Wie entwickelt sich die Weltwirtschaft weiter?
Obwohl wir mit 86 Monaten im Moment die viertlängste Expansion der US-Wirtschaft seit 1900 erleben, ist sie längst nicht am Ende. Und das liegt wahrscheinlich daran, dass sie im Verhältnis zu anderen Aufschwüngen weniger dynamisch verläuft. Trotzdem ist Vorsicht geboten, denn der Markt ist, mehr denn je, externen und nicht makro-ökonomischen Faktoren ausgesetzt. Das politische Umfeld ist nicht vorhersehbar. David Lafferty analysiert.
Obwohl wir mit 86 Monaten im Moment die viertlängste Expansion der US-Wirtschaft seit 1900 erleben, ist sie längst nicht am Ende. Und das liegt wahrscheinlich daran, dass sie im Verhältnis zu anderen Aufschwüngen weniger dynamisch verläuft. Trotzdem ist Vorsicht geboten, denn der Markt ist, mehr denn je, externen und nicht makro-ökonomischen Faktoren ausgesetzt. Das politische Umfeld ist nicht vorhersehbar.
Von David Lafferty
Die US Wahl, der Brexit Ausgang und damit der Zustand der EU, sowie die Flüchtlingskrise und die kommende Wahl in Deutschland, werden die Märkte in Atem halten. Da kommt den Zentralbanken der steigende Ölpreis sehr entgegen. Nur was passiert wenn wir alle merken, dass unser verfügbares Einkommen sinkt und damit parallel auch der Konsum, und die Unternehmen weniger verdienen weil die Herstellungskosten steigen? Managed Futures laufen dann meistens gut, wenn es der Börse schlecht geht. Am besten ist, wenn man sein Portfolio vorher ordentlich aufmischt beziehungsweise diversifiziert.
Ausgangslage
Seit etwa 18 Monaten sind unsere Einschätzungen zu Chancen und Risiken auf den weltweiten Kapitalmärkten im Wesentlichen unverändert. Das liegt vor allem daran, dass es bei den bestimmenden makroökonomischen Faktoren und Themen wenig Bewegung gab. Immer noch weist die Weltwirtschaft ein insgesamt schwaches Wachstum auf, die Renditen für Staatsanleihen bleiben extrem niedrig und Aktien sind weltweit relativ hoch bewertet. Dementsprechend haben sich auch unsere Einschätzungen zu den Anlageklassen kaum verändert.
Unser allgemeiner Ausblick für Aktien geht von positiven, jedoch unterdurchschnittlichen Renditen aus, die aus einem nur langsamen Anstieg der Gewinne sowie den Dividendenzahlungen resultieren – denn ein Anstieg des Kurs-Gewinn-Verhältnisses ist bei den derzeitigen Bewertungen unwahrscheinlich. Bei den Staatsanleihen sorgen indexübergreifend niedrige oder sogar negative Renditen sowie die langen Laufzeiten für weiterhin ungünstige Renditen. Dagegen halten wir Unternehmensanleihen vergleichsweise für attraktive Anlagen. Deshalb bevorzugen wir in diesem Sektor Papiere mit einer überdurchschnittlichen Verzinsung, also BBB-, Hochzins- und Bankanleihen.
Ist ein Zyklus erkennbar? Wenn ja, wo stehen wir?
Bei dem Versuch, die Kapitalmarkt- und Portfoliorisiken auf Zeichen einer Rezession hin zu überprüfen, ist der Konjunkturzyklus ein häufig herangezogener Ansatz. Die erste Frage könnte lauten: „An welcher Stelle im Konjunkturzyklus befindet wir uns?“ Bevor wir dies tun, sollten wir jedoch zunächst abwägen, ob der Konjunkturzyklus als Instrument noch geeignet ist, um diese Trends zu analysieren. Die Erholung nach der Finanzkrise 2008 verlief im historischen Vergleich eher schleppend mit einem Wachstum von nur 2,1 % jährlich seit dem 3. Quartal 2009, während das durchschnittliche Wachstum im Zuge einer Erholung bzw. Expansion in den USA bei drei bis fünf Prozent liegt.
Unserer Ansicht nach folgen daraus mehrere Dinge:
1. Die Erholung und die Expansion halten möglicherweise länger als gewöhnlich an, weil es nicht wie sonst einen ausgeprägten Aufholeffekt gegeben hat.
2. Aufgrund der eher gemächlichen Erholung haben sich im System weniger Exzesse aufgebaut. Heute sind die meisten „Übertreibungen“ auf den Kapitalmärkten und nicht in der Realwirtschaft zu finden.
3. Die üblichen Effekte eines Konjunkturzyklus sind möglicherweise weniger deutlich sichtbar, weil die Ausschläge abgedämpft wurden.
