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Benzinpreise, Lieferketten, Gas: Putin marschiert in Ukraine ein - das sind die 4 Folgen

Die Krise zwischen Russland und dem Westen hat unmittelbare Folgen für uns alle: Der Benzinpreis sprengt die Zwei-Euro-Grenze, Anleger gehen in Deckung, Unternehmen machen sich Sorgen um Lieferanten und Produktion, und Touristen kommen nicht mehr so einfach vom Fleck.

(Bild: Shutterstock)

Die Krise zwischen Russland und dem Westen hat unmittelbare Folgen für uns alle: Der Benzinpreis sprengt die Zwei-Euro-Grenze, Anleger gehen in Deckung, Unternehmen machen sich Sorgen um Lieferanten und Produktion, und Touristen kommen nicht mehr so einfach vom Fleck.

Strafaktionen gegen Wladimir Putin und Russland werden für den Westen teuer. Darauf stimmt US-Präsident Joe Biden seine westlichen Verbündeten ein. „Die Verteidigung der Freiheit wird auch für uns und hier zu Hause Kosten verursachen“, sagte er. „Da müssen wir ehrlich sein.“ Deutschland ist aus mehreren Gründen besonders betroffen: Es steckt mitten in einer Energiewende, es hat mit seiner Chemieindustrie, seiner Stahlverarbeitung, mit dem Automobil- und Maschinenbau besonders energieintensive Branchen. Und: Die Deutschen legen mit durchschnittlich mehr als 11.000 Kilometern im Jahr mehr Wege mit dem Auto zurück, als die Bewohner anderer Länder. Hohe Spritkosten schlagen also bei vielen deutlich zu Buche.

Unterm Strich sind es vier Punkte, die die Menschen hierzulande bei einem langanhaltenden Krieg in der Ukraine und entsprechenden Strafmaßnahmen treffen werden:

Erstens: Energiepreise explodieren

Russland ist weltweit einer der führenden Öl- und Erdgasproduzenten, die Welt, so sehen es beispielsweise die US-Kommentatoren des Sender CNN, „ist süchtig nach seinen Exporten“. Tatsächlich hängt die Europäische Union mit mehr als einem Drittel ihres Erdgases von Russland ab. Deutschland bezieht sogar mehr als die Hälfte seines Erdgases aus Russland. Deshalb ist der Schritt, die Genehmigung des Betriebs von Nord Stream 2 auf Eis zu legen, dramatisch.

Aber es führt kein Weg daran vorbei: Der effektivste Weg, Russland mit Sanktionen zu belegen, besteht darin, seine Öl- und Erdgaslieferungen in den Westen inklusive den USA abzuschneiden. Das allerdings wird höhere Preise auslösen, die Privatkunden und die Industrie bezahlen müssen. Russlands Ex-Präsident Dmitri Medvedev schürt entsprechende Ängste. Bei Twitter schrieb der Putin-Vertraute: „Herzlich willkommen in einer neuen Welt, wo die Europäer bald schon 2000 Euro pro 1000 Kubikmeter Gas zahlen.“

Schon jetzt befinden sich die Preise für Öl und Gas auf einem mehrjährigen Höchststand und dienen als Haupttreiber der Inflation. Die Inflation ihrerseits setzt die führenden Politiker des Westens zunehmend unter Druck. „US-Präsident Joe Biden muss sich Sorgen um seine inländischen Umfragen machen, die nichts Gutes für die Wahlsaison bedeuten, und die Führer in Europa haben auch ihre eigenen innenpolitischen Zwänge“, kommentiert der politische Kopf von CNN, Josh Rogin. „Am Ende begrenzt das die Bandbreite der Handlungsspielräume, die die Verbündeten als Reaktion auf Putins Aggression ergreifen können. Natürlich weiß Putin das. Das ist eine Realität der Demokratien, und es ist ein Vorteil für Putin, den er sicher ausnutzen wird." Dazu kommt: Russland ist Mitglied der Opec Plus, das heißt, das Land stimmt sich mit den arabischen Ölförderstaaten ab. Bisher hält diese Allianz. Die anderen Opec-Staaten springen nicht ein und erhöhen ihre Liefermenge, weil Russland sanktionsbedingt ausfällt. Was diese Einigkeit bewirkt, kann jeder ablesen, der zur Tankstelle fährt: Der Preis für Super-Benzin sprengt die zwei Euro-Grenze.

