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Alles, was schwimmt, wird gebraucht: Maersk auf Höhenflug

Wenn Logistik in aller Munde ist, kann das durchaus bedeuten, dass der Kühlschrank halb leer bleibt. Dann stellt sich die Frage: Können Logistiker auch Eigen-Logistik? Also jenseits des Üblichen, heißt das.

(Quelle: Marinetraffic)

Wenn Logistik in aller Munde ist, kann das durchaus bedeuten, dass der Kühlschrank halb leer bleibt. Dann stellt sich die Frage: Können Logistiker auch Eigen-Logistik? Also jenseits des Üblichen, heißt das. 

Von Reinhard Schlieker

Viele können es offensichtlich, und es bleibt kaum anderes übrig: Wo die berühmten Lieferketten gespannt, teils gebrochen sind, lassen sich Reedereien eben etwas einfallen, und das grenzt manchmal an Jonglage. Die Börse honoriert solche Aus- und Umwege, wie man dieser Tage sehr gut an der Aktie des Großreeders und Containerriesen Maersk besichtigen kann. Die Schlussfolgerung, angesichts von derzeit an die 2.000 Schiffen allein im Hafen der Lockdown-Region Schanghai, und rund vierhundert weiteren, die auf Einfahrt warten, könnte man Übles befürchten für die Einkommenslage der Großschiffer.
 
Containerschiffe, die inzwischen bis zu 24.000 20-Fuß-Container laden können, kosten auf ihrem nassen Parkplatz Unsummen täglich. Von den negativen Auswirkungen auf den Warenfluss ganz zu schweigen. Wer da aufgrund schierer Marktgröße umdisponieren kann, ist natürlich gegenüber kleineren Wettbewerbern im Vorteil. Auch die gegenwärtig angenommene Zahl von zehn Prozent der weltweit existierenden Containerschiffe, die unbeweglich festliegen, kann Eignern mit zahlreichen Transportkapazitäten weniger anhaben als kleineren.
 
Was sich allerdings bewegt, sind die Frachtraten und Containerpreise, und zwar drastisch. Als Spiegel der wirtschaftlichen Aktivität kostet der Transport eines Containers von China nach Europa derzeit rund 14.000 US-Dollar, in der Gegenrichtung einen Bruchteil davon. Insgesamt aber sind die Frachtraten im Laufe eines Jahres um 70 Prozent gestiegen – wer Bausteine für die Inflation sucht, wird hier erst einmal fündig. Es droht ein wahrer Angebotsschock auf den Märkten der Industrieländer.
 
Diese Knappheiten im Schiffsverkehr allerdings haben unlängst die dänische Moeller-Maersk zu euphorischen Prognosen hingerissen. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibung soll 2022 statt 24 nun 30 Milliarden Dollar betragen. Das erste Quartal, wie in Kopenhagen berichtet, brachte schon ein EBITDA von 9,2 Milliarden. Entsprechend reagierten die Aktienmärkte. Maersk-Papiere sprangen auf mehr als 2.700 Euro, wobei dies noch nicht einmal ein Kursrekord ist (der lag im Januar bei mehr als 3.100).
 
Dampfschiffkapitän Peter Maersk Moeller, der das sicher nicht vorhersehen konnte, begann 1904 mit seinem gebrauchten Erstschiff in Svendborg mit kleinem Einsatz. Von da dauerte es knapp 60 Jahre bis zum ersten Containerschiff; nach weiteren 60 Jahren ist die Reederei längst der größte Transporteur der Welt und beschäftigt 89.000 Leute. Zu Maersk gehört seit 2006 die Royal P&O Nedlloyd und seit 2017 auch die Reederei Hamburg Süd.
 
Die Flut hebt bekanntlich alle Boote, und so muss sich der Kursverlauf des Konkurrenten Hapag-Lloyd ebenso wenig verstecken wie der des chinesischen Giganten Cosco, wobei letztere durch die Lockdowns im Herkunftsland eher gedämpfte Erfolge zeigen. Hapag-Lloyd hingegen meldeten kurz vor dem Wochenende, dass sie ebenfalls ihre Jahresprognose anheben: 2022 soll bis zu 13,6 Milliarden Euro EBIT einbringen. Bei stagnierenden Transportzahlen schlagen hier ebenfalls die stark gestiegenen Frachtraten zu Buche. Die Aktie wird momentan um die 350 Euro gehandelt – der Höhenflug begann hier im März, ausgehend von rund 250 Euro, das Allzeithoch gab es Ende März bei 362.
 
Anleger sollten sich allerdings auf mitunter böigen Gegenwind einstellen. Noch 2020 herrschte Heulen und Zähneklappern in der Branche, Hapag-Lloyd waren für ein Zehntel des heutigen Aktienpreises zu haben, Maersk für gut ein Viertel (680 Euro). Tempi passati: Man ist versucht, trotz des sicher branchenunüblichen Vergleichstieres von einem eigenen Schweinezyklus zu sprechen: 2019/2020 waren die Reeder mit niedrigen Frachtraten, geringer Auslastung und stagnierender Auftragslage geschlagen. Die Klagen der Werften und Container-Leasingfirmen schallten über die Weltmeere. Die allzu großzügig ausgebauten Kapazitäten forderten ihre Opfer in Form von Stillegungen und Stornierungen. Weitsicht ist in diesem Gewerbe eben teuer – heute wird alles ausgemottet, was einen Kiel hat und sich schippern lässt. Von daher wird dem Aktionär mitunter Langmut abverlangt. Dafür geht es in der Regel nicht ganz so hektisch zu wie im Technologiesektor, Dividenden gibt es auch, und die Ebbe bleibt nie für ewig.

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