Wo stehen wir also im Konjunkturzyklus? Wir vermuten, dass wir uns in der Spätphase eines Aufschwungs befinden. Diese Meinung wird von vielen Indikatoren unterstützt. Der historische Vergleich bietet bereits eine gewisse Orientierung. Gemäß dem National Bureau of Economic Research gab es in den USA seit 1949, also in den vergangenen 66 Jahren, elf Rezessionen – etwa eine alle sechs Jahre. Im Zeitraum seit 1981, also in den letzten 25 Jahren, erlebten die USA aufgrund der „großen Moderation“ mit einer geringeren Inflation und niedriger Zinsen jedoch nur drei Rezessionen – etwa eine alle acht Jahre. Die aktuelle Erholung und Expansion ist nach historischen Maßstäben jedenfalls bereits lang.
Drei Merkmale der Spätphase eines Aufschwungs
Welches sind die Indikatoren, die darauf hinweisen, dass wir uns in einer Spätphase der Expansion befinden? Der erste Indikator ist die Renditestrukturkurve. Historisch flacht die Renditestrukturkurve in der Spätphase deutlich ab, weil die Zinssätze am kurzen Ende durch eine restriktivere Geldpolitik ansteigen, während geringere Inflationserwartungen die Zinssätze am langen Ende sinken lassen. Dies ist eindeutig der Fall, denn die Zinsdifferenz zwischen zweijährigen und zehnjährigen Anleihen ist von 175 Basispunkten Ende 2013 auf heute etwa 80 Basispunkte gesunken.
Einschränkend muss hier allerdings das Bonmot angeführt werden, dass die Renditestrukturkurve neun der letzten fünf Rezessionen vorausgesagt hat. In Frage gestellt werden muss auch, ob die aktuelle Renditestrukturkurve auf Gleichgewichtszinssätzen beruht. Da die amerikanische Notenbank Fed sowie andere Zentralbanken die Zinssätze künstlich niedrig halten, halten wir den Indikator aktuell für besonders unzuverlässig. Trotz dieser Einschränkungen deutet die flachere Renditestrukturkurve auf ein Ende des Aufschwungs hin. Zweiter Indikator: das hohe Maß an Kreditschöpfung. In einem Konjunkturtal bauen Unternehmen und Verbraucher ihre Schulden normalerweise ab, entweder freiwillig (verstärktes Sparen) oder zwangsweise (Zahlungsausfall / Abschreibung). Erholt sich die Wirtschaft, werden nach und nach wieder Schulden aufgenommen.
In der Expansionsphase steigt die Verschuldung an, weil zunehmend positive Aussichten höhere Schulden rechtfertigen. An diesem Punkt sind wir heute. Auch wenn die historisch niedrigen Zinsen die Emission neuer Anleihen allgemein befördern, kann die weltweite Explosion der Unternehmensemissionen als Indiz betrachtet werden, dass sich der Aufschwung in seiner Spätphase befindet. Als letzter Punkt ist die recht hohe Bewertung der Vermögenswerte anzuführen. Die Anleger haben zwar nicht alle Vorsicht über Bord geworfen, sehen jedoch die höheren Preise durch die rosigen wirtschaftlichen Aussichten gerechtfertigt. So werten wir also die Tatsache, dass die Bewertungen für Aktien und Unternehmensanleihen jeweils leicht über dem langfristigen Durchschnitt liegen, als ein weiteres Indiz dafür, dass wir uns in der Spätphase des Zyklus befinden.
(Noch) keine Rezession
Die offensichtliche Frage lautet: Wann geht die Spätphase des Aufschwungs in den Abschwung, also die Rezession über? Wie oben angemerkt, ist es dieses Mal besonders schwierig, einen Zeitpunkt für den nächsten Abschwung anzugeben, weil dieser Zyklus so lang ist und so schleppend verläuft. Vielleicht gelten die alten Faustregeln nicht mehr. Welchen Zeichen entnehmen wir also, dass die Rezession nicht kurz bevor steht? Fangen wir mit dem Index der US-Frühindikatoren „Leading Economic Index/LEI“ an. Der Index hat im Jahr 2016 bereits rückläufige Entwicklungen gesehen. Zweimal schrumpfte der Frühindikator-Index im Monatsvergleich, lag jedoch im Jahresvergleich bisher immer über der Nulllinie. Seit 1960 gab es nur einen Fall, wo der Index im Jahresvergleich unter null gefallen ist, ohne dass die USA unmittelbar danach in eine Rezession eingetreten sind. Das war 1967. Fälle, in denen eine rückläufige Entwicklung bei den Frühindikatoren in Kombination mit einer auf Jahressicht positiven Entwicklung nicht von einer Rezession gefolgt war, gab es allerdings schon mehrere (1996, 1999, 2003, 2013). In einer solchen Situation befinden wir uns derzeit.
