Comeback der Value-Aktien?
Die geopolitischen und weltwirtschaftlichen Risiken nehmen zu, die globalen Aktienindizes klettern trotzdem in Richtung ihrer Allzeithochs. Dabei fällt vor allem der starke Preisanstieg der Value-Aktien auf – also solcher Werte, die besonders günstig bewertet sind. Momentum-Titel schneiden hingegen unterdurchschnittlich ab. Eine bemerkenswerte Wachablösung.
Die geopolitischen und weltwirtschaftlichen Risiken nehmen zu, die globalen Aktienindizes klettern trotzdem in Richtung ihrer Allzeithochs. Dabei fällt vor allem der starke Preisanstieg der Value-Aktien auf – also solcher Werte, die besonders günstig bewertet sind. Momentum-Titel schneiden hingegen unterdurchschnittlich ab. Eine bemerkenswerte Wachablösung.
Von Felix Hermann, Kapitalmarktstratege, BlackRock
Es ist noch gar nicht lange her, da erreichten Rezessionssorgen in den USA neue Höhen. Befeuert etwa durch die Invertierung der Zinskurve in den USA oder das Abstürzen des ISM-Manufacturing Index unter die wichtige Marke von 50 wurden Wachstumsprognosen für die größte Volkswirtschaft der Welt mitunter deutlich nach unten korrigiert.
Nun, im September, mehren sich jedoch Signale, wonach es um die Wirtschaft in den USA offenbar doch nicht so schlecht stehen könnte, wie noch vor wenigen Wochen gedacht – ganz im Gegenteil, denn zuletzt lagen derart viele volkswirtschaftliche Daten oberhalb der Erwartungen, dass sogenannte Surprise-Indizes auf den höchsten Stand seit rund einem Jahr kletterten („Überraschungs-Indizes“ messen, ob neu veröffentlichte volkswirtschaftliche Daten vermehrt unter oder über den Erwartungen von Analysten liegen). Ein gutes Zeichen, da derartige Indizes als recht verlässliche Vorlaufindikatoren für die tatsächliche Entwicklung von wichtigen Konjunkturdaten gelten. Gerade Indikatoren, welche die Stärke der US-Binnenkonjunktur messen, geben aktuell Anlass zur Hoffnung. Zuletzt gehörten Zahlen zu den US-Einzelhandelsumsätzen oder aber auch zum US-Häusermarkt dazu. In Europa muss man bessere Daten bislang noch mit der Lupe suchen. Aber auch hier mehren sich zumindest die Zeichen dafür, dass die Schwäche der Industrie sich nicht auf andere Sektoren überträgt.
Weitere Zinssenkungen keine ausgemachte Sache
Diese sich abzeichnende Aufhellung der Wirtschaftsdaten dürfte ein wesentlicher Grund dafür gewesen sein, dass zahlreiche stimmberechtigte Mitglieder des Offenmarktausschusses der US-Notenbank nach der Leitzinssenkung in der vergangenen Woche den Anlegern klar zu verstehen gegeben haben: Weitere Zinssenkungen sind keine ausgemachte Sache und hängen sehr stark von der Datenentwicklung in den kommenden Monaten ab. Sollte sich die Datenlage weiter aufhellen, kann das Leitzinsniveau in den USA bis Weihnachten durchaus unverändert bleiben.
Im politischen Berlin stand letzte Woche alles im Zeichen des Klimas. Das von der Koalition vorgestellte Klimaprogramm 2030 stellte dabei allerdings eher Unternehmen als Klimaschützer zufrieden. Hintergrund dürfte die aus Sicht der Klimaexperten recht geringe Besteuerung von CO2 ab 2021 sein. Sie erzeuge auf absehbare Zeit keine Verhaltensänderung bei den Menschen. Dabei ist die Zeit das, was beim Kampf ums Klima am wenigsten bleibt.
Obwohl die Bundesregierung den Begriff CO2-Steuer vermeidet, ist das angedachte Stufenmodell, bei dem der Preis für CO2 ab 2021 Jahr für Jahr steigt, zunächst genau das: eine Steuer, die sukzessive etwa auch zu einem Anstieg der Benzinkosten beitragen wird. Erst später wird es in ein Zertifikatemodell überführt, das allerdings selbst perspektivisch mit derart geringen Höchstpreisen für die Emission von CO2 operieren soll, sodass ein Erreichen der Klimaziele ernsthaft gefährdet ist. Einem gerade im Ausland erwünschten spürbaren fiskalischen Impuls kommt das Klimaprogramm zudem eher nicht gleich. Die Regierung will trotz des Programms ganz klar an der schwarzen Null festhalten. Da unter anderem keine Beschleunigung des Ausbaus von erneuerbaren Energien vorgesehen ist, erscheint ein ausgeglichener Haushalt im Jahr 2020 auch tatsächlich keine Herkulesaufgabe zu sein.
Was bedeutet das für Anleger?
Die zahlreichen guten Wirtschaftsdaten aus den USA gepaart mit versöhnlicheren Tönen in Sachen Handelskonflikt (letzte Woche wurden Gespräche zwischen den USA und China auf Arbeitsebene aufgenommen) haben ganz erheblich zum Kursanstieg bei Aktien seit Monatsbeginn beigetragen. Globale Aktien liegen seit Monatsanfang bereits um rund drei Prozent vorne und damit nur noch knapp unter ihrem Allzeithoch aus dem Januar 2018. Bei genauerer Betrachtung fällt der starke Preisanstieg der Value-Aktien auf – also solcher Werte, die besonders günstig bewertet sind. Momentum-Titel schnitten hingegen unterdurchschnittlich ab. Diese Wachablösung ist bemerkenswert, schließlich wurden die Comeback-Chancen von Value-Aktien, zu denen in Europa vor allem Bankaktien zählen, lange Zeit als äußerst gering eingestuft.
Sollte sich hingegen tatsächlich eine Stabilisierung der makroökonomischen Daten oder gar eine breiter angelegte Verbesserung ergeben, dann könnte sich auch der Aufschwung der Value-Aktien fortsetzen. Gerade für europäische Aktien wäre das eine gute Nachricht, gilt Europas Aktienmarkt doch als Markt mit einem starken Übergewicht an günstig bewerteten Aktien. Da aber ein Teil der Erholung der Value-Titel auch auf die starke Wertentwicklung von günstigen Energie-Aktien nach dem Ölpreisschock zurückzuführen gewesen ist und gleichzeitig ein länger anhaltender Zinsanstieg wenig wahrscheinlich anmutet, erscheint an dieser Stelle ein großes Comeback von Value-Aktien noch nicht plausibel.
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