ETFs: Gut gedacht, oft falsch genutzt
Ursprünglich noch den institutionellen Anlegern vorbehalten, haben sich Exchange Traded Funds, kurz ETFs, seit ihrer Entstehung in den 1970er Jahren zu einem äußerst beliebten Finanzprodukt für Privatinvestoren entwickelt. Die meist passiv gemanagten Fonds sind einfach in der Handhabung, günstig im Unterhalt und ermöglichen eine gleichzeitig fokussierte wie diversifizierte Strategie. Doch sie bieten nicht nur Vorteile.
Ursprünglich noch den institutionellen Anlegern vorbehalten, haben sich Exchange Traded Funds, kurz ETFs, seit ihrer Entstehung in den 1970er Jahren zu einem äußerst beliebten Finanzprodukt für Privatinvestoren entwickelt. Die meist passiv gemanagten Fonds sind einfach in der Handhabung, günstig im Unterhalt und ermöglichen eine gleichzeitig fokussierte wie diversifizierte Strategie. Doch sie bieten nicht nur Vorteile. Wer mit ETFs seine Anlageziele langfristig erreichen will, braucht emotionale Ausdauer, meint Torsten Reidel, Geschäftsführer von Grüner Fisher Investments.
Das Prinzip von ETFs ist ganz einfach: Die börsengehandelten Fonds bilden einen bestehenden Index nach und investieren so beispielsweise in die dem DAX oder dem S&P 500 zugrundeliegenden Wertpapiere. Da hierbei keine aufwendigen Analysen zur Titelauswahl notwendig sind und somit keine hohen Managementgebühren zu Lasten der Rendite anfallen, sind ETFs wesentlich kostengünstiger als aktiv gemanagte Investmentfonds. Dabei bieten ETFs die Möglichkeit, in unterschiedliche Anlageklassen wie Aktien, Anleihen, Cash oder Sachwerte wie Edelmetalle, Öl oder Immobilien zu investieren. Das Praktische: Anleger können sich außerdem auf bestimmte Sektoren und Regionen konzentrieren oder in Spezial-Indizes investieren, die ihren Fokus zum Beispiel auf Nachhaltigkeit legen.
Grundsätzlich können Indizes auf zwei verschiedene Arten in ETFs abgebildet werden: Bei der physischen Replikation werden die Original-Indexaktien entsprechend ihrer tatsächlichen Gewichtung gekauft. Bei einer Vollreplikation sind sämtliche Titel eines Index im ETF enthalten, bei einer Teilreplikation – bevorzugt angewendet bei sehr breit aufgestellten Indizes mit eingeschränkt handelbaren Titeln – kommt ein optimiertes Auswahlverfahren zum Tragen. Sowohl die Kosten der Replikation als auch eine gewisse Abweichung zum Zielindex („Tracking Error“) gilt es hierbei zu beachten. Ein synthetisch replizierter ETF kauft dagegen keine Original-Indexaktien, sondern bildet die Wertentwicklung mithilfe von Derivaten nach. Dies senkt in der Regel die Kosten und steigert die Genauigkeit, allerdings geht mit den getätigten Swap-Geschäften auch ein erhöhtes Risiko einher.
Die Vorteile von ETFs liegen klar auf der Hand. Sie stellen eine ebenso günstige wie einfache Investitionslösung dar. Zudem erlauben sie auch bei kleinen Anlagebeträgen eine hohe Diversifikation, da das Risiko auf die Gesamtwerte des entsprechenden Index gestreut wird. ETFs sind eine schöne Ergänzungsmöglichkeit, die wir entsprechend unseres Top-Down-Ansatzes in der unabhängigen Vermögensverwaltung gelegentlich auch selbst nutzen. Immer vorausgesetzt, sie bieten einen Vorteil gegenüber Einzelwerten.
Aus Erfahrung heraus lässt sich sagen: Beliebt ist immer das, was gut läuft. Und gerade im reifen Bullenmarkt erachten viele Investoren ETFs als optimale Lösung für den einfach zu erreichenden Anlageerfolg. Dementsprechend ist ein farbenfrohes Potpourri unterschiedlicher Angebote zusammengekommen, welches diverse Modethemen bedient. Doch wie jede andere Assetklasse bringen auch ETFs Nachteile mit sich, die landläufig gern ignoriert werden. So ist die Performance der Standard-ETFs stets an die Marktrendite geknüpft. Ein ETF kann sich schlichtweg nicht besser entwickeln als der Markt, den er abbildet. Gerade in kritischen Phasen wird die negative Volatilität 1 zu 1 abgebildet, jede Korrektur und jeder Bärenmarkt per Definition in vollem Umfang mitgenommen – wenn man die passive Anlage auch als solche handhabt.
Genau hier liegt das Grundproblem: Zwar zielen Anleger auf die langfristige Rendite der Aktienmärkte ab, sind aber mit dem steinigen, da volatilen Weg zum Gewinn, nicht immer einverstanden. Dieser ist mit ETFs jedoch derselbe, wie mit Aktien oder aktiv gemanagten Fonds. Tatsache ist: Alle Anlagevehikel weisen in turbulenten Börsenzeiten Mittelabflüsse auf. Investoren stolpern in Korrekturphasen, verpassen die folgende Erholung und schon kann die Rendite im eigenen Portfolio nicht mehr mit der langfristigen Marktrendite mithalten. Replizierende Standard-ETFs folgen eben jenem holprigen Weg, den die Märkte gehen, und machen es dem Anleger somit nicht, wie häufig vermutet, leichter.
ETFs sind unumwunden hervorragende Finanzinstrumente. Doch letztendlich entscheiden immer Geduld und von Emotionen losgelöstes, pragmatisches und faktenbasiertes Handeln über den Anlageerfolg. Es liegt nicht an den Märkten selbst, dass viele Investoren scheitern – die langfristigen jährlichen Renditen dürften den Ansprüchen eigentlich genügen. Misserfolge basieren vielmehr allzu oft auf Volatilität, der Angst in kritischen Marktphasen und dem extrem hohen Fehlerpotential, das mit einer Kapitalanlage einhergeht. Der Mehrwert von ETFs ist nicht existent, wenn Anleger sie nicht als das nutzen, was sie ursprünglich sind, nämlich passive Produkte. Auch wenn es mittlerweile Lösungen gibt, die den passiven mit dem aktiven Management-Ansatz, zum Beispiel auf Basis von Robo Advising, verbinden – die Fähigkeit, regelmäßig an das übergeordnete, langfristige Anlageziel zu erinnern, emotional zu schützen und so Kurzschlussreaktionen entgegenzuwirken, besitzen selbst solche Lösungen nicht.
Torsten Reidel