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Sind wir nicht alle ein bisschen Bluna? Oder: Ungeimpft mit Curevac ins Kurstal

Der Schock sitzt tief: Der lange angekündigte Impfstoff von Curevac ist noch nicht brauchbar – ein Desaster für das Unternehmen und seine Aktionäre. Doch was jetzt?

(Bild: Shutterstock)

Der Schock sitzt tief: Der lange angekündigte Impfstoff von Curevac ist noch nicht brauchbar – ein Desaster für das Unternehmen und seine Aktionäre. Doch was jetzt?

Von Reinhard Schlieker

Fußballkünstler Ronaldo hat sich offenbar gegen Coca-Cola impfen lassen. Die süße Brause geht nicht mehr an ihn, und das konnte der Star bei einer Pressekonferenz auch locker beweisen: Er schob die ihm zugedachte schwarze Flasche von sich, und man weiß nun nicht, ob er zuvor Coca-Cola-Put-Optionen gekauft hatte, dann wäre der Superreiche noch reicher geworden. Die Aktie gab offenbar auch wegen seiner Geste empfindlich nach, so dass man vermuten darf, ohne das teure Sponsoring bei der Fußball-EM wären Coca Cola heute sowohl glücklicher als auch seine Aktionäre wohlhabender.

Wer bei dem US-Getränkekonzern zuvor schon auf Verkauf gesetzt hatte, aus welchen Gründen auch immer, bekam von Ronaldo nebenbei eine Steilvorlage auf den Elfmeterpunkt – das nennt man „Windfall Profits“ und es ist ein bisschen wie Lotto.

Während jedenfalls Ronaldo wohl unfreiwillig den Rächer der Überzuckerten gab, musste der als kommender Impfstoff-Star gefeierte Tübinger Hersteller Curevac kundtun, dass es vorerst und ganz ernsthaft beim „kommenden“ Star bleiben muss, denn man hat auf absehbare Zeit nichts, was man guten Gewissens in eine Spritze tun könnte. Die Aktie des im August 2020 an der amerikanischen Technologiebörse NASDAQ gestarteten Unternehmens, am ersten Tag mit sage und schreibe 250% Kursplus gesegnet, erlebte in der Nacht vom Mittwoch auf Donnerstag einen nachbörslichen Kursrutsch von mehr als 50%, verlor dann am regulären Handelstag bis zu 57% und konnte sich im Laufe des Geschäfts am Donnerstag mühsam wieder auf „nur“ 39 Prozent minus, nun ja, erholen.

Noch immer steht für viele Aktionäre ein Kursplus zu Buche. Aber wenn Curevac N.V. zeit seines Börsenlebens ein Hoffnungswert war, so ist es dies nun erst recht und ganz und gar. Die Zwischenergebnisse der laufenden Studie mit dem Curevac-Impfstoff CvnCoV auf Basis sogenannter Boten-RNS (mRNA) zeigen eine Wirksamkeit von nur 47 Prozent, das ist mal gerade die Hälfte des Wertes, den Biontech oder Moderna aufweisen.

Dabei war Curevac vor gut zwanzig Jahren gegründet worden, weil der Tübinger Gelehrte Ingmar Hoerr die Eignung jener mRNA erkannte, den menschlichen Körper zur Produktion von Abwehrzellen gegen feindselige Eindringlinge zu animieren. Ehe man sich an Virenschutz machte, stand zunächst die Bekämpfung von Tumorzellen im Vordergrund. Ohne durchschlagende Erfolge – aber die Eignung als Impfmittel gegen Grippe- und verwandte Viren schien sich zu beweisen. Eine Vielzahl kleinerer und größerer Managementfehler, und nicht etwa der Mangel an Geld – immerhin stieg Milliardär Dietmar Hopp ein, 2006, und übernahm rund 90 Prozent der Firma, und in der Hektik der Krise auch der Bund, der 300 Millionen Euro Steuergeld lockermachte – lähmten die Entwicklung. Konkurrent Biontech hatte sein Serum längst auf dem Markt, als Curevac mit seinen groß angelegten Studien begann.

Im Moment nun haben die Anleger zu bewerten, ob die Kooperation mit Bayer und bei einem Update des Impfstoffs mit Glaxo-Smithkline robust genug sein werden, um noch Fuß zu fassen auf dem Weltmarkt. Wenn, ja wenn es gelingt, modifizierte Impfungen gegen immer neue Virusmutanten anzubieten. Die Kommunikation des Unternehmens selbst wirkt dauerhaft seltsam. Immer wieder gab es eher durchwachsene Neuigkeiten, Verschiebungen der Ziele, aber stets versehen mit der Hoffnung auf bessere Zeiten. So auch jetzt – die laufende Studie wird fortgesetzt, obwohl dramatische Verbesserungen der Wirksamkeit schon einem Wunder gleichkämen. Und wieder heißt es, künftige Versionen des Mittels würden definitiv einen Durchbruch bedeuten. Nur – an zukünftigen Versionen arbeitet auch die Konkurrenz, und da wirkt Biontech wie das sprichwörtliche Schnellboot gegenüber dem Tanker Curevac.

Natürlich haben auch andere, so etwa der Pharmariese Sanofi aus Frankreich, noch nicht so viel vorzuweisen. Und bei Johnson & Johnson, US-Riese, hakt es immer wieder. Dennoch reichen die Lieferungen der Erfolgreichen bald für eine Marktsättigung. Wer sich als Privatanleger bei Curevac engagiert hat, dürfte wohl wissen, dass man auf eine hochriskante Pipeline setzt, da kann der Lohn riesig ausfallen oder auch – ganz. Schon in Form von ETF oder Fonds ist Biotechnologie riskant. Bei Einzelwerten kann man sich mitunter, wie vielleicht Ronaldo nach seinem Limonaden-Flaschenschieben vor den Kameras der Welt, mit dem doch irgendwie beruhigenden alten Werbespruch trösten: Sind wir nicht alle ein bisschen Bluna?

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