Wie geht es mit dem EU-Bankensektor weiter?
Großbanken in der Krise: die Realität im Jahre 2016, soweit das Auge reicht. Wie sollen Anleger taktieren? Halten? Zukaufen? Oder doch verkaufen? Davide Marchesin, Fondsmanager im Team für nichtdirektionale Aktienstrategien von GAM, analysiert die Lage.
Großbanken in der Krise: die Realität im Jahre 2016, soweit das Auge reicht. Wie sollen Anleger taktieren? Halten? Zukaufen? Oder doch verkaufen? Davide Marchesin, Fondsmanager im Team für nichtdirektionale Aktienstrategien von GAM, analysiert die Lage.
Im Gegensatz zum Jahr 2011 ist der europäische Bankensektor dank langfristiger Refinanzierungsgeschäfte und der quantitativen geldpolitischen Lockerung nicht mehr mit Liquiditätsproblemen konfrontiert. Die größte Herausforderung ist jedoch geblieben: In vielen Bankbilanzen findet sich eine große Menge notleidender Kredite. In dieser Hinsicht ist es entscheidend, ob sich die europäischen Staats- und Regierungschefs einigen können, wie dieses Problem angegangen werden soll. Im derzeitigen Marktumfeld weisen die am besten aufgestellten Banken eine solide Bonität, ein hohes Eigenkapitalniveau und eine gute Gesamtkapitalrentabilität auf. Das sollte ihnen ermöglichen, auch höhere Kreditkosten zu verkraften.
Was kann die EZB tun, um das Vertrauen wiederherzustellen?
Die effektivste Lösung wäre unserer Meinung nach, wenn die EZB dem Ansatz der amerikanischen Notenbank Fed folgen würde, mit dem diese die durch die Subprime-Krise verursachten Schäden behoben hat. Im Jahr 2008 verabschiedete der US-amerikanische Kongress das sogenannte Troubled Asset Relief Program (TARP), das es dem Finanzministerium ermöglicht, Problemwerte in Milliardenhöhe zu kaufen oder abzusichern. Nach diesem Beschluss kaufte das US-Schatzamt illiquide, schwer zu bewertende Vermögenswerte von Banken und anderen Finanzinstituten, und die US-Notenbank weitete ihre Bilanz von rund 500 Milliarden US-Dollar an Wertpapieren Ende 2008 auf über 4000 Milliarden US-Dollar Ende 2014 aus. Dies umfasste mehr als 1500 Milliarden Dollar an nichtstaatlichen Papieren, wie durch Wohnbauhypotheken unterlegte Wertpapiere (RMBS).
Derzeit können die europäischen Regierungen die Kapitallöcher der Banken nicht stopfen, und die EZB darf keine Problempapiere von Banken kaufen, nur Werte mit einem AAA-Rating. Wenn es der EZB erlaubt würde, Problempapiere von Banken zu kaufen und möglicherweise entstehende Kapitaldefizite zu decken, würde die Glaubwürdigkeit wiederhergestellt. Bis dahin werden die europäischen Banken weiter unter enormem Druck stehen.
Sollten wir uns größere Sorgen über die italienischen Banken machen?
Das italienische Wirtschaftswachstum war in den letzten zehn Jahren bestenfalls schwach. Zusammen mit der Finanzkrise und einigen spezifischen Misswirtschaftsfällen führte dies zu einer starken Zunahme notleidender Kredite. Diese Problempapiere verteilen sich auf verschiedene Bereiche und umfassen Gewerbeimmobilienkredite, Kredite für kleine und mittlere Unternehmen sowie Konsumentenkredite.
Die italienischen Banken halten diese Problempapiere immer noch, da sie in den letzten Jahren gezwungen waren, ihre Deckungsquoten zu erhöhen und gleichzeitig ihre Kapitalpositionen zu verbessern. Jetzt, da diese Kredite im Durchschnitt auf 40 Cent abgeschrieben sind, könnten sie sie möglicherweise für 25 bis 30 Cent verkaufen, ohne untragbar hohe Verluste zu erleiden.
Unserer Meinung nach würde ein Stresstest eine insgesamt solide Kapitalposition der italienischen Bank, aber auch einige Risiken zutage fördern, insbesondere hohe Texas-Ratios (Bruttobetrag der notleidenden Kredite im Verhältnis zum Eigenkapital plus Rücklagen). Um dies zu beheben, wäre eine konstante Veräußerung dieser Papiere erforderlich.
Im Augenblick können wir uns nicht vorstellen, dass eine italienische Bank begierig darauf ist, die schwächsten Akteure zu kaufen. Deshalb müsste der Umstrukturierungs- und Bereinigungsprozess direkt von der italienischen Regierung gehandhabt und organisiert werden – mit voller Unterstützung der europäischen Institutionen. Wenn es gelingt, noch vor dem Referendum im Oktober oder November eine glaubwürdige Lösung für die Banca Monte dei Paschi zu finden, könnte dies ein bedeutender positiver Impuls sein, nicht nur für die italienischen Banken, sondern für das gesamte europäische Bankensystem.