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Deutschland wird konkurrenzfähiger - und teurer

Von Martin Stürner, Vorstandsvorsitzender PEH Wertpapier AG

BÖRSE am Sonntag

Von Martin Stürner, Vorstandsvorsitzender PEH Wertpapier AG

Die Märkte sind mit Geld geflutet – in bisher unvorstellbarem Ausmaß. Dennoch bleiben die Preise stabil. Stimmen die vertrauten Theorien nicht mehr? Doch. Nur lässt sich nicht alles auf einen Faktor reduzieren. Die Emerging Markets dürften allerdings ihre Rolle als Kostendrücker mehr und mehr verlieren.

Eine starke Ausweitung der Geldmenge führt in die Inflation. So lautet – vereinfacht – ein zentraler volkswirtschaftlicher Lehrsatz. Im Kampf gegen die Finanzkrise wurde die Geldmenge rasch gewaltig aufgebläht – von einem bereits sehr hohen Level aus, denn schon in den Jahren zuvor war sie deutlich angewachsen. Die Warnungen wurden lauter. Doch das Preisniveau stieg immer noch nicht. Warum?

Die Wechselwirkungen in ökonomischen Systemen lassen sich nicht einfach auf einzelne Einflussfaktoren herunterbrechen. Und die beschleunigte Globalisierung hat alles noch komplexer gemacht.

Globalisierung: Reallöhne unter Druck

Ein Aspekt wurde in den Analysen bisher vernachlässigt: Die Konkurrenz durch die niedrigen Arbeitskosten in den Emerging Markets (EM) hat sich auf das Einkommensniveau in den klassischen Industriestaaten ausgewirkt. Die Nettoreallöhne in Deutschland sind seit Anfang der 90er-Jahre kaum mehr gestiegen. In den Jahren 2004-2008 sanken sie sogar. Die Lohnstückkosten fielen im europäischen Vergleich in Deutschland am stärksten – um 12% zwischen 2000 und 2008. Gleichzeitig wurden etwa Elektronik oder Kleidung immer billiger importiert.

Die Produktion verlagerte sich dahin, wo man die Unternehmen mit günstigen Bedingungen und Subventionen lockte – z.B. erst nach Rumänien und dann nach Asien. Die Ansiedlung von Industrie veränderte jeweils die Situation – nach einer Weile konkurrierte man vor Ort um die Arbeitskräfte, die Löhne stiegen, die Karawane zog weiter. Dieser Prozess wird sich aber nicht unaufhörlich fortsetzen. Und das nicht nur, weil die Ausweichstandorte langsam knapp werden.

Ein gutes Beispiel: China

Hier beginnt sich das Geschäftsmodell zu verändern: Die Arbeiter setzen höhere Löhne und bessere Bedingungen durch. Und anders als früher will der Staat die Binnennachfrage kräftigen. Nun beginnt sich eine Lohn-Preis-Spirale zu drehen. Zudem lässt sich inzwischen auch hier die Produktivität nicht unbegrenzt weiter steigern.

Aus Erfahrung desillusioniert

Immer mehr Unternehmer sehen Engagements in EM-Ländern mit wachsender Skepsis. Bei hochwertiger Ware gibt es Probleme, die gewohnten Qualitätsstandards zu verwirklichen. Durch lange Transportzeiten kann man kaum auf eilige Aufträge oder gewandelte Marktanforderungen reagieren. In vielen Ländern sind nur Minderheitsbeteiligungen erlaubt. Das macht es schwer, Produktionsprozesse zu kontrollieren und Know-how zu schützen. Rechtsunsicherheit ist ein großes Thema: Da engagiert sich ein Unternehmen in Russland bei der Erschließung von Rohstoffvorkommen. Kaum sind die wesentlichen Arbeiten abgeschlossen, bekommt es der ausländische Manager mit den Steuerbehörden zu tun ... oder man bemerkt eines Tages, dass die hochwertigen, patentierten Maschinen, die man in China produziert, auf einer Messe noch einmal angeboten werden. In leicht verändertem Design und zum halben Preis. Die Behörden stört’s nicht. In Südkorea stellt sich heraus, dass man zwar gut und günstig produzieren kann, aber den erzielten Gewinn nur zum geringen Teil nach Deutschland transferieren darf. Die Liste lässt sich lange fortsetzen.

Wachstumschancen für Deutschland

Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass der Produktionsstandort Deutschland wieder attraktiver wird. Die steigenden Kosten in den EM werden unserer exportorientierten Wirtschaft zugute kommen (ebenso wie der gesunkene Kurs des Euro!), und der Druck auf die Einkommen bei uns beginnt sich zu vermindern. Übrigens steigen seit dem 3. Quartal 2009 die Reallöhne in Deutschland wieder an – im 1. Quartal 2010 sogar vergleichsweise kräftig. Damit wären wir wieder beim Ausgangspunkt angekommen: Die Inflation ist noch nicht da. Aber sie ist durchaus wahrscheinlich.