Indexanbieter - Die Lizenz zum Gelddrucken
Die Zahl der börsennotierten Indexfonds auf den marktbreiten US-Aktienindex S&P 500 hat in diesen Wochen deutlich zugenommen: Die ETF-Töchter der Deutschen Bank, der Commerzbank, der Société-Générale und Credit Suisse haben vor kurzem entsprechende Produkte auf den Markt gebracht.
Die Zahl der börsennotierten Indexfonds auf den marktbreiten US-Aktienindex S&P 500 hat in diesen Wochen deutlich zugenommen: Die ETF-Töchter der Deutschen Bank, der Commerzbank, der Société-Générale und Credit Suisse haben vor kurzem entsprechende Produkte auf den Markt gebracht.
Zuvor waren weltweit nur zwei ETFs auf den S&P 500 von iShares, der ETF-Gesellschaft des US-Vermögensverwalters BlackRock, erhältlich: der iShares S&P 500 in Europa und der iShares S&P 500-Index Fund in den USA. „Wir haben ein sehr starkes Interesse von den meisten – wenn nicht allen – großen ETF-Anbietern am S&P 500 gesehen", sagte David Guarino, Sprecher des S&P-Index-Geschäfts.
Strukturwandel bei der Lizenzvergabe
In den vergangenen zehn Jahren verfügte der Marktführer iShares, der Ende 2009 von der britischen Bank Barclays an die amerikanische Fondsgesellschaft BlackRock verkauft wurde, über eine exklusive Lizenz von Standard & Poor’s für ETFs auf den S&P 500. Doch am 17. Mai dieses Jahres war diese Lizenz ausgelaufen. Bis dato hat die Exklusivlizenz bei iShares für satte Umsätze gesorgt: Der in den USA vertriebene iShares S&P 500-Index Fund war Ende März unter 2.131 börsennotierten Indexfonds nach Angaben des Emittenten mit einem verwalteten Vermögen von rund 22,6 Mrd. US-Dollar der fünftgrößte ETF. Die europäische Variante war demnach mit 7,2 Mrd. US-Dollar der zweitgrößte ETF in Europa.
Im Gegensatz zu Europa waren in den USA mehrere Lizenzen auf einen Index ursprünglich unüblich. Das hat sich nun geändert. Bei europäischen Indizes hingegen wurden von Anfang an mehrfach Lizenzen an verschiedene Anbieter vergeben. Dadurch hatte der europäische Markt seit jeher eine andere Struktur mit einem härteren Wettbewerb der ETF-Emittenten untereinander. Dies ist auch sicher ein wichtiger Faktor dafür, dass die Verwaltungsgebühren bei Indexfonds auf die von allen großen Anbietern abgedeckten deutschen und europäischen Standardindizes sehr niedrig sind.
Die großen Anbieter
Auf dem weltweiten Markt tummeln sich derzeit mehr als 100 Anbieter, die Indizes entwickeln und Lizenzen darauf anbieten. Den Löwenanteil des Marktes aber teilen eine Handvoll Indexanbieter unter sich auf: MSCI Barra als weltweit größter Anbieter, Dow Jones, Standard & Poor’s, Barclays Capital Indices, Russell sowie in Europa FTSE, euroMTS und vor allem STOXX, an der die Deutsche Börse in diesem Jahr die Anteile von Dow Jones zusammen mit der Schweizer SIX AG übernommen hat. Die Deutsche Börse ist nicht nur dank der STOXX-Indexfamilie ein großer Indexanbieter.
Nach eigenen Angaben berechnet und veröffentlicht die Deutsche Börse insgesamt mehr als 3.000 Indizes unter national und international eingetragenen Marken. Die Indizes werden als Basiswerte für eine Vielzahl von Finanzinstrumenten weltweit verwendet. Dazu gehören neben Zertifikaten, Optionen und anderen Derivaten natürlich auch ETFs. Am wichtigsten aber für den deutschen und den europäischen ETF-Markt sind immer noch die STOXX-Indizes: Im März 2010 basierten von den rund 700 ETFs in Europa 219 auf STOXX-Indizes. Rund 30% des europäischen ETF-Handelsvolumens entfallen auf Indexfonds mit Underlyings aus der STOXX-Familie.
Neue Vielfalt bei den Indizes
Ursprünglich wurden Indizes in erster Linie als Marktbarometer entwickelt. Seit einigen Jahren aber gibt es eine Vielfalt an neuen Indizes. Diese werden oft speziell als Basiswerte hauptsächlich für Investmentzwecke konstruiert. Denn für die Anbieter von Indizes hat sich die Lizenzvergabe zu einem lukrativen Geschäft entwickelt. Früher verdienten sie in erster Linie am Verkauf von Indexdaten und zusätzlich an der Lizenzvergabe für Derivate.
Doch ETFs haben den Indexanbietern ganz neue Perspektiven eröffnet. Bei börsengehandelten Indexfonds können sie nun auch Anteile an der Managementvergütung der jeweiligen Produkte als Lizenzgebühr einstreichen. Die Kosten für einzelne Indizes bzw. die Höhe der Lizenzgebühren hängen unter anderem vom jeweiligen Marktsegment, der Komplexität und der Berechnungsfrequenz ab. Hinzu kommt die Anzahl der Lizenznehmer. Auch wenn ein Anbieter die Anzahl der Lizenzen beschränkt, kann dies zu höheren Gebühren führen. Insgesamt ist die Preisgestaltung für Indexlizenzen insgesamt sehr intransparent.
ETFs befinden sich derzeit – gerade im Vergleich zu Zertifikaten, deren Wachstumsdynamik durch den Zusammenbruch von Lehman Brothers einen empfindlichen Dämpfer erhielt – in einer expansiven Marktphase. BlackRock rechnet für die kommenden Jahre mit einem jährlichen Wachstum des verwalteten Vermögens bei börsengehandelten Indexfonds in Europa um durchschnittlich 30%. Bis 2012 könnte dann das Marktvolumen diesseits des Atlantiks die Schwelle von 500 Mrd. US-Dollar überschreiten.
Die Indexanbieter erschließen sich mit der Konstruktion von neuen Basiswerten speziell für ETFs eine neue Einnahmequelle und diversifizieren somit ihre Einkünfte. Folglich dürfte die Anzahl der Indexanbieter und vor allem der verfügbaren Indizes schon allein aufgrund des attraktiven Wachstums des ETF-Segments weiter anschwellen. Dabei werden wohl nicht nur bestehende Anlageklassen ausgebaut, sondern auch neue erschlossen werden. Das Auftauchen von gehebelten und Short-Indizes, beispielsweise auf den DAX und den Euro STOXX 50, in den letzten Jahren, deutet an, wohin die Reise bei der Indexentwicklung geht. Ob dies noch im Sinne der ursprünglichen Idee von ETFs ist, als einfache und transparente Produkte die weltweiten Börsenbarometer einfach nachzubilden, steht auf einem anderen Blatt.