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Diese Chancen bietet die Cannabis-Legalisierung für Anleger

Die neue Ampelregierung plant die Legalisierung von Cannabis. Ein Milliardenmarkt entsteht. Auch Anleger können davon profitieren - bei den Aktien folgt allerdings auf wilden Rausch bittere Ernüchterung. Ein Konzern setzt besonders auf Deutschland und hat in Neumünster die erste Cannabis-Fabrik fertig.

(Bild: Shutterstock)

Die neue Ampelregierung plant die Legalisierung von Cannabis. Ein Milliardenmarkt entsteht. Auch Anleger können davon profitieren - bei den Aktien folgt allerdings auf wilden Rausch bittere Ernüchterung. Ein Konzern setzt besonders auf Deutschland und hat in Neumünster die erste Cannabis-Fabrik fertig.

„Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein“, heißt es in einem Koalitionspapier der neuen Ampelregierung. Im Klartext heißt das: Kiffen wird legal, die Legalisierung von Marihuana kommt. Die neue Bundesregierung macht damit die Tür zu einem Milliardenmarkt auf. Nach Schätzungen der Düsseldorfer Universität ist in Deutschland mit einer jährlich konsumierten Menge von 400 Tonnen Cannabis auszugehen.

Der Wettbewerbsökonom Justus Haucap erwartet daher zusätzliche Steuereinnahmen in Milliardenhöhe. Seiner Studie zufolge wird die Cannabis-Steuer alleine 1,8 Milliarden Euro einbringen. Dazu kommen 650 Millionen Euro durch die Umsatzsteuer und 526 Millionen Euro durch zusätzliches Sozialversicherungsaufkommen.

Denn, so die Berechnungen Haucaps, die dann legale Cannabis-Industrie würde 27.600 zusätzliche Vollzeit-Arbeitsplätzen schaffen. Zugleich spare der Staat Polizei- und Justizkosten, die derzeit bei der Strafverfolgung des Drogenkonsums anfielen. Haucaps Studie löst beim Deutschen Hanfverband Begeisterung aus, der deutsche Staat habe beim legalen Kiffen einen wirtschaftlichen Vorteil von 4,7 Milliarden Euro jedes Jahr.

Weltmarktführer hofft auf gute Geschäfte in Europa

Die Zahlen halten Legalisierungkritiker für übertrieben. Doch das neue Milliardengeschäft wird kommen. Vor allem der kanadische Konzern Tilray scharrt mit den Hufen. Tilray ist ein ungewöhnlicher Weltmarktführer mit mehr als 5 Milliarden Dollar Börsenkapitalisierung und 2000 Mitarbeitern Lustige Zeitgenossen nennen Tilray den „Kiffer-Konzern“, die  Selbstbeschreibung lautet: „World’s Largest Global Cannabis Company“.

Tilray verkauft Cannabis inzwischen in 20 Länder, und der Vorstandsvorsitzende Irwin Simon sieht jede Menge Wachstumsperspektive just in Deutschland. Sollte die neue Ampelregierung den Cannabis-Konsum legalisieren, würde schlagartig ein gigantischer Absatzmarkt für Tilray entstehen. Simon prophezeit: “Wir glauben, dass das Wachstumspotenzial von Tilray in der Europäischen Union eine Chance von 1 Milliarde Dollar darstellt.“

Simon hofft wie kaum ein zweiter, dass Deutschland öffnet und lässt medizinischen Cannabis bereits jetzt systematisch vertreiben. „Als größter Markt für medizinische Cannabinoide in Europa nimmt Deutschland eine besondere Rolle ein. Tilray arbeitet in Deutschland eng mit Ärzten und Apothekern zusammen und bietet ein breites Portfolio an Vollspektrum-Cannabisextrakten und Cannabisblüten an.“ Tatsächlich gibt es im schleswig-holsteinischen Neumünster sogar die erste Cannabis-Fabrik.

Und die FDP - die sich für eine Liberalisierung des Konsums offen zeigt - war bereits vor Ort. Die FDP-Bundestagsabgeordnete Christine Aschenberg-Dugnus besichtigte kürzlich die deutschlandweit erste Cannabis-Produktionsanlage und staunte nicht schlecht, dass „die erste erfolgreiche Ernte von medizinischem Cannabis für die Weitergabe an Apotheken in Deutschland“ eingefahren worden ist. Die FDP-Gesundheitspolitikerin ist begeistert und sieht sogar schon Exportchancen für deutsches Marihuana: „Es müssen Möglichkeiten geschaffen werden, Medizinalcannabis zu exportieren und auch gezielt zum Export anzubauen. Made in Germany kann auch mit Blick auf Cannabis ein Qualitätssiegel werden.“