Zweitens: Anleger gehen in Deckung

Der Crash am Aktienmarkt ist ausgeblieben, der Dax tendiert zwar seit einem halben Jahr Monat für Monat schwächer, unterm Strich bleibt es aber noch ruhig an der Börse. Warum? „Die bisher beschlossenen Sanktionen des Westens gegen Russland führen nicht zu einer Beeinträchtigung der Energielieferungen „, kommentierte Carsten Fritsch, Rohstoffexperte bei der Commerzbank. Rasant steigende Preise in Folge der Ukrainekrise und die nicht ausgestandene Pandemie rauben den Verbrauchern und Anlegern aber die langfristige Zuversicht. Das Barometer der Nürnberger GfK-Marktforscher fürs Konsumklima signalisiert für März einen Rückgang, nachdem sich die Stimmung zuvor gebessert hatte. Auch hier belasten Inflationssorgen. „Vor allem die Erwartungen auf eine deutliche Entspannung bei der Preisentwicklung zu Jahresbeginn haben sich vorerst zerschlagen“, erklärte GfK-Experte Rolf Bürkl.

Die Inflation, durch hohe Energiepreise im Ukraine-Krieg angeheizt, bringt die sich sträubende Europäische Zentralbank in Zugzwang. EZB-Ratsmitglied Robert Holzmann kann sich angesichts der hohen Inflation nun doch zwei Zinserhöhungen in diesem Jahr vorstellen. „Mir würden zwei Zinsschritte bis Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres gefallen“, sagt der österreichische Notenbanker. Das dürfte den Aktienmarkt belasten. Steigende Zinsen haben meistens zur Folge, dass Anleger ihr Geld umschichten und raus aus Aktien gehen.

Einzelwerte gehen jetzt schon in die Knie. So verlor beispielsweise das Papier von Uniper, einer Abspaltung von EON, deutlich, als Kanzler Olaf Scholz den vorläufigen Ausstieg Deutschlands aus Nord Stream 2 verkündete. Uniper sollte zu den Betreibern der Pipeline gehören. Die Aktie des Handelsriesen Metro gibt ebenfalls seit Tagen nach. Metro hat ein großes Russland- und Ukraine-Geschäft. Keiner weiß, wie der Düsseldorfer Handelskonzern dieses Geschäft unter den Bedingungen eines Sanktionsregimes weiterführen soll. „Wir setzen stark auf diplomatische Bemühungen aller Seiten, um eine weitere Eskalation abzuwenden", sagt ein Sprecher. „Unsere Verantwortung als Unternehmen in Russland liegt vor allem bei unseren rund 10.000 Mitarbeitern und 2,5 Millionen Kunden", betont er. Metro hatte im vergangenen Geschäftsjahr in Russland mit 93 Märkten einen Umsatz von rund 2,4 Milliarden Euro eingefahren. Der Konzern beschafft dort seine Lebensmittel vor allem aus heimischer Produktion. In der Ukraine betreibt Metro 26 Märkte und kam dort zuletzt auf rund 800 Millionen Euro Umsatz.

