Mit Rind über die Alpen: Die bargeldlose Welt
Gespenstische Ruhe herrscht im Kaufhaus, nirgends klimpert die klingende Münze, kein Geldschein knistert in den Händen des Kassenpersonals. Nein, die Rede ist nicht von Karstadt. Sondern jedem x-beliebigen Ladengeschäft der Zukunft, in welcher das Bargeld abgeschafft sein wird und nur noch hin und wieder ein Piepen von erfolgten Transaktionen künden wird.
Gespenstische Ruhe herrscht im Kaufhaus, nirgends klimpert die klingende Münze, kein Geldschein knistert in den Händen des Kassenpersonals. Nein, die Rede ist nicht von Karstadt. Sondern jedem x-beliebigen Ladengeschäft der Zukunft, in welcher das Bargeld abgeschafft sein wird und nur noch hin und wieder ein Piepen von erfolgten Transaktionen künden wird.
Alles auf eine Karte setzend, planen Ökonomen die bargeldlose Welt. Klarer Vorteil: Kein Geldtransporter wird mehr überfallen. Keine Bank ausgeraubt, und wenn, dann über Datenleitung – also schon mal keine Geiselnahmen mehr in der Schalterhalle und dergleichen. Eine ganze Generation von vorwiegend theologisch und philosophisch geschulten Professoren, die sich als Geldexperten betätigen und wider den Mammon predigen, wird in Rente gehen, denn das Teuflische und Verführerische am Geld ist hinfortgeweht durch die neue Zeit. Kriminelle müssen sehen, wo sie bleiben, denn die Geldwäscherei ist ein Business ohne Zukunft. Was macht die Mafia aus Palermo, wenn Erlöse zu bunkern sind? Ein Rind über die Alpen treiben, oder gar Goldklumpen zum Brenner rollen? Wirtschaftsprofessor Bofinger, der nicht theologisch geschult ist, argumentiert so, und will gleich mal den 500-Euro-Schein abschaffen, denn den, so Bofinger, brauchen nur Kriminelle.
Er muss es wissen, aber offenbart auch gleich mal den Hintergrund der merkwürdigen Forderung: Kontrolle und nochmals Kontrolle. Wie so oft, wenn der Staat und seine Denker ihren Machtbereich ausweiten wollen, gibt es zunächst mal ein hehres Ziel, und die Austrocknung krimineller Sümpfe kann ja nicht im Ernst umstritten sein. Was dann folgt, ist schnell die Kehrseite: Die Abschaffung des Bargeldes, das fast vier Fünftel der Deutschen einfach ganz gern behalten möchten, wirkt fußfesselartig: Jeder Kaffee im Bistro, jedes Brötchen beim Bäcker hinterlässt dann eine elektronische Spur. Letztendlich ließe sich ermitteln, ob jemand mehr ausgibt als er verdient, ob alle Steuern richtig erklärt werden, ob man Gesundes für die Kinder kauft oder aber Süßigkeiten im Überfluss, und man kann theoretisch die Zahnarztrechnung daran koppeln.
Staatliche Kontrolle vor allem aber in Hinblick auf die Staats-Finanzen: Nur unter Mitnahme seines Bargeldes kann sich ein Bürger – noch – vor dem Entschuldungsprogramm des Staates retten, das mit Negativzinsen auf die Guthaben professioneller Anleger wohl nur die erste Stufe gezündet hat. Dass auch der Privatmensch vom Nullzins ins Negative rutscht, ist wohl nur eine Frage der Zeit. Denn die EZB in ihrer Don-Quichote-Gedenk-Vendetta gegen die imaginäre Deflation gibt sicher so schnell nicht auf, und die einzige Art, die völlig untragbaren Staatsschulden noch zu tilgen, ist die allmähliche Zerbröselung derselben durch Minuszinsen. Darf's zum Kredit noch ein kleiner Bonus sein? Die staatseigene KfW denkt zumindest schon darüber nach. Bleibt nur noch, ein weiteres Loch zu schließen: Der Besitz von Gold und Wertgegenständen müsste für illegal erklärt werden, es sei denn, man lässt sein Eigentum inspizieren, deklarieren und amtlich verifizieren. Kein Wunder, dass die Idee von der Abschaffung des Bargelds begeisterte Anhänger findet bei Staatsgläubigen und Neiddebattierern.
Reinhard Schlieker, ZDF-Wirtschaftskorrespondent