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Infineon – gute Geschäfte, bessere Prognosen, müde Kurse

Wenn man einen kalten Hauch verspürt und dabei dennoch nicht sofort an Infineon denkt, liegt es vielleicht daran, dass man zum Beispiel gerade die kühlende Wirkung der Klimaautomatik im Auto genießt und nicht etwa im Dax-Index herumsucht, mit all dem Entsetzen, das sich da findet.

Wenn man einen kalten Hauch verspürt und dabei dennoch nicht sofort an Infineon denkt, liegt es vielleicht daran, dass man zum Beispiel gerade die kühlende Wirkung der Klimaautomatik im Auto genießt und nicht etwa im Dax-Index herumsucht, mit all dem Entsetzen, das sich da findet.

Von Reinhard Schlieker

Mit hoher Wahrscheinlichkeit stammt die Chiptechnik im Auto-Komfortsystem vom weltweit zehntgrößten Hersteller solcher Elektronikbauteile aus dem früheren Halbleitergeschäft von Siemens, angesiedelt in Neubiberg, wo sich auch Intel Deutschland nahe München eine Bleibe gönnt. Infineon ist bei Autoelektronik dabei, ebenso wie bei Technik für erneuerbare Energiegewinnung, bei Smartphones und digitalen Sicherheitsarchitekturen, und vielem mehr. Man sieht es nicht und hört es kaum, aber ohne geht es selten.


Um es vorwegzunehmen: Die Infineon-Aktie gehört zu den wenigen dieser Tage, die längerfristig betrachtet stabil über früheren Hochs notiert, auch wenn Anleger mit kürzerem Interesse eher besorgt aufs Tableau schauen, denn jüngste Erfolgsmeldungen aus dem Hause Infineon wurden nicht nur nicht goutiert, sondern derzeit sogar mit Minuszeichen in Börsenkurse umgesetzt. Nun stimmt es zwar, dass Infineon seit seinem Debüt auf dem Parkett schon wahrlich alles gesehen hat: Einen Höchstkurs von über neunzig Euro im Dunst des Neuen Marktes (Sommer 2000), sehr kurz darauf nur noch die Hälfte davon, und in der Finanzkrise die Anmutung eines Pennystocks bei einem Aktienkurs von 0,39 Euro. Sich von da aus zu verhundertfachen sollte dann nicht mehr so schwer erscheinen, das dauerte aber dennoch bis vor ganz kurzer Zeit, als die vierzig Euro wieder überschritten wurden – inzwischen stehen gut 27 Euro an der virtuellen Tafel. Man darf rückblickend sagen, dass Siemens bei der Ausgliederung seiner Halbleitersparte schon seine Gründe hatte, sehr eigene natürlich: Das Business war den Münchener zu zyklisch; etwas salopp ausgedrückt: Das Geschäftsfeld brachte wohl wirklich einige Unruhe ins Haus.

Bei Infineon ist man Zyklisches natürlich gewöhnt, aber jetzt geht es mit dem Ertrag erst einmal bergauf: Das laufende Geschäftsjahr (bis 30. September) soll das beste der 23jährigen Geschichte des Unternehmens werden. Schon nach dem ersten Quartal setzte man die Messlatte höher, und nun am 9. Mai mit der Verkündung des Ergebniszahlen nochmals. Eine halbe Milliarde mehr Umsatz, und damit zwischen 13 und 14 Milliarden, sollen am Ende in den Büchern stehen. Könnte man den Auftragsbestand tatsächlich in diesem Jahr erfüllen, wären es sogar 37 Milliarden Euro mehr – für so viel wollen die Kunden nämlich Produkte geliefert bekommen, was angesichts von Lieferengpässen und anderen Widrigkeiten aber nicht klappen wird. Dennoch: Eine Produktpalette zu besitzen, für die Käufer Schlange stehen, ist nicht alltäglich.

Diverse Zeiterscheinungen, die andernorts Kopfzerbrechen verursachen, treiben den Gewinn des Unternehmens sogar noch an – beispielsweise die Kursverluste des Euro gegenüber dem Dollar. In der US-Währung werden die (überwiegend) internationalen Geschäfte des Konzerns abgerechnet, und das heißt: Währungsgewinne, durchaus wohl „Windfall Profits“, aber warum soll man die verachten. Infineon preist sie ein, dem gegenüberstehen dürften Kosten für Absicherungsgeschäfte. Unterm Strich ein Gewinn.

Die Risiken dagegen sind geostrategischer Natur, vor allem, wie sich die internationalen Geschäftsbeziehungen in der Folge des Krieges in der Ukraine entwickeln werden, ist schwer absehbar. Mit China betreibt Infineon einen bedeutenden Teil seines Geschäfts (zwischen 30 und 35  Prozent des Umsatzes); auch Indien ist ein Staat, der sich wie China auf die Seite Russlands geschlagen hat und potentiell in den Fokus gerät, wenn künftige Beziehungen weltweit neu justiert werden. Russland hingegen spielt keine nennenswerte Rolle in der Unternehmensstatistik.

Hinzu kommen konjunkturelle Unwägbarkeiten. Halbleiter sind im Aufschwung und auf der Höhe eines Booms vor allem gefragt: Vermutlich trauen derzeit einige Anleger dem weiteren Lauf der Dinge nicht, Rekordnachfrage hin oder her. Lieferkettenprobleme könnten das Geschäft außerdem mittelfristig dämpfen, und gegenwärtige wie geplante Milliardeninvestitionen des Unternehmens teurer werden als gedacht, vor allem vor dem Hintergrund steigender Zinsen. Ohne dass dem womöglich ein gleichzeitiger und entsprechender Ertrag gegenübersteht.

Infineon gerät mutmaßlich auch noch in eine Börsenstimmungslage, die den Konzern nur ganz am Rande tatsächlich betreffen sollte, nämlich die grassierende und eher plötzliche Abneigung gegen Technologiewerte . Die, das hat sich in der abgelaufenen Woche gezeigt, ist eine Art Ebbe, die alle Schiffe diskriminierungsfrei auf sandigen Grund setzt. Ob Apple, Amazon, Hightech-Startups oder Kryptowährungen, das berühmt-berüchtigte „Sentiment“ lässt schaudernd abwinken.

Ob das nun schon der Zeitpunkt für klug gewählte Neuinvestments ist oder nur das fallende Messer, in das man bekanntlich nicht greifen soll - die Mehrheit sagt: Lieber nicht. Mit der Mehrheit konform zu handeln ist an der Börse allerdings auch kein besonders pfiffiges Rezept für Erfolg.