Zentralbanken am Scheideweg
Globalisierung, Transparenzanforderungen und technische Innovationen setzen die Zentralbanken unter Druck. Eine Studienserie von Roland Berger beleuchtet nun das veränderte Umfeld und Rolle der Zentralbanken angesichts der politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen. Digitale Währungen werden sich demnach in den kommenden Jahren als Parallelwährung zum Bargeld breit etablieren. Unterschiedliche Technologien und Ansätze in verschiedenen Ländern stellen Zentralbanken vor neue, enorme Herausforderungen.
Globalisierung, Transparenzanforderungen und technische Innovationen setzen die Zentralbanken unter Druck. Eine Studienserie von Roland Berger beleuchtet nun das veränderte Umfeld und Rolle der Zentralbanken. Die These: Globalisierung, technologische Innovationen und hohe Geschwindigkeit an den internationalen Finanzmärkten zwingen Zentralbanken, ihre Organisation neu zu gestalten; digitale Währungen werden sich in den kommenden Jahren als Parallelwährung zum Bargeld breit etablieren. Unterschiedliche Technologien und Ansätze in verschiedenen Ländern stellen Zentralbanken vor neue Herausforderungen.
Vor der Finanzkrise agierten Zentralbanken hinter den Kulissen als hoch effektive und mächtige unabhängige Institutionen. Sie sorgten für Preisstabilität und waren das Rückgrat eines nationalen Finanzsystems. Doch als Folge der weltweiten Finanzkrise und der internationalen Staatsschuldenkrise sehen sich Zentralbanken heute weltweit einem wachsenden öffentlichen Interesse ausgesetzt. Hinzu kommen neue Herausforderungen: strengere Regulierung der Finanzmärkte und Institutionen, wachsende Globalisierung und komplexere Organisationen, digitale Innovationen und zunehmender Kampf um Talente. Diese Entwicklungen analysieren die Finanzexperten von Roland Berger in ihrer neuen Studienserie „New realities in central banking“.
„Zentralbanken stehen vor einer großen Transformation“, sagt Adrian Weber, Partner von Roland Berger. „Dabei ist eine umfassende organisatorische Professionalisierung der Zentralbanken in den hochentwickelten Volkswirtschaften unabdingbar. Denn vor allem der Sparzwang der öffentlichen Hand, die hohen Anforderungen an Transparenz und die anhaltende Niedrigzinspolitik setzen Zentralbanken immer stärker unter Druck.“
Vier Säulen für eine erfolgreiche Transformation
Damit Zentralbanken für das Finanzsystem der Zukunft und die Einführung einer digitalen Währung gerüstet sind, sollten sie deshalb ihre Organisation weiterentwickeln. „Da jede Zentralbank historisch anders aufgestellt ist, gibt es allerdings keine Universallösung“, warnt Roland Berger-Partner Markus Strietzel. „Allerdings basiert eine erfolgreiche Transformation grundsätzlich auf vier Säulen: Reorganisation, effektive Führung, operative Effizienz und eine zukunftsorientierte Personalpolitik.“
Wichtig ist insbesondere, schlanke und effiziente Strukturen zu schaffen. Eine optimierte Führungsstruktur ermöglicht effiziente Entscheidungsprozesse; Support-Funktionen sollten so weit wie möglich zentralisiert bzw. ausgelagert werden. Die Kostenbasis aktiv zu steuern ermöglicht außerdem weitere Einsparungen; dadurch können Zentralbanken mehr Kapital in neue strategische Prioritäten reinvestieren.
In Zeiten des Kampfs um die besten Talente stehen Zentralbanken zudem im Wettbewerb mit weiteren Finanzinstituten. „Die Mitarbeiterführung und -entwicklung spielen daher bei der Umgestaltung der Organisation eine sehr wichtige Rolle“, sagt Adrian Weber. „Dabei werden auch Mitarbeiterprofile, die bislang nicht im Fokus standen, etwa in der IT, an Bedeutung gewinnen. Nur so können wichtige Innovationen in derhierarchisch strukturierten Organisation einer Zentralbank besser evaluiert, vorangetrieben und implementiert werden.“
Digitale Währungen bringen neue Hürden
Zu den Innovationen, die auch für Zentralbanken besonders relevant sind, gehört auch die Einführung einer digitalen Währung als Pendant zum Bargeld. Solche Währungen werden analog zu Banknoten und Münzen in einer digitalen Brieftasche gespeichert. „Gedruckt“ oder herausgegeben wird auch diese Währung von einer Zentralbank. „Aktuell ist es aber noch zu früh, auf eine bestimmte Technologie zu setzen, da sich gerade verschiedene Ansätze gleichzeitig entwickeln“, sagt Markus Strietzel. Während manche Anbieter auf die dezentralisierte Blockchain-Technologie setzen, haben sich andere für die Einbindung von digitalen Intermediären entschieden. „Zentralbanken müssen im Einzelfall die Stärken und Schwächen der jeweiligen Technologien prüfen und die richtige Entscheidung treffen“, so Strietzel. „Allerdings fehlt vielen Instituten noch das nötige Know-how und die Agilität, um mit dem rasanten Tempo der technologischen Entwicklungen umzugehen.“
Digitale Währungen bringen große Vorteile mit sich: Sie können die Kosten für Banknotendruck, Münzprägung, Bargeldaufbewahrung und -transport sowie Geldwäschebekämpfung deutlich reduzieren. Zudem beschleunigen sie die finanzielle Integration aufstrebender Märkte. „Wir sind davon überzeugt, dass digitale Währungen in Zukunft eine wichtige Rolle spielen werden“, sagt Adrian Weber. „Es gibt bereits erste vielversprechende Pilotprojekte und die weitere Einführung wird komplementär zum bestehenden Bargeld vorangetrieben.“ Daraus ergebe sich allerdings ein großer Handlungsbedarf für Zentralbanken: „Um diese Entwicklung des Finanzmarkts aktiv mitgestalten zu können, benötigen sie effektive Organisationsstrukturen, technische Fähigkeiten und eine große Flexibilität.“