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Wie man Märkte zerstört

Das Thema „Wohnen“ ist naturgemäß heftig aufgeladen mit Emotion und Eifer – eines der Grundbedürfnisse des Menschen und ein Kostenfaktor, der kaum zu vermeiden ist. Sobald Mieter mehr als 40 Prozent des verfügbaren Einkommens für die Zahlung der Miete ausgeben müssen, macht sich Unruhe breit.

BÖRSE am Sonntag

Das Thema „Wohnen“ ist naturgemäß heftig aufgeladen mit Emotion und Eifer – eines der Grundbedürfnisse des Menschen und ein Kostenfaktor, der kaum zu vermeiden ist. Sobald Mieter mehr als 40 Prozent des verfügbaren Einkommens für die Zahlung der Miete ausgeben müssen, macht sich Unruhe breit.

Von Reinhard Schlieker

In den bekannten Zentren des Landes, sei es nun München oder Hamburg, Berlin oder das Rhein-Main-Gebiet, sind solche Miethöhen durchaus üblich geworden. Ob die Wutinitiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ mit ihren bislang gesammelten 77.000 Stimmen die Problematik in Berlin allerdings auch nur ankratzen könnte, ist wohl mehr als zweifelhaft. So scheinen es auch die Anleger zu sehen, denn die Aktien von Deutsche Wohnen, LEG oder Vonovia lassen keine Panikreaktionen erkennen; lediglich bei Deutsche Wohnen gab es kürzlich Gewinnmitnahmen. Alle drei Unternehmen haben seit Jahresbeginn kräftig zugelegt. Kein Wunder – der Immobilienmarkt ist fast der einzige Sektor, wo Anlegern noch eine auskömmliche Rendite winkt.

Bislang war von einer Überhitzung auch noch nicht flächendeckend die Rede. Allerdings gibt es krasse
Unterschiede bei den Preisen je nach Lage – auf dem flachen Land gibt es Leerstand, in den Zentren kann man bei Quadratmetermieten 20 Euro und mehr verlangen – und erhält es auch. Die Berliner Idee, in den Markt einzugreifen, indem man die Mieten gesetzlich deckelt, dürfte allerdings kaum Erfolg haben. Jedenfalls nicht, wenn man mit Erfolg die Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum meint. Angesichts des drohenden Stichtages nächste Woche haben zahlreiche Vermieter noch einmal an der Stellschraube gedreht, die ihnen bleibt, nämlich die Miete erhöht. Darunter offenbar auch viele, so hört man aus den Grundbesitzerverbänden, die bislang der Versuchung widerstanden hatten.

So kommt es eben, wenn angeblich gut gemeinte staatliche Vorhaben alles andere als gut sind. Denn
neben den Mieterhöhungen in letzter Minute dürfte ein weiterer Effekt sein, dass manches Bauvorhaben sich nicht mehr rechnet. Selbst wenn man berücksichtigt, dass in der Zeit der Niedrigzinsen die Alternativen dünn gesät sind und dies auch bleiben werden. Wer einer Aktienanlage noch immer meint nichts abgewinnen zu können, dem bleiben nicht viele Felder. Und Immobilien unterliegen, wie man sieht, keinem freien Spiel der Marktkräfte; staatliche Störfeuer drohen offenbar jederzeit und überall. Auf die Idee, den Wohnungsbau dadurch zu fördern, dass man die Grunderwerbsteuer senkt oder das Baurecht entrümpelt, ist bundesweit noch keine Regierung gekommen. Dabei verteuern Vorschriften und Anforderungen den Neubau von Miethäusern enorm. Ausbau von Dächern ist eine Möglichkeit in Ballungsräumen, ohne dass man neues Bauland ausweisen müsste – die sogenannte Nachverdichtung bringt jedoch regelmäßig eine Fülle weiterer Probleme mit
sich, von denen die Verkehrsbelastung nur eines ist.

Enteignungsinitiativen wie in Berlin blenden dabei völlig aus, dass dies ein überaus langwieriger Prozess sein dürfte, mit ungewissem Ausgang. Dass die Steuerzahler der ganzen Republik dies am Ende auch noch bezahlen müssten, da das verschuldete Berlin sich die Entschädigungen der Wohnbau-Unternehmen gar nicht leisten könnte, wird von der Initiative natürlich nicht prominent
vorgetragen. Wie das mit Schnellschüssen so ist, bleibt am Ende nicht viel Vernünftiges übrig.