Wer zahlt eigentlich für den Handelskrieg?
Zölle und Handelsbarrieren kosten – und zwar alle Beteiligten. Der vermeintliche Schutz der heimischen Wirtschaft ist fast immer teuer erkauft. Seit dem 24. September dieses Jahres belasten die Vereinigten Staaten Produkte aus China mit neuen Zöllen – das sind Erzeugnisse im Wert von 250 Milliarden Dollar.
Zölle und Handelsbarrieren kosten – und zwar alle Beteiligten. Der vermeintliche Schutz der heimischen Wirtschaft ist fast immer teuer erkauft. Seit dem 24. September dieses Jahres belasten die Vereinigten Staaten Produkte aus China mit neuen Zöllen – das sind Erzeugnisse im Wert von 250 Milliarden Dollar.
Von Reinhard Schlieker
Bei Gütern, die zuvor zollfrei eingeführt werden konnten, beträgt die Abgabe 25 Prozent, bei anderen Waren, die schon zuvor verzollt werden mussten, steigt der Wert von 2,5 auf 27,5 Prozent. Das ist ein erheblicher Betrag. Betroffen sind neben Konsumgütern, wie etwa Unterhaltungselektronik, vor allem sogenannte Zwischenprodukte, die in der amerikanischen Industrie weiterverarbeitet werden. Die USA erhalten auf diese Weise 22,5 Milliarden Dollar an Staatseinnahmen. Mittlerweile ist die Hälfte aller chinesischen Exporte in die USA betroffen.
Es begann mit Waschmaschinen – und endet noch lange nicht bei Technologie. Die Amerikaner werfen China auch lässigen Umgang mit geistigen Eigentumsrechten vor. Die Gräben sind tief, die Risse im politischen Verhältnis beider Mächte sind es auch. Gemeinhin gilt der alte Lehrsatz, dass freier Handel gut für alle ist – weil jeder das produziert und verkauft, was er am besten kann. Damit werden Güter theoretisch besser und billiger. In der Regel funktioniert das auch – im Falle China-USA gibt es aber einige Abweichungen. Wirtschaftsforscher zum Beispiel des ifo-Instituts, aber auch der Dekabank und des IWF haben mittlerweile die Auswirkungen recht gründlich untersucht – und aufgrund mancher Sonderbedingungen weichen die Zolleffekte stark von den Erwartungen ab. Für die betroffenen Güter gilt nämlich das, was die Experten „Importelastizität“ nennen. Das heißt, dass zum Beispiel Unterhaltungselektronik auch von anderen Lieferanten bezogen werden kann – aus Korea etwa.
Damit ist klar, dass China die Zölle nicht einfach auf den Preis seiner Produkte aufschlagen kann. Das Ergebnis: Von 25 Prozent Zoll trägt China selbst 20,5, nur 4,5 Prozentpunkte werden in der Tat als Preiserhöhung in den USA zu spüren sein. Der chinesische Lieferant muss also auf einen Teil seines Gewinns verzichten, der amerikanische Konsument sieht sich teureren Produkten gegenüber. Mögliche Effekte: Chinesische Firmen stellen die Lieferung ein, oder die Kunden in den USA weichen auf andere Produkte aus – bei manchen Dingen geht das einfach, bei anderen eher nicht.
Gerade in der Schicht der Geringverdiener ist das nicht so leicht. Leute mit weniger Geld bevorzugen natürlich billige Elektrogeräte und andere Erzeugnisse aus China – sie können nicht einfach auf teure Markenprodukte ausweichen. Aufgrund der Zölle steigen die Konsumgüterpreise um 6,2 Prozent. Bei einzelnen Erzeugnissen können es bis zu 20 Prozent sein. Damit belasten die Maßnahmen vor allem Geringverdiener. Wenn der amerikanische Staat, der durch die Zölle insgesamt 22,5 Milliarden Dollar einnimmt, dieses Geld nicht an die Bürger ausschüttet, erleiden diese tatsächlich „Wohlfahrtsverluste“, wie die Forscher dies nennen. Unter dem Strich tragen die Amerikaner ein Drittel, die Chinesen zwei Drittel der Zollkosten. Nicht berücksichtigt sind hier die Gegenmaßnahmen Chinas, das etwa weniger Soja aus den USA einführt, und weniger amerikanische Autos. Bislang beziffert man den Verlust, den beide Staaten erleiden, auf 1,6 Milliarden Dollar. Nicht gar so viel – aber all die politischen Kollateralschäden muss man ja ebenso im Blick behalten: Daher ist die gegenwärtige „Zollpause“ von 90 Tagen so wichtig, wenn man sie für produktive Verhandlungen nutzt.
Für diese Woche schon hatte US-Präsident Trump neue und höhere Zölle auf Autoimporte aus Europa angekündigt. Damit er seine Drohung nicht wahrmacht, sprechen sogar deutsche Automanager im Weißen Haus vor. Mit Zugeständnissen versuchen sie zu erreichen, dass zunächst einmal alles beim Alten bleibt. Wie man am Beispiel China sieht, mit gutem Grund: Wenn es gegenüber Europa so läuft wie mit Fernost, dann dürfen sich die Autohersteller auf einbrechende Gewinnmargen einstellen. Denn bei der Wahl des Automodells ist es leicht, auf ein anderes umzusteigen, das billiger ist. Die Deutschen müssen dann auch noch mit zurückgehenden Verkäufen in den USA rechnen, und der Trend weltweit ist jetzt schon nicht sehr freundlich.