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BofA-Umfrage: Systemische Kreditrisiken besorgniserregender als Inflation

Die Krise mittelgroßer Banken in den USA und die turbulente Rettung der Credit Suisse hat Profi-Investoren aufgeschreckt. Sie sind so pessimistisch wie seit 20 Jahren nicht mehr. Eine Rezession wird wieder wahrscheinlicher.

(Foto: Picture Alliance / newsroom / John Angelillo)

Die Krise mittelgroßer Banken in den USA und die turbulente Rettung der Credit Suisse hat Profi-Investoren aufgeschreckt. Sie sind so pessimistisch wie seit 20 Jahren nicht mehr. Eine Rezession wird wieder wahrscheinlicher.

An der Börse hat 2023 eine Menge Vorschusslorbeeren eingeheimst. Im Januar und Februar erholten sie sich die Märkte dies- und jenseits des Atlantiks in beeindruckender Geschwindigkeit von den im Jahr zuvor erlittenen Verlusten. Die Gründe dafür sind schnell ausgemacht: Eine Rezession in Europa und den USA gerade noch so abgewendet, die Energiepreiskrise gerade noch rechtzeitig in den Griff bekommen, die Null-Covid-Politik in China beendet, die Lieferketten wieder stabiler, die Inflationsraten rückläufig, die Unternehmensgewinne solide bis überzeugend. Das befürchtete Winterchaos durch einen Gasnotstand in Europa ist ausgeblieben. Die US-Wirtschaft hat sich als erstaunlich robust gegenüber den drastischen Zinserhöhungen der Fed erwiesen.

Die große Unsicherheit nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine mit all seinen Folgen wich an den Märkten folglich einem vorsichtigen Optimismus. Das reichte, um viele Aktien aus dem Keller zu holen, die angesichts der düsteren Prognosen zuvor deutlich abgerutscht waren. Einige Analysten sahen den Dax bereits auf neue Höchststände klettern.

Die Stimmung unter den Profi-Investoren hat sich gedreht

Dann rutschte die Silicon Valley Bank (SVB) in die Pleite. Seither ist klar: der Jahresauftakt lief zu rund, um wahr zu sein. Tatsächlich haben bedeutende Indizes wie Eurostoxx, S&P500 oder Dax die Turbulenzen in der Bankenbranche seither erstaunlich gut verkraftet. Der große Kursrutsch ist ausgeblieben, allenfalls der Banken- und Immobiliensektor drückte die Indizes etwas nach unten. Doch: die Stimmung unter Anlegern, Investoren, Experten und Analysten hat sich gedreht. Und das könnte auf Dauer zum Problem werden.

Die „kleine Bankenkrise“ in den USA und die Schieflage der Credit Suisse, die per Notfusion nun mit der UBS verschmelzen muss, hat die Marktteilnehmer aufgeschreckt. Dass die Notenbanken die Inflation durch steigende Zinsen schnell in den Begriff bekämen, ohne dass dies nennenswerte Auswirkungen auf Finanz- und Realwirtschaft hat, hat sich spätestens mit den jüngsten Bankenpleiten als Irrglaube erwiesen.

Und so ist es auf einmal gar nicht mehr so sehr die hohe Inflation, die Profi-Investoren umtreibt. Vielmehr sind es die da lauernden systemischen Kreditrisiken, sprich die Gefahr von Kreditausfällen oder auf der anderen Seite das steigende Risiko einer Kreditklemme, die der Beletage des Finanzsektors Sorge bereitet. Banken könnten nach den Ereignissen der letzten beiden Wochen noch vorsichtiger werden, was ihre Kreditvergabe anbelangt, auch wenn bei den Kreditnehmern die Bonität stimmt.

Umfrage: „systemisches Kreditereignis“ ist die größte Bedrohung

Konkret sahen in der am Markt viel beachteten monatlichen Umfrage der Bank of America (BofA) unter Top-Investoren 31 Prozent der Befragten ein „systemisches Kreditereignis“ als die aktuell größte Bedrohung für die Börsen. Insgesamt gaben 212 Vermögensverwalter, Banken, Versicherer, Hedgefonds und Co., die ein Gesamtvermögen von 550 Milliarden US-Dollar verwalten, im März ihre Einschätzung ab. Kreditausfallrisiken sehen die Profis vor allem bei Immobilienkonzernen, im vergleichsweise lasch regulierten Sektor der Schattenbanken und grundsätzlich bei Unternehmen mit hohen Verbindlichkeiten.
Die Stimmung ist entsprechend mies. Der ebenfalls viel beachtete BofA-Sentiment-Indikator sank im März auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren. Die befragten Investoren gaben an, dass sie ihre Anteile an Banken reduziert hätten und nun wieder mehr Cash vorhielten. Im Durchschnitt lag der Anteil der liquiden Mittel in den Portfolien im März bei 5,5 Prozent, was über dem historischen Schnitt liegt. Insgesamt liegt der Cash-Anteil nun schon den fünfzehnten Monat infolge über fünf Prozent. Letztmals war dies über einen so langen Zeitraum rundum das Platzen der Dotcom-Blase der Fall.

42 Prozent der Investoren rechnen nun wieder mit einer Rezession innerhalb der nächsten zwölf Monate. Dieser Wert ist damit fast doppelt so hoch, wie noch im Monat zuvor. Ebenfalls eine große Sorge der Investoren: die Stagflation. Das würde bedeuten, dass die Inflation relativ hoch bleibt und das Wachstum nur noch sehr niedrig ausfällt. 90 Prozent der Befragten halten dies für das erste Quartal 2024 in den USA für wahrscheinlich.

Noch ist es ruhig an den Börsen. Den Bankensektor einmal ausgenommen. Die Risiken haben aber offensichtlich zugenommen. Viel wird weiter an den Notenbanken hängen. Erhöhen Fed und EZB die Zinsen weiter und ordnen ihre Geldpolitik der Inflationsbekämpfung unter, könnte es an den Märkten noch zu bösen Überraschungen kommen.

OG

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