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Kryptowährungen: Ganz interessant, braucht aber coiner

Wer ganz auf Nummer sicher gehen will, gleichzeitig aber auf sein kleines Bitcoin-Abenteuer nicht verzichten mag, der kann durch kluge Umsicht darauf achten, dass der Online-Handelsplatz und alle seine Server sich in Deutschland befinden. Wenn dann auch noch die erworbenen Kryptogelder offline gespeichert werden, kann ja eigentlich nichts mehr schiefgehen. Oder?

Wer ganz auf Nummer sicher gehen will, gleichzeitig aber auf sein kleines Bitcoin-Abenteuer nicht verzichten mag, der kann durch kluge Umsicht darauf achten, dass der Online-Handelsplatz und alle seine Server sich in Deutschland befinden. Wenn dann auch noch die erworbenen Kryptogelder offline gespeichert werden, kann ja eigentlich nichts mehr schiefgehen. Oder?

Von Reinhard Schlieker

Da allerdings André Kostolany schon den Neuen Markt der Frankfurter Börse vor über zwanzig Jahren als eine Zockerbude mit gezinkten Karten bezeichnete, wäre er um ein paar drastischere Charakterisierungen der unabhängigen Pseudowährungen kaum verlegen. Die Ursprungsidee des mutmaßlich japanischen, bis heute anonymen Bitcoin-Erfinders: Mit einer von Staaten unabhängigen, virtuellen und daher nicht zu stehlenden Währung, die außerdem nur mit riesigem Aufwand und begrenzt vermehrbar sein sollte und daher keine Inflation kennen würde, sollte das Spiel großer Finanzmächte – vor allem eben Staaten und Zentralbanken – unterminiert werden.

Gewonnen werden Bitcoins bekanntlich am Rechner, der eine gewisse Leistungsfähigkeit haben sollte, oder gleich in einem großen Netzwerk sein, wo dann mithilfe von komplizierten Algorithmen stückchenweise neue Bitcoins „geschürft“ werden. Arbeit unter Tage sozusagen, nur angeblich ohne Schmutz und Staub. Mittlerweile ist auch dieses Verfahren modernisiert worden, durch Hinterlegung eigener Bitcoins („Token“) kann ein Anleger ebenfalls in den Besitz neuer Stücke kommen. Fast wie damals, als es noch Zinsen gab…

Schließlich wird das ganze über spezialisierte Coin-Börsen wie Bitfinex gehandelt, aber schon da gibt es Ungereimtheiten, oder zumindest Warnsignale: Bitfinex gehört zum Unternehmen iFinex, dies wiederum gibt die Kryptowährung Tether heraus, von der die Macher behaupten, dass ihre virtuelle Münze eins zu eins durch den US-Dollar gedeckt sei. Daran bestehen inzwischen Zweifel, zumal die Schwankungsanfälligkeit der ursprünglich großspurig „Stablecoin“ genannten Pseudowährung ganz erheblich ist. Ob es sich überhaupt um eine „echte“ Kryptowährung oder vielleicht nur um ein Kursbeeinflussungsinstrument interessierter Kreise handelt, die unreguliert Bitcoin kaufen und verkaufen wollen, will gerade die New Yorker Staatsanwaltschaft wissen.

Vertieft man sich in das Geschehen, verliert man schnell aus dem Blick, was „Währung“ eigentlich bedeutet. Dem Wortsinne nach ist es verwandt mit „Gewährleistung“, und eine Währung als Münz- und Banknotensystem eines Währungsraumes beinhaltet außerdem den Anspruch, auf Dauer angelegt zu sein wahrhaftig ebenfalls (also keine Blechmünze, die so tut, als sei sie Silber) und jederzeit gegen Güter eingetauscht werden zu können. Diese Gewähr bieten die Krypto-Coins genau eben nicht – was man morgen damit kaufen kann, ist heute völlig ungewiss. Einen Tesla nun definitiv nicht mehr: Die dramatischen Kursstürze im Mai, als Tesla-Boss Elon Musk publikumswirksam den Spaß an seinen Bitcoin-Millionen verlor, denn ihm war aufgefallen, dass das Schürfen reichlich schmutzigen Strom verbraucht; oder die chinesischen Machthaber bekräftigten, dass bei den Coins in ihrem Reich der Spaß schon gleich ganz aufhört, ließen keineswegs nur Guthaben im Milliardenwert einfach verschwinden. Sie zeigten auch, dass man so wild gar nicht spekulieren kann wie es Überraschungen gibt.

Es ist außerdem längst nicht erwiesen, dass es unter den Kryptowährungen eine gibt, die nun dem Betrug einen Riegel vorschieben könnte, und von daher die Chance hätte, tatsächlich zu einer Art virtuellem Geld zu reifen. Denn immer wieder „verschwinden“ riesige Summen auf Konten, auf welche sie nicht gehören. Und von dort nie wieder zurückkommen. Auch wenn man meint, mit einem kleineren Anlagevehikel wie der börsennotierten Coinix KGaA besser zu fahren: Nun ja. Coinix hält, kauft und verkauft Kryptowährungen und hofft, echtes Geld zu verdienen (die Aktie ist mit rund 4,50 Euro derzeit halb so viel wert wie noch vor einigen Wochen, genau wie die zugrundeliegenden Kryptowerte).

Dahinter steht die Hoffnung, dass nicht alle Kryptos gleichzeitig einbrechen – der Beweis für diese frohe Erwartung steht aber noch aus, das Gegenteil ist jedoch schon aktenkundig geworden. Blieben für den versierten Anleger noch ETF (in den USA nicht zugelassen), oder die Beteiligung an Kryptobörsen und -banken (die größte der USA, Coinbase, wird an der NASDAQ gehandelt). Theoretisch leben die ja von Provisionen und verdienen, egal wohin der Markt sich bewegt, Hauptsache, er bewegt sich. Bei Bitcoin und Co. ist aber noch nicht einmal das komplette Ende des Handels mit reichlich Schrecken ganz ausgeschlossen, und die Eigenschaft der Handelsplattformen ist mal eher furchteinflößend, mal undurchsichtig. Wer durchsteigen will, muss schon tief schürfen. Da bekommt der Begriff „Technische Analyse“ doch gleich eine ganz neue Bedeutung.

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