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Vier Gründe: Der Euro ist zurück!

Donald Trump wird zunehmend zum entscheidenden Faktor für viele internationale Investoren. Europa galt lange Zeit als verbrannt: Schuldenkrisen, hohe Arbeitslosigkeit, innere politische Zerrissenheit und ein schwaches Wirtschaftswachstum machten den „Alten Kontinent“ in den Jahren nach der Finanzkrise als Anlageziel uninteressant. Dagegen drängten die USA zunehmend in den Fokus – ein Trend, der durch die Wahl Donald Trumps und seiner wirtschaftsfreundlichen Reformagenda noch einmal unterstützt wurde. Klare Empfehlungen von unserem Kolumnisten Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank.

BÖRSE am Sonntag

Für viele internationale Investoren galt Europa lange Zeit als verbrannt: Schuldenkrisen, hohe Arbeitslosigkeit, innere politische Zerrissenheit und ein schwaches Wirtschaftswachstum machten den „Alten Kontinent“ in den Jahren nach der Finanzkrise als Anlageziel uninteressant. Dagegen drängten die USA zunehmend in den Fokus – ein Trend, der durch die Wahl Donald Trumps und seiner wirtschaftsfreundlichen Reformagenda noch einmal unterstützt wurde. Klare Empfehlungen von einem ausgewiesenen Experten.

Von Ulrich Stephan

Die Folge waren vermehrte Kapitalströme von Europa in Richtung USA und damit einhergehend ein im Vergleich zum Euro immer stärker werdender US-Dollar: Am 28. Dezember 2016 erreichte die US-Währung mit einem Wechselkurs zum Euro von rund 1,04 ihren höchsten Stand der vergangenen Jahre. Der Zeitpunkt, wann US-Dollar und Euro die Parität erreichen würden, schien nur eine Frage der Zeit.

Seither hat sich nicht weniger ereignet als ein wirtschaftspolitisches Erdbeben: Europa scheint in den vergangenen Monaten zu neuer Stärke zurückgefunden zu haben, während die USA auf die konjunkturellen Impulse der versprochenen Reformen nach wie vor vergeblich warten. Auf den ohnehin sehr sensiblen und schwer zu prognostizierenden Währungsmarkt haben diese Entwicklungen spürbare Auswirkungen: Die Deutsche Bank rechnet aktuell mit einem erheblich stärkeren Euro zum Jahresende 2017 als noch vor einigen Monaten und passt ihre Euro-US-Dollar-Prognose entsprechend deutlich an – von 1,02 auf jetzt 1,16. Die Gründe für diese Einschätzung beruhen dabei keineswegs auf kurzfristigen Marktentwicklungen, sondern werden aus Sicht der Deutschen Bank nachhaltig unterstützt. Dabei sind vier Haupteinflussfaktoren auszumachen.

1. Die Europäische Zentralbank vor dem Einstieg in den Ausstieg

In seiner Rede vom 27. Juni 2017 auf der Konferenz der Europäischen Zentralbank (EZB) im portugiesischen Sintra wich EZB-Chef Mario Draghi deutlich von seiner bislang üblichen Rhetorik ab. Er bezeichnete den jüngsten Inflationsrückgang in der Eurozone nur als eine „Durchgangsphase“ und deutete gleichzeitig eine „Normalisierung der Geldpolitik“ an. Diese Worte können trotz des anschließenden Zurückruderns der EZB-Offiziellen dahingehend interpretiert werden, dass Draghi zumindest rhetorisch einen allmählichen Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik der EZB einläuten möchte. Aus Sicht der Deutschen Bank dürfte dafür ab Januar 2018 eine weitere Reduzierung des Ankaufvolumens von Euro-Anleihen von aktuell 60 auf dann 40 Milliarden Euro umgesetzt werden.

