Rechenexempel für die Politik
Die schwarz-gelben Koalitionsverhandlun- gen quälen sich voran – auch wenn die Teilnehmer stets die Contenance bewahren und gute Miene machen, bleibt der Eindruck, dass es ziemlich Mühe macht, die Ideen der beiden „Traumpartner“ unter einen Hut zu bringen und druckreife Versionen daraus zu schaffen. Das erklärte Ziel ist es ja, möglichst viel Entlastung für das Volk einzubauen, ohne als Gesamtstaat in der Schuldenfalle zu landen.
Für dieses Ziel lohnt sich wahrlich jede Anstrengung. Erstaunlicherweise wird das Bemühen der Politik in der Mehrzahl der Medien äußerst kritisch, wenn nicht mit offener Häme begleitet. Das ist schlicht erstaunlich. Zu normalen Zeiten sind nämlich oft dieselben Presseerzeugnisse schnell in vorderster Front, wenn es darum geht, den Staat der Ausplünderung zu bezichtigen – und das durchaus zu Recht. Durch Steuererhöhungen, kalte Progression und steigende Beiträge zu den Sozialkassen hat sich die Belastung der Bürger in den letzten vier Jahren deutlich erhöht. Wenn es da kein Umsteuern gibt, führt das viel eher in die Katastrophe als es eine hohe Staatsverschuldung tun würde. Aber manchen Kommentatoren kommen auch Milchmädchenrechnungen gerade recht, wenn es um missgünstige Darstellung der Regierungsbildung geht. Zum Beispiel konstatiert „Spiegel online“, dass die Staatsschuld bei mehr als einer Billion Euro liege und selbst bei Tilgung von zehn Milliarden per anno noch 110 Jahre lang abgebaut werden müsse. Das ist natürlich Unsinn. Zum einen wäre es ein ganz schlechtes Zeichen, wenn ein Staat nur auf Schuldenabbau achten würde. Natürlich ergibt es einen Sinn, wenn man bei der Höhe der Staatsschulden auf eine erträgliche Zinslast achtet. Dafür bieten die Kriterien der Währungsunion eine gute Ziellinie, die man tatsächlich erst wieder erreichen muss. Staatsschulden aber sind völlig selbstverständlich, wenn es um die Finanzierung generationsübergreifender Investitionen geht. Einen solchen Nutzen haben sogar die Hilfen in der Finanzkrise. Darüber gibt es bei Ökonomen nicht den geringsten Zweifel, wohl aber seltsamerweise bei einigen Journalisten. Das genannte Rechenexempel für die Politik ist auch noch ein hinkender Hund. Denn die im Haushalt sich verringernden Zinslasten würden selbstverständlich zu einer höheren Tilgung eingesetzt werden können – was die Laufzeit der Kredite verringert. Dazu gibt es auf der Seite von „Spiegel online“ sogar einen kommerziellen Link, über den man beliebige Zins- und Kreditrechnungen anlegen kann – bitte nutzen. Schließlich kommt bei der genannten Milchmädchenrechnung noch die Tatsache hinzu, dass die Inflation nicht eingerechnet wurde – das dürfte über einen Zeitraum von 110 Jahren ein hübsches Sümmchen ausmachen, welches die Schulden verringert. Schade nur, dass solche Rechnungen trotz ihrer – höflich ausgedrückt – geringen Wahrheitsdichte geeignet sind, Politik und Öffentlichkeit zu beeinflussen, weil einfach kaum jemand geneigt ist, nachzuprüfen. Weil mit solchen Kommentierungen Zeit und Platz verplempert wird, kommt niemand darauf, nur einmal zum Beispiel den Einfluss von sinkenden Steuern und Abgaben auf den milliardenschweren Schwarzarbeitssektor zu kommentieren. Sicher, man braucht keine Claqueure für die Politik, aber etwas mehr Nachdenken schon.