Das verworrene Netz
Einst, als die Weltlage etwas klarer war, auch wenn das Wünschen schon damals nicht geholfen hat, gab es zumindest eindeutige – hässliche und minder hässliche – Fronten. Man gab der Politik, was ihr zukommt, und der Wirtschaft, was der Wirtschaft ist. Diese Übersichtlichkeit bricht gerade vollends zusammen. Das meint Reinhard Schlieker, und er versucht, das in Unordnung geratenen Netz zu entwirren.
Einst, als die Weltlage etwas klarer war, auch wenn das Wünschen schon damals nicht geholfen hat, gab es zumindest eindeutige – hässliche und minder hässliche – Fronten. Man gab der Politik, was ihr zukommt, und der Wirtschaft, was der Wirtschaft ist. Natürlich überlagerten sich diese Sphären in den fünfziger, sechziger und besonders den siebziger Jahren genauso wie zuvor, aber dennoch übersichtlicher. Und die Politik verstand es, ihren „Primat" zu fordern über Krieg und Frieden, Import und Export.
Von Reinhard Schlieker
Diese Übersichtlichkeit bricht gerade vollends zusammen, und wenn es in der Wirtschaft noch nicht so kriselt wie in der europäischen Politik, mag es an der Langsamkeit mancher Akteure liegen, weniger am Optimismus. Auch fehlende Weitsicht wird deutsche Autokonzerne, Maschinenbauer und Kraftwerksexporteure nicht über Nacht einholen. Ob aber die Unternehmen, und vor allem die Kapitalmärkte, die neue Unordnung schon verinnerlicht haben, darf man bezweifeln. Sonst wäre sicher auch unter den Zweckoptimisten eine gewisse Zurückhaltung zu spüren. Oder ist Optimismus die Selbstmedikation gegen die Angst vor Panik?
Man nehme nur die Türkei. Nach einem wirtschaftlichen Aufschwung über Jahre hinweg Hauptziel des gemeinen deutschen Tourismus, des Maschinenexports und der Fahrzeugvermittlung über den Bosporus. Dann jedoch geschehen viele Dinge gleichzeitig: Der vermeintliche Reformer an der Regierungs-, dann Staatsspitze wandelt sich zum Kulturkämpfer für allgemeine Unkultur und kann seine lange vorhandene Neigung zu Größenwahn und eitler Paranoia so richtig zum Blühen bringen. Als Schacherer im Syrienkonflikt, als Kriegsgewinnler der Flüchtlingsbewegungen und Geldeintreiber bei den Verzagten Europas ist Recep Tayyib Erdogan nicht nur eine lose Kanone auf dem europäisch-nahöstlichen Deck, welches ohne ihn schon schlüpfrig genug war.
Mittelstand fürchtet den digitalen Krieg
Nein, er bekämpft die Verbündeten jener Länder, mit denen er vorgeblich in Sachen Flüchtlinge zusammenarbeitet und nutzt die Stunde, um die einigermaßen freien Reste der Medien im eigenen Land mundtot zu machen – wenn er es nur dabei belassen würde, wäre es schon unerwartet eine gute Nachricht. Unterdessen wird immer klarer, dass ein weiterer Verbündeter mit Hilfe seiner saudischen Petrodollars seit Jahrzehnten am Aufbau seiner menschenfeindlichsten Ausprägung der ohnehin nicht gerade auf Pazifismus gegründeten Religion des Islam in fernen Ländern wie etwa Belgien arbeitet. Die verhältnismäßig günstigen Rohstoffe für die Prosperität des Westens werden von Terroropfern noch einmal zusätzlich bezahlt.