Tilray war das erste Unternehmen, das medizinische Cannabisprodukte legal aus Nordamerika nach Europa exportierte. Nun soll die Produktion in Europa starten. Neben Neumünster hat Tilray im portugiesischen Cantanhede (unweit der Stadt Coimbra in der Landesmitte) ein großes Produktionszentrum aufgebaut. Es umfasst Freiland- und Gewächshausanbau, Forschungslabore, ein Verarbeitungs-, Verpackungs- und Vertriebszentrum für medizinische Cannabispräparate. Tilray hofft gleich in mehreren europäischen Ländern auf einen Durchbruch. So hat Luxemburg Tilray nun zum offiziellen Lieferanten von zertifizierten medizinischen Produkten für das medizinische Cannabisprogramm des Landes ausgewählt.

„Cannabis-Aktien sind beliebte Spielbälle der Zockerszene“

Die Aktien von Tilray sind allerdings nichts fürs schwache Nerven. Der Kurs pendelt derzeit um die Marke von 10 Euro, doch im Februar war er schon mal in einer Spekulationswelle auf 45 Euro emporschnellt. Auch die Aktie von Canopy Growth hat manchen Spekulanten schon enttäuscht. Sie ist seit ihrem Hoch von 42,50 Euro auf nunmehr 10,50 Euro abgerutscht. Seit neun Monaten geht es mit den Cannabis-Aktien tendentiell bergab. Jazz Pharmaceuticals sind seit ihrem Hoch von 155,90 Euro im Juli nun auf 115 Euro abgesackt. Und auch Green Thumb Industries ist von 31,40 Euro im Februar auf nunmehr 20 Euro runter.

Angetrieben wurde im vergangene Winter die Kursrallye der Cannabis-Aktien nicht nur von übertriebenen Hoffnungen auf weitere Legalisierungen, sondern auch von Spekulationsschüben, insbesondere von Nutzern des Internet-Portals Reddit. Cannabis-Aktien sind beliebte Spielbälle der Zockerszene. Für konservative Anleger ist die Sache sicher zu heikel, schon weil belastbare Ertragsperspektiven nicht zu erwarten sind. Dazu ist die politische Regulierung des Marktes zu labil. Doch der Konsumtrend sei gewaltig, entgegen die Kiffer-Aktien-Optimisten.

Auf die Frage eines amerikanischen Journalisten „Wie kann den ein netter jüdischer Junge ins globale Cannabis-Geschäft geraten?“ antwortet der Tilray-Chef Simon, dass er sein Leben lang Konsumtrends gewittert habe. Schon als Student der Soziologie habe er an seine Kommilitonen das damals populäre Moosehead-Bier verkauft. Als junger Mann habe er die Eiscreme-Mode von Häagen-Dazs nach New York getragen und jede Menge Eis verkauft. Nach den Dickmachern kamen Sport- und Abnehmdrinks in Mode, also verkaufte er Slim-Fast. Als Bio-Essen populär wurde, setzte er auf Öko-Lebensmittel. Irgendwann kaufte er für 200.000 Dollar mehrere Lebensmittelmarken - darunter ein koscheres Tiefkühlkostunternehmen namens Kineret - und brachte das Unternehmen 1993 an die Börse.

Die Risiken sind hoch

Sein Konglomerat an Bio-Lebensmittelmarken nannte er schließlich Hain Celestial Group und sicherte sich wichtige Partnerschaften mit Lebensmittel- und Getränkeriesen wie Heinz Co. und Hutchison Whampoa. Seine Wette, dass die Menschen bereit sind, für gesündere, natürlichere Produkte einen höheren Preis zu zahlen, zahlte sich aus.

Ein Milliardenkonzern entstand, und Simon handelte nunmehr mit ganzen Unternehmen, mehr als 60 Übernahmen wagte er, nicht alles klappte. Hain Celestial geriet in negative Schlagzeilen, die Aktie brach ein, ein Machtkampf mit Investoren folgte, die US-Börsenaufsichtsbehörde (SEC) begann peinliche Ermittlungen. „Es waren harte, harte Nächte, und wir wurden auf jede erdenkliche Weise persönlich angegriffen“, erzählt er heute.

Nach dem Tiefschlag gelingt ihm nun mit Cannabis das spektakuläre Comeback. Es wittert wieder einen globalen Megatrend und will Weltmarktführer werden. Doch die Risiken sind auch hier hoch, seine Nächte dürften kaum gemütlicher werden.

Wolfram Weimer

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