2. Das Zinsdifferenzial verliert an Bedeutung

Währungspaare, etwa der Wechselkurs von Euro zu US-Dollar, werden typischerweise durch die Entwicklung der kurzfristigen Zinsen beeinflusst. Das sich ausweitende Zinsdifferenzial zwischen 2-jährigen US-Staatsanleihen und 2-jährigen Bundesanleihen hat in der Vergangenheit lange Zeit zu Kapitalabflüssen aus Europa in die USA geführt. Aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach US-Dollar-Papieren legte der Wert der Weltleitwährung zum Euro zu. Während sich das Zinsdifferenzial auch in den vergangenen Wochen weiter ausdehnen konnte, hat jedoch der US-Dollar nicht wie gewohnt an Stärke zugelegt. Der bisherige Haupttreiber für das Währungspaar Euro/US-Dollar scheint damit an Bedeutung verloren zu haben.

3. Veränderte Positionierung der Investoren

Nachdem die Eurozone und damit auch der Euro infolge der Finanz- und Schuldenkrise bei Investoren stark an Attraktivität eingebüßt hatten, konnten die europäischen Kapitalmärkte in den ersten sechs Monaten dieses Jahres wieder vermehrt Kapitalzuflüsse verzeichnen. Grund dafür waren unter anderem die abnehmenden politischen Risiken in der Eurozone. Insgesamt sind global agierende Investoren allerdings noch immer stark untergewichtet: So befindet sich der Bestand europäischer Staatsanleihen bei US-Investoren aktuell auf dem niedrigsten Niveau seit Anfang der 1990er-Jahre. Die Deutsche Bank rechnet jedoch damit, dass internationale Investoren zur Diversifizierung ihrer Portfolios wieder stärker nach Europa drängen könnten. Die damit verbundenen Kapitalströme dürften in den kommenden Monaten die Entwicklungen am Währungsmarkt dominieren und zu einer Stärke des Euro beitragen.

4. Verändertes Risiko- und Wachstumsumfeld

Zu Jahresbeginn war kaum zu erwarten gewesen, dass die politischen Risiken in Europa in absehbarer Zeit kleiner ausfallen würden als in den USA oder Großbritannien. Schließlich stand mit den Kandidaturen von Marine Le Pen in Frankreich und Geert Wilders in den Niederlanden die politische Zukunft Europas auf dem Spiel. Nach der Wahl von Mark Rutte zum niederländischen Ministerpräsidenten und Emmanuel Macron zum französischen Präsidenten sowie der Verschiebung der Italien-Wahl auf Anfang 2018 stehen die Zeichen nun wieder auf eine Vertiefung der innereuropäischen Beziehungen – zusätzlich getrieben durch die notwendige Annäherung der verbliebenen EU-Mitglieder in den anstehenden Brexit-Verhandlungen.

Und in den USA? Hier zeichnet sich derzeit ein gänzlich anderes Bild: Von der einstmaligen Euphorie bezüglich eines möglichen wirtschaftsfördernden Reformprogramms der Regierung Trump ist keine Spur mehr zu sehen. Die Republikaner scheinen sich trotz ihrer Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses parteiintern nicht auf eine gemeinsame Linie einigen zu können: Die geplante Gesundheitsreform wurde vom Senat erneut verschoben, und die erwartete Steuerreform ist über einen Ankündigungsstatus noch immer nicht hinaus, was ihre Umsetzung noch in diesem Jahr mehr als fraglich erscheinen lässt. Gleichzeitig hat sich das konjunkturelle Umfeld in den USA im ersten Quartal 2017 etwas eingetrübt – während das Wachstum in Europa positiv überraschte.

Fazit

Auch wenn die Deutsche Bank die Gründe für eine weitere Euro-Stärke als nachhaltig erachtet: In den kommenden Monaten kann es jederzeit zu Wechselkursschwankungen und einer kurzfristigen US-Dollar-Stärke kommen. Eine solche Phase könnte unter Berücksichtigung der individuellen Anlagestrategie durchaus für den selektiven Verkauf von US-Dollar-Anlagen genutzt werden. Von einem pauschalen Ausstieg aus US-Dollar-Investments ist dagegen in jedem Fall abzuraten.

Ulrich Stephan ist Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank.