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Pleite à la carte

Die Finanz- und Wirtschaftskrise ziehen gemächlich ihre Bahn und bringen immer mal wieder kleine Höhepunkte – so zuletzt die Meldung über den starken Einbruch des Bruttoinlandsprodukts im letzten Quartal. Oder die sich hinziehenden Lösungsansätze für Opel. So richtig will aber keine Katastrophenstimmung aufkommen – es fehlt an den spektakulären Einzelereignissen, wie etwa dem Zusammenbruch von Lehman Brothers oder der KfW-Krise im letzten Jahr. So kann im öffentlichen Raum langsam der Eindruck entstehen: Krise, ja, gibt es wohl – aber auch daran gewöhnt man sich.

BÖRSE am Sonntag

Das ist allerdings höchst gefährlich. Denn die vielen kleineren Ereignisse, Vorgänge und Indizien ergeben zusammengenommen ja durchaus ein richtig schreckliches Bild. Ein Beispiel dafür sind die Zahlen, die man im Moment aus dem Bereich des (amerikanischen) Kreditkartenwesens bekommt. Schon mit der Krise am Immobilienmarkt war ja die Rede davon gewesen, dass die Schulden der durchschnittlichen Verbraucher, vor allem Kreditkartenschulden, das nächste große Pulverfass sein könnten. Sind sie. Die überaus meisten amerikanischen Konsumenten häufen Kredite auf ihren Kreditkarten an: Die bezahlten Rechnungen summieren sich, und jeden Monat erhalten die Kunden eine Abrechnung ihrer Kreditkarte und die Aufforderung, einen bestimmten Prozentsatz, in der Regel zwischen 5 bis 30 Prozent, ihrer Rechnung zu bezahlen. Der Rest bleibt als Kredit stehen, was dazu führt, dass sich auch erhebliche Zinsbelastungen ergeben. Gerade in der Krise versuchen die Kreditkartenfirmen, die Zinssätze möglichst hoch zu halten. Hinzu kommen Strafgebühren, wenn man auch nur einen Tag zu spät seine Mindestrechnung bezahlt. Im Moment sind das sehr viele – und bis zu zehn Prozent der Kunden haben die Zahlungen komplett eingestellt – Pleite à la carte, sozusagen. 2008 mussten die Kreditkartenunternehmen, darunter große wie American Express und Citibank, 45 Milliarden Dollar in den Wind schreiben. Dass sich dies 2009 bessert, glaubt niemand. Schon jetzt erreichen die Abschreibungen bis zu zehn Prozent, und eine Summe fauler Schulden von über 80 Milliarden Dollar bis zum nächsten Jahr nehmen sogar staatliche Stellen schon als wahrscheinlich an. Darüber würde es ungemütlich: Die Banken, die sich gerade erst durch staatliche Hilfen aufgerappelt haben und nun am Markt nach frischem Kapital suchen, würden erneut zurückgeworfen. Dass die insolventen Kunden natürlich auch als Verbraucher ausfallen, kommt hinzu. Eine weitere Runde im Teufelskreis also. Schon fordern Verbraucherverbände, den gefährdeten Kunden ihre Schulden einfach zu erlassen, zumindest teilweise, um nicht eine Well von Pleiten loszutreten. Auch in Regierungskreisen überlegt man, ob man nicht die teils immens hohen Strafzinsen gesetzlich beschränken sollte – teils liegen sie weit über 20 Prozent, sodass allein die Zinszahlung schon manchen an den Rand des Ruins bringt. Was all das nicht lösen wird: Die allgemeine Verschuldung wird nicht zurückgehen, denn viele haben einfach keine andere Wahl, als auf Pump einzukaufen. So lange es eben geht.