Die Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung sind zwar schon im Index der US-Frühindikatoren enthalten, erfordern jedoch eine separate Betrachtung. Während und nach der letzten Rezession ist die Erwerbsquote kontinuierlich gesunken, doch seit September 2015 geht es wieder leicht nach oben. Dementsprechend hat sich die Arbeitslosigkeit stabilisiert, doch dies spiegelt die Stärke des Arbeitsmarktes nur unzureichend wider, weil heute mehr Menschen arbeiten oder Arbeit suchen. Der US-Arbeitsmarkt dürfte sich also noch eine Weile lang positiv entwickeln, mit einem steigenden Volkseinkommen und steigenden Ausgaben als Konsequenzen.
Neben dem Arbeitsmarkt haben zwei weitere wichtige Bereiche Spielraum nach oben: der Wohnbau und die Automobilproduktion. Sowohl der private Wohnbau als auch die Autoverkäufe waren im Zuge der Finanzkrise 2008 eingebrochen, liegen inzwischen wieder auf fast normalem Niveau. Ein Aufholeffekt, wie nach einer Rezession üblich, war jedoch nicht zu beobachten. Dementsprechend deutet nichts auf ein Überangebot in diesen Schlüsselbereichen hin. Kurz gesagt, die Wohnbaubeginne und -verkäufe hinken hinter der Haushaltsbildung zurück, und der Medianwert beim Alter des Pkw-Bestands liegt mit 11,4 Jahren so hoch wie noch nie zuvor.
Nach Ansicht vieler Analysten beginnen Rezessionen jedoch immer mit der Geldpolitik. In den USA ist damit eine straffere Geldpolitik der Notenbank gemeint, die der Theorie zufolge zu einem wirtschaftlichen Rückgang führt. Diese Theorie ist nicht direkt falsch. Doch man muss es genauer ausdrücken: Die Wirtschaft geht zurück, weil die Geldpolitik ab einem bestimmten Punkt zu restriktiv wird – und nicht einfach, weil die Leitzinsen erhöht werden. Wir erwarten zwar, dass die Fed die Leitzinsen wieder um 0,25 Prozent erhöhen wird, würden dies jedoch nur als „weniger locker“ und keineswegs als restriktiv kategorisieren.
Und noch ein letzter Punkt: Die weltweite Erholung und Expansion gestaltet sich asynchron. Während sich der Aufschwung in den USA in einer späten Phase befindet, stehen andere Länder und Regionen an einem anderen Punkt im Zyklus. Europa und Japan haben länger gebraucht, um mit den Effekten der Finanzkrise fertig zu werden, sodass dort die Erholung weniger weit fortgeschritten ist. China hat den Rückgang möglicherweise schon erlebt, und das Wachstum scheint dort bereits zurückzukehren („frühe Erholung“). Auch in anderen Schwellenländern geht es möglicherweise schon wieder aufwärts. Diese „Diversifizierung“ innerhalb des Zyklus hat zu einem insgesamt schwächeren Aufschwung geführt, wirkt sich aber möglicherweise entsprechend verlängernd auf die Wachstumsphase aus.
Warnsignale
Wir glauben, dass sich die US-Wirtschaft in der mittleren bis späten Phase eines langsamen Aufschwungs befindet. Wir sehen kaum Anzeichen dafür, dass eine Rezession kurz bevorsteht. Dies impliziert positive, jedoch unterdurchschnittliche Renditen für Aktien, denn wir erwarten einen allenfalls leichten Anstieg des Kurs-Gewinn-Verhältnisses. Auf dem Anleihemarkt können Anleger von Papieren mit einer überdurchschnittlichen Verzinsung profitieren, während das Kurspotential angesichts der aktuellen Spread-Niveaus gering ist.
Wir halten jedoch weiterhin Ausschau nach Zeichen einer heraufziehenden Rezession. Dazu gehören
1. ein anhaltender Anstieg bei den Erstanträgen auf Arbeitslosenunterstützung oder bei einem anderen Frühindikator
2. deutliche Inflationssignale, die zu einer aggressiveren Geldpolitik der Fed führen würden
3. ein Risk-off-Schock durch einen unerwarteten Ausgang der US-Wahlen
Unsere Einschätzungen zu den Anlageklassen beruhen auf der Prämisse, dass eine Rezession auf kurze Sicht nicht wahrscheinlich, aber dennoch durchaus möglich ist. Die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession liegt unter 50, die Möglichkeite dafür bei über 25 Prozent.
David Lafferty ist Chefstratege bei Natixis Global Asset Management.