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Wie naiv darf ein Vorstand der Deutschen Bank sein?

In einem Interview gibt sich Sylvie Matherat, im Vorstand der Deutschen Bank seit 2015 für Regulierungsthemen zuständig, hundertprozentig politisch korrekt, ja, staatsgläubig – und zeigt dabei eine erschreckende Naivität. Für die BÖRSE am Sonntag dokumentiert Rainer Zitelmann vier ihrer Thesen, die nachdenklich stimmen können.

BÖRSE am Sonntag

In einem Interview gibt sich Sylvie Matherat, im Vorstand der Deutschen Bank seit 2015 für Regulierungsthemen zuständig, hundertprozentig politisch korrekt, ja, staatsgläubig – und zeigt dabei eine erschreckende Naivität. Für die BÖRSE am Sonntag dokumentiert Rainer Zitelmann vier ihrer Thesen.

Erstens: Finanzkrise kann sich nicht wiederholen

Zehn Jahre nach der Lehman-Pleite ist die Finanzwelt nach Einschätzung von Deutsche-Bank-Vorstandsmitglied Sylvie Matherat deutlich stabiler. Sie glaube nicht, dass sich ein solcher Fall noch einmal wiederholen werde, sagte Matherat im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur und der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. „Wir haben seitdem viel dafür getan, solche Ansteckungseffekte zu stoppen und das Finanzsystem insgesamt zu stärken.“ Das ist das gleiche substanzlose Beruhigungsgerede, das man von ahnungslosen Politikern hört. Nein, die Gefährdung ist sogar größer als vor zehn Jahren, weil die Verschuldung von Unternehmen, Staaten und privaten Haushalten weltweit sehr viel höher ist als vor Beginn der Finanzkrise. Eine Krise, die ihre Ursachen in exzessiver Verschuldung hatte, wurde durch noch größere Verschuldung nur scheinbar gelöst. Und bei einem erneuten Aufflackern der Krise wäre diesmal das Staatspulver längst verschossen.

Zweitens: Wir müssen alle ganz langfristig denken

Matherats Vorschlag: „Wir sollten diskutieren, ob die Konzentration auf Quartalsergebnisse möglicherweise zu kurzfristigem Denken verleitet. