden augenscheinlich nicht hinnehmen wollten, so dass die neue, stimmrechtslose Klasse C eingeführt wurde.
Wohl aufgrund der unterschiedlichen Ausstattungsmerkmale und der eigenen Wertpapierkennnummer (WKN) der neuen Aktiengattung haben deutsche depotführende Banken und deren Dienstleister, WM-Daten, dies zum Anlass genommen, den Aktiensplit als steuerpflichtige Sachdividende zu qualifizieren. Damit wurde die Hälfte der Aktien behandelt, als seien sie an den Anteilseigner ausgeschüttet. Die Banken haben unter Rückgriff auf eine gesetzliche Regelung für Zweifelsfälle die Anschaffungskosten der alten Aktien der Klasse A beibehalten und den neuen Aktien der Klasse C Anschaffungskosten von Null zugeordnet.
Folge der Einordnung als Sachausschüttung und der Anschaffungskosten von Null ist, dass in Höhe des Werts der in das Depot eingebuchten Aktien der Klasse C ein steuerpflichtiger Kapitalertrag in Form einer Sachdividende vorliegt und in entsprechender Höhe Kapitalertragsteuer abgeführt und dem Kundenkonto belastet wurde. Dies führte zu einer Kapitalertragsteuerbelastung von – vereinfacht gerechnet – einem Achtel des Wertes der gehaltenen Google-Aktien.
Von der steuerlichen Situation her sind (vereinfacht) zwei Grundformen zu unterscheiden:
Aktiensplit: Der Aktionär erhält anstelle einer Aktie mit dem Wert 100 zwei Aktien mit einem Wert von je 50. Nach einem solchen Aktiensplit hat der Aktionär nicht mehr oder weniger als vorher. Der Split findet rein auf der Vermögensebene statt. Die zwei neuen Aktien treten vollständig an die Stelle der einen alten Aktie inkl. Bestandsschutz für vor 2009 angeschaffte Aktien.
Sachausschüttungen: Dies sind steuerpflichtige „sonstige Bezüge aus Aktien“. Ein typisches Beispiel ist die Bonusaktie der Telekom: Aktionären des zweiten Börsengangs der Deutschen Telekom wurde pro zehn Aktien eine Bonusaktie zugesagt, wenn sie die neuen Aktien eine bestimmte Frist gehalten hatten. Die Bonusaktie stammte aus dem Bestand des Bundes. Ohne Änderung des Wertes der vorhandenen zehn Aktien erhielt der Aktionär eine elfte Aktie. Hier hatte der Aktionär anschließend mehr als vorher, so dass ein steuerpflichtiger sonstiger Ertrag durch den Bundesfinanzhof bejaht wurde. Da die Banken im Falle eines unrichtigen – weil zu niedrigen – Kapitalertragsteuereinbehaltes dem deutschen Fiskus für die entgangene Steuer haften, behalten sie in Zweifelsfällen eher Kapitalertragsteuer ein, als auf den Einbehalt zu verzichten („in dubio pro fisco“) – und lassen den Steuerpflichtigen den Kampf mit dem Finanzamt selbst führen.
Im vorliegenden Fall spricht vieles dafür, dass es sich trotz unterschiedlicher Ausgestaltung der Aktienklasse um einen Aktiensplit handeln dürfte. Der Wert der gehaltenen Google-Aktien ist in Summe gleich geblieben. Dies ist allerdings streng genommen auch bei Dividendenzahlungen so, weil unmittelbar nach Dividendenausschüttung der Aktienkurs um die ausgeschüttete Dividende sinkt. Allerdings liegen auch die Voraussetzungen der Finanzverwaltung für einen Aktiensplit vor: Prozentual ist der Anteil an Google, den der einzelne Aktionär hält, und das Grundkapital von Google vor und nach dem Aktiensplit unverändert geblieben. Insofern überrascht etwas, dass WM-Daten und folgend die Banken zu dem Ergebnis einer steuerpflichtigen Sachausschüttung gekommen sind. Angabegemäß lagen jedoch nicht alle Voraussetzungen für die zweifelsfreie Einordnung als steuerneutraler Aktiensplit vor, so dass man sich in dubio pro fisco für die Annahme einer steuerpflichtige Sachdividende entschieden habe.
Was kann man nun tun? Fehler im Kapitalertragsteuerabzugsverfahren kann der Steuerpflichtige im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung korrigieren. Hier kann also unter Hinweis auf eine andere Rechtsauffassung von der Steuerbescheinigung der Bank abgewichen werden und die Steuerfreiheit des Aktiensplits geltend gemacht werden. Folgt das Finanzamt dieser Rechtsauffassung nicht, kann gegen den Steuerbescheid Einspruch eingelegt und gegebenenfalls vor dem Finanzgericht geklagt werden.
Wer auf die abgeflossene Liquidität nicht bis zur Erstellung der Steuererklärung im Jahr 2015 warten möchte, kann grundsätzlich auch Einspruch gegen die Kapitalertragsteueranmeldung der Bank einlegen. Hier ist allerdings Eile geboten, da der Einspruch nur innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Abgabe der Steueranmeldung erfolgen kann, die grundsätzlich gleichzeitig mit der Abführung der Kapitalertragsteuer erfolgt. Der Einspruch ist in diesem Fall an das für die jeweilige Bank zuständige Finanzamt zu richten. Dazu benötigt man die Steuernummer der Bank und das zuständige Finanzamt. Beides sollte einem die Bank mitteilen. Im Zweifel sollte kompetenter Rat in Steuerfragen eingeholt werden.
Alexander Fürwentsches
Der Autor ist Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht bei der Steuerberatungsgesellschaft Baker Tilly Roelfs.