Das Interesse an nachhaltigen Geldanlagen steigt
Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Mehrheit der institutionellen Investoren Nachhaltigkeitskriterien bei ihrer Anlagestrategie berücksichtigen. Auf der Nachhaltigkeitskonferenz der Union Investment in Frankfurt haben Ökonomen, Wissenschaftler und Politiker die Chancen und Risiken nachhaltiger Anlageformen diskutiert und überraschende Zahlen präsentiert.
Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Mehrheit der institutionellen Investoren Nachhaltigkeitskriterien bei ihrer Anlagestrategie berücksichtigen. Auf der Nachhaltigkeitskonferenz der Union Investment in Frankfurt haben Ökonomen, Wissenschaftler und Politiker die Chancen und Risiken nachhaltiger Anlageformen diskutiert und überraschende Zahlen präsentiert.
Es sind 35 Grad in der Frankfurter Innenstadt. Die Sonne brennt auf den Palmengarten, der nur unweit vom Finanzzentrum mitten in der hessischen Metropole liegt. So sei der Sommer halt, sagen die einen. Andere sehen in der statistisch belegbaren Zunahme von extremen Wetterlagen deutliche Anzeichen für einen Klimawandel und rufen laut zum Umsteuern auf. Die Folgen des Klimawandels seien schon heute deutlich zu spüren, hört man aus dem Konferenzsaal des Gesellschaftshauses im Palmengarten. Hier findet sie statt: Die achte Nachhaltigkeitskonferenz der Union Investment. „Nachhaltigkeit gewinnt massiv an Bedeutung und wird zum Erfolgsfaktor im Asset Management“, sagt Alexander Schindler, Vorstandsmitglied der Union Investment. Und tatsächlich berücksichtigen Großanleger zunehmend Nachhaltigkeitskriterien, Investoren glauben an die Klimawirkung nachhaltiger Anlagen. Nach Einschätzung des Ökonomen Nicholas Stern kommt der Finanzbranche eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Klimawandel zu. „Wir müssen schnell handeln“, mahnt der ehemalige Chefvolkswirt der Weltbank gleich zu Beginn der Konferenz. Angesichts neuer Technologien, hoher Sparquoten und niedriger Zinsen seien die Rahmenbedingungen für große Investitionen in nachhaltige Infrastrukturen gut, müssten aber nach Einschätzung von Stern, Ökonom an der London School of Economics, noch stärker vorangetrieben werden. Die öffentliche Hand könne die Investitionen aber nicht allein stemmen, weshalb die Finanzbranche stärker auf Nachhaltigkeit setzen müsse. Kurzum: Es soll ein Systemwechsel her – nur so könne man eine Klimakatastrophe noch abwenden.
Laut einer Studie von Union Investment, bei der 201 Investoren befragt wurden, die ein Gesamtvermögen von mehr als sechs Billionen Euro verwalten, berücksichtigen aktuell 72 Prozent der professionellen Anleger in Deutschland Kriterien wie Soziales und Umwelt bei der Kapitalanlage. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Anstieg um sieben Prozentpunkte und damit der höchste Wert seit Beginn der Investorenbefragung im Jahr 2009. Rund zwei Drittel der Befragten glauben, dass nachhaltige Kapitalanlagen das Weltklima beeinflussen können. Allerdings habe nur eine Minderheit der Befragten, nämlich 39 Prozent, ausreichend Informationen über die Klimawirkung des eigenen Portfolios. Mit einem Aktionsplan für nachhaltiges Finanzwesen will die EU-Kommission jetzt einen europäischen Standard für nachhaltige, grüne Anlagen einführen. Die Ziele: Stärkere Integration von Nachhaltigkeitskriterien in das Risikomanagement, in Ratings und Marktanalysen. Grundsätzlich sei das eine gute Sache, doch wolle die EU-Kommission dieses Label auf den Klimaschutz begrenzen, meint der Leiter des Nachhaltigkeitsmanagements bei der genossenschaftlichen Fondsgesellschaft Union Investment Matthias Stapelfeld. „Man muss so ein Siegel so aufstellen, dass Nachhaltigkeit allgemein erfasst ist und dass auch eine Vielzahl von Produkten darunterfallen, die auch für den Anleger relevant sind, weil man ansonsten etwas schafft, was eigentlich nicht praxisfähig ist.“ Die Union Investment mit Hauptsitz in Frankfurt ist die Investmentgesellschaft der DZ Bank und Teil der genossenschaftlichen FinanzGruppe. Vertrieben werden die Publikumsfonds über die 1.021 Volks- und Raiffeisenbanken und den Außendienst der Bausparkasse Schwäbisch Hall AG. Aktuell verwaltet die Investmentgesellschaft rund 343 Milliarden Euro, wovon etwa 46 Milliarden, also knapp 14 Prozent, nachhaltig investiert sind.
Besonders beliebt ist das Thema Nachhaltigkeit bei Kapitalverwaltungsgesellschaften (92 Prozent) sowie kirchlichen Anlegern und Stiftungen (86 Prozent). Auch die Landesregierungen von Baden-Württemberg, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Hessen folgen dem grünen Trend. So gaben die Länder Anfang der Woche bekannt, dass sie die Mittel ihrer Pensionsfonds nach nachhaltigen Kriterien anlegen wollen. Gemeinsam haben sie die 100-prozentige Tochtergesellschaft der Deutschen Börse Stoxx Ltd. mit der Entwicklung von zwei nachhaltigen Aktienindizes beauftragt. Patrick Opdenhövel, Staatssekretär im NRW-Finanzministerium betont: „Das Konzept der Nachhaltigkeit ist für die öffentliche Verwaltung heute genauso wichtig wie in der privaten Wirtschaft.“
Der FDP-Chef Christian Lindner, der wie die meisten Redner hier im Palmengarten auf die Krawatte verzichtet hat, verspricht sich von Green Finance großes Wachstumspotential, befürchtet aber eine politische Interventionsspirale, die viel Geld kosten könnte und die Stabilität der Finanzmärkte gefährde. Auch der Vermögensverwalter Bert Flossbach warnt vor einer Überregulierung durch ein Klassifizierungssystem: „Denn dazu müssen Tausende Unternehmen anhand Hunderter oft schwammiger Kriterien analysiert und klassifiziert werden. Anlegern und Anbietern droht unseres Erachtens ein neues Bürokratiemonster.“ Bis Sommer soll ein erster Zwischenbericht zum EU-Aktionsplan vorliegen, heißt es aus der Kommission. Wer hier in Frankfurt auf das Thermometer blickt könnte meinen: Der Sommer, er ist längst da.
Florian Spichalsky