Das Potential künstlicher Intelligenz
Künstliche Intelligenz findet zunehmend kommerzielle Anwendungen. Unter anderem in den Bereichen Medizin, Fahrzeugsteuerung, Logistik oder der Sprachsteuerung. Während zwischen den USA, China, Russland und der EU ein großes Forschungswettrennen beginnt, dürfte vor allem um Nebeneffekte, wie eine mögliche Arbeitsplatzverdrängung, eine hitzige Debatte entbrennen.
Künstliche Intelligenz findet zunehmend kommerzielle Anwendungen. Unter anderem in den Bereichen Medizin, Fahrzeugsteuerung, Logistik oder der Sprachsteuerung. Während zwischen den USA, China, Russland und der EU ein großes Forschungswettrennen beginnt, dürfte vor allem um Nebeneffekte, wie eine mögliche Arbeitsplatzverdrängung, eine hitzige Debatte entbrennen.
Von Maximilian Thaler
Schon seit einigen Jahren ist die Künstliche Intelligenz (KI) nicht mehr vorrangiger Gegenstand akademischer Untersuchungen, sondern findet immer stärker den Einzug in den kommerziellen Markt. Wobei oft unklar ist, worum es sich bei KI und ihren Anwendungen handelt und wie diese unser zukünftiges Leben beeinflusst. KI sind Systeme, die so programmiert sind, dass sie eigenständig lernen bzw. mit menschenähnlichen Entscheidungsstrukturen „intelligente Lösungen“ finden. Ein Beispiel hierfür ist AlphaZero, ein autodidaktisches Programm, das von dem Google-Tochterunternehmen DeepMind entwickelt wurde. DeepMind hat das Programm bei der Entwicklung weder mit Datenbanken noch anderweitigen Informationen bespielt, sondern nur die Regeln erklärt – in diesem Fall die der Strategiespiele Schach, Go und Shogi. Der Computer spielte dann die drei Strategiespiele unzählige Male und mit sehr hoher Prozessgeschwindigkeit gegen sich selbst und verbessert sein neuronales Netz ohne weiteres menschliches Zutun. Man nennt dies „Reinforcing Learning.“
Autonom fahren mithilfe Künstlicher Intelligenz?
In diesem Fall führte die KI-Technologie dazu, dass AlphaZero alle bisher führenden Programme zum Teil deutlich geschlagen hat. Dieser Durchbruch im Bereich autodidaktischer Lernfähigkeit von Maschinen ist faszinierend und bedenklich zugleich. Google sowie eine Vielzahl an anderen Unternehmen testen die neuen Erkenntnisse in vielen weiteren Anwendungen, die im Wesentlichen mit der Analyse und Auswertung von Daten zusammenhängen, während sich die Präzision der Programme aufgrund der eigenständigen Weiterentwicklung zunehmend verbessert.
Eine Kerntechnologie, die gerade vielfach diskutiert wird, ist das autonome Fahren. Hierbei werden mittels Sensoren und anderer Messsysteme eine enorme Flut an Daten in die Fahrzeuge gespeist. Diese werden durch KI-Programme ausgewertet, um dabei die Software an die unendliche Variabilität in ihrer Umgebung und die Witterungsbedingungen einzustellen und sie zunehmend zu verbessern. Auch wenn bereits erste Pilotprojekte wie die der Google-Tochter Waymo in den USA laufen, kommt es immer noch zu größeren Unfällen bedingt durch das Systemversagen der Programme. Jedoch dürften bei der aktuell steilen Lernkurve diese Startprobleme zeitnah überwunden werden.
Datengenerierung im Akkord vor allem in der Medizin von Nutzen
Vor allem durch die Digitalisierung vieler Lebensbereiche nimmt die Flut an Daten, die generiert wird, mit immer höherem Tempo zu. Laut Schätzungen wird diese bis 2020 mehr als 44 Billionen Gigabyte erreichen gegenüber rund einem Zehntel hiervon im Jahr 2013. Um diese Daten auszuwerten und zu nutzen, sind immer komplexere Programme notwendig. Ein Bereich mit hohem Anwendungspotential ist die Medizin. Insbesondere IBMs Watson, ein fast menschlich kommunizierender, kognitiver Computer, konnte hier eindrucksvolle Durchbrüche vorweisen. Nachdem dieser rund 3.500 Onkologiefachbücher und über 270.000 wissenschaftliche Artikel analysiert und diese mit realen klinischen Studien aufgearbeitet hatte, konnte er bei Krebspatienten mit sehr hoher Präzision die richtige Diagnose stellen und gleichzeitig den effektivsten Behandlungsplan unter Berücksichtigung der neuesten Forschungsstudien vorschlagen. Somit könnten Ärzte zukünftig von einer KI-basierten Zweitmeinung unterstützt werden, die zudem eine deutlich schnellere Arbeitsweise als der Mensch vorsieht.
