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Lufthansa: Nicht bereit zum Abheben

Mitten in der größten Krise ihrer Geschichte steigt der Bund teilweise aus seinem Engagement bei der Lufthansa aus. Für den Steuerzahler ist das ein gutes Geschäft. Für die Airline wird es enger.

(Bild: Hadi Khandani)

Mitten in der größten Krise ihrer Geschichte steigt der Bund teilweise aus seinem Engagement bei der Lufthansa aus. Für den Steuerzahler ist das ein gutes Geschäft. Für die Airline wird es enger.

Die Lufthansa kann sich auf ihre wichtigsten Aktionäre nicht verlassen. Nachdem im Mai überraschend die Erbinnen des verstorbenen Unternehmers und zweitgrößten Lufthansa-Großaktionärs Heinz Herrmann Thiele 33 Millionen Lufthansa-Aktien auf den Markt geworfen hatten, war in dieser Woche der größte Aktionär dran: Der Bund, der die Lufthansa in ihrer schwierigsten Phase nach Ausbruch der Pandemie finanziell gerettet hatte, begann mit einem Teilausstieg. Die Lufthansa reagierte und kündigte eine Kapitalerhöhung an. Für Aktionäre waren das alles zusammengenommen schlechte Nachrichte und die Lufthansa gehört an der Börse derzeit zu den größten Verlierern.

Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz kann sich dagegen als Gewinner bezeichnen. Die Bundesregierung hatte im vergangenen Jahr unter Federführung von Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmaier den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) gegründet, aus dem die Coronahilfen gespeist werden sollten. Nur wenige Unternehmen nahmen die Hilfen in Kauf, weil sie oft mit happigen Forderungen verbunden waren. Die Lufthansa in ihrer Not war eines dieser Unternehmen. „Vor dem Hintergrund der (...) positiven Unternehmensentwicklung“ werde der WSF seine Beteiligung von 20 Prozent um maximal ein Viertel reduzieren, teilte die Deutsche Finanzagentur nun mit. Der Bund hatte die Beteiligung als Teil einer milliardenschweren Stützungsaktion der taumelnden Fluggesellschaft im Sommer 2020 für 300 Millionen Euro erworben, was damals ein heftiger Abschlag gegenüber dem Börsenkurs war: Magere 2,65 Euro zahlte der Bund pro Aktie und wurde Hauptaktionär sowie wichtigster Miteigentümer. An der Börse ist das Paket heute bei einem Kurs von knapp neun Euro mehr als eine Milliarde Euro wert. Allein der Erlös aus dem Teilverkauf dürfte jetzt 270 Millionen Euro für den Bund bringen. Vor der Bundestagswahl ist das eine hübsche Nachricht für den Steuerzahler, die Scholz verkünden kann.

Das gute Geschäft für den Bund ist für die Lufthansa allerdings ein zweischneidiges Schwert. Zwar verliert der Bund als Miteigentümer an Einfluss, was bei der Lufthansa keine Trauer auslösen dürfte, der Aktienkurs der Airline allerdings gerät ins Wanken und die geplante Kapitalerhöhung, die dazu dienen sollte, den Staatsanteil zu minimieren, wird für Lufthansa-Chef Carsten Spohr mehr und mehr zum Himmelfahrtskommando. Entsprechend unkommentiert lässt Spohr die Aktion des Finanzministers. Theoretisch könnte der Bund jetzt eine Kapitalerhöhung mittragen, indem er den Erlös aus dem Aktienverkauf gleich wieder in neue Lufthansa-Aktien reinvestiert.

Allerdings wird sich das der Bund so, wie andere Aktionäre auch zweimal überlegen. Denn trotz eines rigiden Sparkurses ist es alles andere als eine ausgemachte Sache, dass die Lufthansa schnell wieder in die schwarzen Zahlen fliegt. Drei Gründe sprechen derzeit dagegen: Die Geschäftsreisenden, die die margenträchtige Business Class oder erste Klasse nutzen, sind noch immer nicht in Scharen zurückgekehrt. Möglicherweise hält der Trend zu Videokonferenzen auch auf Führungsebene an, und es wird sogar langfristig schwierig für die Luftfahrtgesellschaften, ihre teuren Plätze zu verkaufen. Das zweite Problem trifft die gesamte Wirtschaft, die Airlines aber besonders: Wenn die Pandemie sich im Winter erneut breitmacht, sind Flugbeschränkungen sowohl bei Geschäftsreisen wie bei touristischen Ausflügen die erste Maßnahme. Und schließlich: Die Regierung von US-Präsident Joe Biden hat vor drei Wochen den sogenannten „travel ban“, also die seit März 2020 geltenden Einreisebeschränkungen, unbefristet verlängert, obwohl auch Bundeskanzlerin Angela Merkel Mitte Juli in Washington für Lockerungen geworben hatte. Als Gründe nannte die Biden-Regierung die hochansteckende Delta-Variante und die steigenden Infektionen in den USA. Ohne das wichtige US-Fluggeschäft ist die Lufthansa jedoch weit entfernt von der Profitabilität.
Die Kapitalerhöhung, für die die Aktionäre auf der Hauptversammlung den Weg frei gemacht hatten, ist damit kein Selbstläufer. Die Aktie steht weiter unter Druck. Dies gilt angesichts der unsicheren Kantonisten unter den Anteilseignern um so mehr.

Oliver Stock

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