Drittens: Unternehmen leiden

Den Einmarsch Russlands in die Ukraine betrachten deutsche Unternehmen mit großer Sorge. Sie sehen darin eine wachsende Gefahr für das eigene Geschäft. Viele der Firmen aus dem Beschaffungssektor erkennen die kritische Lage und treffen entsprechende Vorbereitungen, um den Schaden so niedrig wie möglich zu halten. „Eine aktuelle Mitglieder-Umfrage hat uns angesichts der zu erwartenden negativen Auswirkungen auf die internationalen Lieferketten und Beschaffungsprozesse ein genaues Stimmungsbild geliefert“, heißt es vom Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik nach einer entsprechenden Blitzumfrage.

Fast die Hälfte der Befragten schätzen die gegenwärtige Situation als hochbrisant ein. Das gilt insbesondere bei einer militärischen Auseinandersetzung zwischen beiden Konfliktparteien. Im Falle westlicher Sanktionen sehen rund 30 Prozent in der Beschränkung von Handelswegen direkte Auswirkungen auf ihren Geschäftsbetrieb. Mehr als 90 Prozent der Unternehmen erwarten deutlich höhere Einkaufspreise, die den Inflationsdruck weiter erhöhen.

Pessimistisch bewertet der Chef des Energieversorgers Eon, Leonhard Birnbaum, die Kriegsfolgen. Er warnt vor Konsequenzen für die gesamte deutsche Industrie. Wegen Engpässen bei der Energieversorgung müssten „einige Betriebe, Stand heute, von der Versorgung abgeschaltet werden.“ Zwar wären die akuten Auswirkungen nicht so drastisch, weil das Ende der Heizperiode fast erreicht sei. „Aber im nächsten Winter könnte die Energiewirtschaft wahrscheinlich eine Reihe von Industriekunden nicht mehr ohne Weiteres versorgen.“

Viertens: Touristen bleiben am Boden

Deutschlands größte Airline, die Lufthansa, setzt seit Montag die Flüge von und nach Kiew sowie nach Odessa am ukrainischen Schwarzmeer aus. Auch Interkontinentalverbindungen sind betroffen. Für Strecken etwa nach Asien nutzen viele Jets nun Routen nördlich oder südlich der Ukraine. „Überflüge finden grundsätzlich nicht statt“, teilt die Lufthansa mit. Das gelte auch für den Luftraum über Belarus. Die deutsche Airline ist nicht die einzige: Der Himmel über der Ukraine leert sich, wie bei Flugplattform Flightradar24 abzulesen ist. Es sind fast nur noch Linienflugzeuge unterwegs, die an einem ukrainischen Flughafen starten oder landen. „Ein Krieg würde erhebliche Flugeinschränkungen mit sich bringen“, sagt Michael Trinkwalder, Travel Security Analyst des Sicherheitsanbieters A3M, der sich auf Krisenfrühwarnung spezialisiert hat, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Airlines würden bei einem weitreichenderen Angriff Russlands auf die Ukraine nicht nur dieses Land, sondern wahrscheinlich auch umliegende Grenzgebiete umfliegen.

„Niemand will den nächsten MH17 haben“, sagt Trinkwalder mit Blick auf das Flugzeugunglück aus dem Jahr 2014. Der Malaysia-Airlines-Flug 17 war auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur über dem umkämpften Gebiet in der Ostukraine abgeschossen worden, alle Insassen wurden getötet. Seither meiden Airlines diesen Luftraum.

Mögliche harte Sanktionen seitens Russlands könnten sogar zur Beeinträchtigung des Flugverkehrs Richtung Ostasien führen. Die geografisch günstigste Flugroute zu Zielen wie Japan, China und Südkorea führt nämlich über Russland und Sibirien. „Sollte sich eine Sanktionsspirale in Gang setzen, lässt sich nicht ausschließen, dass Russland europäischen Airlines die Überflugrechte entziehen könnte“, so Trinkwalder. Dazu kommt: Der hohe Ölpreis macht auch Flugbenzin teuer. Wer nicht rechtzeitig zu günstigeren Preisen eingekauft hat, muss nun mehr bezahlen. Flugtickets werden damit teurer.

Oliver Stock

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