Weitere Anwendungen liegen vor allem in der Prognostizierung von Ereignissen. Das könnte unter anderem in der globalen Logistik helfen weitere Effizienzen zu gewinnen und Wertschöpfungsketten zu optimieren. Auch in Industrieprozessen kann mittels vorausschauender Instandhaltung von Maschienen und Anlagen („Predictive Maintenance“) vorhergesagt werden, an welchen Stellen eine Wartung der Systeme vorzunehmen ist, um Produktionsausfälle zu vermeiden. Ein weiteres Anwendungsfeld ist die Sprachassistenz, wie sie zum Beispiel im Amazon Produkt Alexa eingesetzt wird, um eine sprachgesteuerte Interaktion zwischen Mensch und Maschine zu ermöglichen.
Experten warnen vor den Kehrseiten
Zunehmend warnen Experten mittlerweile vor der Kehrseite dieser Entwicklung: Einige glauben, dass dieser technologische Fortschritt repetitive Prozesse redundant macht und damit viele Arbeitsplätze kosten wird. Andere, wie zum Beispiel Stephen Hawking, dessen Sprachcomputer selbst auf einer einfachen Form von KI aufbaute, gehen soweit, dass für sie die Vollendung dieser Weiterentwicklung das Ende der Menschheit bedeuten wird, weil die Maschinen dann weit überlegen sind und nicht mehr kontrolliert werden können.
Auch wenn der Stand der Technologie heute weit davon entfernt ist, wird eine überlegte Einführung basierend auf gleichsamen ethischen Grundsätzen eine wichtige Rolle spielen. Viele Länder verfolgen jedoch ihre eigene KI-Agenda, um sich in eine Vorreiterstellung zu bringen und die potentiellen Effizienzsteigerungen als Erste für sich zu nutzen. Zum Beispiel stellte China jüngst einen aggressiven Fünf-Jahres-Plan vor, mit dem es seine Investitionen in die KI-Industrie bis 2020 auf über 50 Mrd. Euro steigern will. Außerdem verkündete Russlands Präsident Putin letztes Jahr, dass die Nation, die das KI-Thema anführt, zur Weltmacht aufsteigen wird. Er verwies aber gleichzeitig auf die Gefahren für die nationale Sicherheit, die mit dieser Technologie verbunden sind. Indes hat Frankreichs Präsident Macron im März konkrete Schritte angekündigt, um die landeseigene Softwareindustrie rund um das Thema KI noch deutlich stärker zu fördern. Auch die Vorstandsvorsitzenden führender Technologiefirmen, allen voran Facebook-CEO Mark Zuckerberg und Tesla-Chef Elon Musk, schalteten sich öffentlich in die Debatte ein. Während ersterer vor allem auf die Möglichkeiten für sichere Autos und bessere Diagnosen für Kranke verweist, sieht Musk in der KI eine der größten Bedrohungen für die Zivilisation und fordert eine proaktive Regulierung der Weiterentwicklung. Insofern dürfte das Thema eine anhaltende Debatte und ein schmaler Grat bleiben zwischen potentiell steigender Arbeitslosigkeit und genereller Verbesserung des Lebensumfelds.
Langfristig strukturelles Wachstumspotenzial
Insgesamt bietet das KI-Thema auf Jahre strukturelles Wachstumspotential, wobei sich hier für den Privatanleger momentan kaum Anlagemöglichkeiten bieten, da die meisten KI-Abteilungen in Großkonzerne wie Alphabet (Google), IBM und Intel integriert und hier bisher nur einen sehr geringen Anteil der Umsätze erwirtschaften. Ansonsten wird vor allem ein amerikanisches börsengelistetes Unternehmen mit KI in Verbindung gebracht: NVIDIA. Das 1993 gegründete Entwicklerhaus ist Spezialist für Grafikprozessoren die in der Welt des Deep Learnings und der KI aufgrund ihrer höheren Rechenleistung deutlich mehr Anwendungen finden, als die bisher genutzten Computerprozessoren. Die restlichen KI-Abteilungen liegen bei wissenschaftlichen Forschungsteams sowie nicht gelisteten Neugründungen, die für den Aktieninvestor (noch) keine Investitionsmöglichkeiten bieten.
Maximilian Thaler ist Erstanalyst für den Sektor Technologie bei der DJE Kapital AG.