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Warum Buffett mit dem Einstieg zögert

Der weltbekannteste Börseninvestor misstraut der raschen Börsenerholung, verkauft große Engagements und zögert mit dem Neueinstieg. Er hortet lieber 137 Milliarden Dollar Cash. Viele werten das als ein Warnsignal, dass ein zweiter Börsenrückschlag droht.

Eine globale Kultfigur der Börsenwelt: Warren Buffet

Der weltbekannteste Börseninvestor misstraut der raschen Börsenerholung, verkauft große Engagements und zögert mit dem Neueinstieg. Er hortet lieber 137 Milliarden Dollar Cash. Viele werten das als ein Warnsignal, dass ein zweiter Börsenrückschlag droht.

Von Wolfram Weimer

Warren Buffetts Barreserven liegen jetzt bei sagenhaften 137 Milliarden Dollar. Das ist so viel wie das Bruttosozialprodukt der 50 ärmsten Staaten der Welt zusammengenommen – und es liegt einfach so “cash” auf dem Konto seiner Investmentfirma Berkshire Hathaway. Dabei ist Buffett einer der größten und einflussreichsten Aktieninvestoren der Welt und berühmt für seinen Spruch “Cash never makes happy”. Nur in Corona-Zeiten will er einfach keine Aktien kaufen. Im Gegenteil, er verkauft immer weiter, obwohl rund um den Erdball zusehends Börsenanleger wieder zugreifen bei Aktien und auf einen Erholungsaufschwung nach der Pandemie setzen.

Da Buffett eine globale Kultfigur der Börsenwelt ist, wird sein Verhalten von Millionen Anlegern genau beobachtet. Wenn einer wie er mit einem zweiten Kurseinbruch an den Weltbörsen rechnet und jetzt noch nicht zugreift, dann gilt das als Warnsignal. Denn Buffett lag in den vergangenen Jahrzehnten regelmäßig richtig mit seinen strategischen Anlageentscheidungen. So kaufte er – auch damals gegen den Mainstream – inmitten der panischen Finanzkrise 2008 große Aktienpakete von Banken – so etwa für 5 Milliarden Dollar eine Beteiligung an Goldman Sachs. Es wurde ein gewaltiges Geschäft.

Doch nun macht der Starinvestor das Gegenteil. Anstatt die scheinbar günstige Gelegenheit des Corona-Crashs zu nutzen, will er nur weiter raus aus dem Markt. Neben Goldman Sachs hat er im ersten Quartal auch seine Anteile an allen Fluglinien auf null gefahren – genauso hat er seine Beteiligung an der US-Großbank JP Morgan Chase, an Wells Fargo und dem weltweit größten Online-Händler Amazon verringert. Vom Versicherer Travelers und vom drittgrößten US-Ölproduzenten ConocoPhillips hat er sich ganz getrennt. Dass sich Buffett so massiv von Banken zurückzieht, gilt als Misstrauensvotum gegenüber der Finanzbranche und dem gesamten Aktienmarkt. War es doch der Multimilliardär, der in der Finanzkrise 2008 die Investmentbank vor dem Zusammenbruch gerettet hatte.

Die Erholung am Markt – eine Bullenfalle?

Das extrem defensive Anlageverhalten Buffetts kann kluges Abwarten sein – es kann aber auch das Verpassen einer großen Chance bedeuten. Jedenfalls erwartet Buffett eine schwere Rezession mit unabsehbaren Verwerfungen. Manche Analysten stimmen ihm zu: Die aktuelle Erholung an den Aktienmärkten sei ein verfrühter Comebackversuch, eine klassische Bullenfalle. Buffett wisse mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung, dass man viele Aktien in den kommenden Monaten noch günstiger bekommen werde als derzeit. Womöglich befürchtet er auch eine zweite Infektionswelle der Pandemie im Herbst und also einen Doppelcrash. Kurzum: Buffett ist jetzt der Ober-Bär der Weltbörsen.

Tatsächlich hat die Börsenlegende schon vor Ausbruch der Pandemie einen außergewöhnlich hohen Cashbestand gehalten – er erwartete nach den langen Jahren des Aufschwungs ohnedies einen Rückschlag. Und den hält er nun nach nur acht Wochen offenbar noch nicht für ausgestanden. Seine Mahnung dazu lautet: “Erst wenn die Flut sich zurückzieht, wirst Du sehen, wer nackt schwimmt.”

Es könnte aber auch sein – so entgegnen die Börsenoptimisten – dass Buffett erstmals richtig falsch liegt. Er sei mit seinen 89 Jahren (sein legendärer Geschäftspartner Charlie Munger ist sogar 96) einfach zu altmodisch geworden und mache zusehends Fehler. Tatsächlich meldet Berkshire Hathaway für das erste Quartal einen atemberaubenden Rekordverlust von 50 Milliarden Dollar. Berkshire Hathaway ist an rund 90 Firmen beteiligt. Dazu gehören Anteile klassischer Konzerne wie Coca-Cola und dem Ketchup-Hersteller Kraft Heinz. Dagegen habe Buffett den Tech-Boom der vergangenen beiden Jahrzehnt fast verschlafen. Anstatt Google und Facebook habe er lieber Airlines gekauft – und die seien nun in der Coronakrise zum Desaster geworden.

Buffett verkauft mit hohen Verlusten

Fluggesellschaften wie Delta Air Lines, United Airlines, Southwest Airlines und American Airlines waren umfangreicher Bestandteil von Buffetts Portfolio. Delta und Southwest gehörten Anfang des Jahres noch zu seinen zehn größten Beteiligungen. Doch davon ist nichts geblieben. Die Anteile wurden ebenfalls komplett veräußert, und zwar mit hohen Verlusten von geschätzten zwei Milliarden Dollar.

Und so steht Buffett derzeit mit jedem Tag weiter steigender Aktienkurse da wie der große alte Mann, dessen Zeit vorbei zu sein scheint, und der die Börsenwelt nicht mehr richtig versteht. “Wir sehen nichts besonders Attraktives”, erklärte er trotzig auf der Hauptversammlung. Dabei wären fast alle Aktien vor sechs Wochen – aus heutiger Sicht – sehr attraktiv gewesen.

Doch Buffett hat eine strategisch fundierte Meinung und warnt: Die Folgen der Pandemie seien schlichtweg unabsehbar. Es werde noch Disruptionen geben. Er vergleicht die Krise mit anderen schlimmen Katastrophen wie der Großen Depression, Kriegen, den Attentaten vom 11. September 2001 – Amerika habe letztlich alles gemeistert, dies werde auch diesmal passieren. Nichts könne Amerika aufhalten. “Wetten Sie niemals gegen Amerika”, ruft der alte Börsenfuchs trotzig. Doch die lukrative Wette für Amerika und seine Aktien braucht aus seiner Sicht noch ein Weilchen. So lauert er also mit seinen 137 Milliarden und wird zuschlagen, sobald der zweite Kursrutsch da ist.

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