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Der Zins kommt zurück. Bei Sparkassen, Volksbanken und Co. allerdings erst später

Die Märkte drehen sich: Die Zentralbanken heben reihenweise die Leitzinsen an. Auf den Konten der Bankkunden kommt das noch nicht an. Noch immer kassieren mehr als 450 Banken Strafzinsen für Guthaben. Besonders ärgerlich: Sowohl die öffentlich-rechtlichen Sparkassen wie auch die genossenschaftlichen Volksbanken wollen noch abwarten.

(Bild: Shutterstock)

Die Märkte drehen sich: Die Zentralbanken heben reihenweise die Leitzinsen an. Auf den Konten der Bankkunden kommt das noch nicht an. Noch immer kassieren mehr als 450 Banken Strafzinsen für Guthaben. Besonders ärgerlich: Sowohl die öffentlich-rechtlichen Sparkassen wie auch die genossenschaftlichen Volksbanken wollen noch abwarten.

Guthaben auf der Bank und dafür Strafe zahlen? Diese ungewohnte Manier hat die Mehrheit von Deutschlands Bankkunden in den vergangenen zwei Jahren hinnehmen müssen. Der Grund: Die Banken wurden selbst von der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Kasse gebeten, wenn sie das Geld ihrer Kunden dort parkten. Die EZB erhob sogenannte Negativzinsen, weil sie alles dafür tat, dass Geld nicht gehortet, sondern ausgegeben wird. Das sollte die Wirtschaft in Schwung halten.

Doch damit ist nun Schluss. Der Kreislauf dreht sich um. Weil mit dem billigen Geld nicht zuletzt die Inflation in Schwung geraten ist, müssen die Zentralbanken handeln. Von den USA über England bis Australien haben die Nationalbanken bereits die Zinsen angehoben. Die EZB zögert noch, es sieht aber danach aus, als würde auch sie bei einer ihrer nächsten Sitzungen eine Zinserhöhung beschließen und so zumindest den Versuch unternehmen, die Inflation einzudämmen. So ein Entschluss könnte bei den Bankkunden ankommen. Zunächst müssten dann die sogenannten „Verwahrentgelte“ für Guthaben wegfallen. Anschließend dürften sogar auch wieder Zinsen auf Guthaben zum Standard werden.

Während letzteres allerdings noch Zukunftsmusik ist, unternehmen die ersten Banken immerhin schon den ersten Schritt. So hat die Direktbank ING ihren deutschen Kunden mitgeteilt, dass die Freibeträge für Guthaben auf Giro- und Tagesgeldkonten von derzeit 50.000 auf 500.000 Euro pro Konto steigen. Bis zu dieser Höhe fällt kein Negativzins mehr an. Oliver Maier, Geschäftsführer des Vergleichsportals Verivox hält das für mehr als einen Marketingschritt: „Die Verzehnfachung des Freibetrags bei der ING ist ein deutliches Signal in die gesamte Branche. Davon könnten mittelbar auch Bankkunden profitieren, die kein Konto bei der Direktbank haben. Wenn große Häuser ihre Konditionen verbessern, steigt automatisch der Druck auf die Wettbewerber, ebenfalls aktiv zu werden. Darum ist es gut möglich, dass in den nächsten Tagen und Wochen weitere Banken nachziehen und ebenfalls die Freibeträge anheben.“ Tatsächlich hat mit der Oldenburgischen Landesbank bereits eine weitere Bank den Schritt unternommen, den Freibetrag auf eine halbe Millionen Euro zu erhöhen.

Ein großer Teil der Banken allerdings hat das Ohr weniger am Markt oder wartet schlicht ab, bis auch die EZB eine Entscheidung getroffen hat. Mehr als 450 Geldhäuser zähltdas Vergleichsportal auf, die noch Negativzinsen auch für geringere Guthaben berechnen. Die Zahl ist damit allein in diesem Jahr, in dem sich Zinserhöhungen bereits seit Monaten abzeichnen, noch einmal um rund fünf Prozent gestiegen. So sind die großen Privatbanken in Deutschland zurückhaltend. Die Deutsche Bank, die seit Mitte Mai 2020 im Privatkundengeschäft Verwahrentgelte verlangt, erklärt, sie warte auf die EZB. Wenn die „den Satz der Einlagenfazilität ändert, werden wir im Privatkundengeschäft das Entgelt kurzfristig anpassen“. Auch die teilstaatliche Commerzbank möchte auf das Zubrot, das ihr aus den Negativzinsen erwächst, noch nicht verzichten: „Wir schauen uns die Entwicklung genau an und werden reagieren, wenn sich die steigenden Zinsen als nachhaltig erweisen."

„Abwarten“ heißt auch die Devise bei den meisten öffentlich-rechtlichen Sparkassen und den genossenschaftlichen Volksbanken. Der Sparkassen- und Giroverband (DSGV) erklärt, der Markt werde auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren. Wann und in welcher Form würden die Institute vor Ort entscheiden. Eine der größten Banken im Verbund, die Hamburger Sparkasse, erklärt auf Anfrage: Wenn die EZB die Zinsen anhebe, passiere das auch bei ihr. Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) verweist darauf, dass jedes Institut über Produkte und Konditionen selbst entscheide. Viele haben sich allerdings noch nicht entschieden. Von den mehr als 450 Banken mit Verwahrentgelten gehören rund zwei Drittel zum öffentlichen oder genossenschaftlichen Bankenlager - wobei beide Verbünde zusammen auch die allermeisten selbständigen Banken in Deutschland betreiben, was diese hohe Zahl neben einer gewissen Ausdauer, die nicht im Sinne der Kunden ist, ebenfalls erklärt.

Oliver Stock

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