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Hilfe, ich werde gebraucht!

Heute ist die Sachlage insofern anders, als nicht nur jedem ein Platz offenstünde, sondern vermutlich auch deren eineinhalb oder so ähnlich. Der Geburtenrückgang trifft auf den Aufschwung - und der schon heute beklagte Fachkräftemangel wird sich verschärfen, wenn die Betriebe nicht gegensteuern und verstärkt ausbilden. Konkurrenz einmal andersherum: Die Schüler können wählen.

BÖRSE am Sonntag

Heute ist die Sachlage insofern anders, als nicht nur jedem ein Platz offenstünde, sondern vermutlich auch deren eineinhalb oder so ähnlich. Der Geburtenrückgang trifft auf den Aufschwung - und der schon heute beklagte Fachkräftemangel wird sich verschärfen, wenn die Betriebe nicht gegensteuern und verstärkt ausbilden. Konkurrenz einmal andersherum: Die Schüler können wählen.

Das hat zum einen die missliche Folge, dass vermeintlich attraktive Arbeitgeber schnell ausgebucht sind, und mancher womöglich zu BMW oder Bosch geht, weil er es sich leisten kann, und nicht, weil dort sein Traumjob gelehrt wird (so wie manch einer sich früher fast schon verpflichtet fühlte, Medizin zu studieren, weil der Notenschnitt es eben hergab). Das ist aber nur ein Randproblem. Viel bedeutsamer wird heute, dass das Attribut „ausbildungsfähig“ seine Sprengkraft nicht verloren hat. Die Klagen der Betriebe über nicht hinreichend vorgebildete Bewerber werden sogar noch lauter, und seit den PISA-Studien mag man ihnen ihre Berechtigung nicht absprechen.

Es wird, so ist anzunehmen, künftig ein Teil der Schularbeiten im wahrsten Sinne des Wortes in den Werkstätten und Büros erledigt werden müssen. Schon jetzt greifen Unternehmer zu eigenen Mathematik- und Rechtschreibkursen, um ihren Nachwuchs auf den Stand des Notwendigen zu bringen. Wenn es die Schulverwaltung auch klammheimlich freuen mag, dass man seine Sorgen einfach verlagern kann, es sollte ihr dennoch die Schamröte ins Gesicht treiben. Denn der Schaden ist immens, wenn es nicht gelingt, auch künftig die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu erhalten – und das geht hierzulande nur mit Bildung und Ausbildung, und diese Worte müssten endlich mal aus den Sonntagsreden heraus und hinein in den Alltag.

Denn auch mit Zuwanderung wäre das sich abzeichnende Problem nicht zu lösen. Firmenkultur, Mitarbeiterbindung, soziale Kompetenz lassen sich nur bedingt importieren. Viele Betriebe, vor allem die entscheidenden kleineren Familienunternehmen, sind auf langjährige Betriebszugehörigkeit ihrer Leute angewiesen. Deren Problem lösen befristete Zuwanderungsregelungen nicht. Großunternehmen mit internationaler Präsenz denken da natürlich anders.

Schließlich könnte auch die Arbeitsverwaltung noch dazulernen. Solange junge Leute noch in sogenannten „Maßnahmen“ mehr geparkt als beschäftigt sind, besteht ein Potenzial zur Qualifizierung, und zwar in Zusammenarbeit mit den Unternehmen, nicht in virtuellen Parallelbetrieben. Wenn es da insgesamt Fortschritte gibt, bleiben am Ende nur wenige, die da sagen würden: „Hilfe, ich werde gebraucht – nichts wie weg“.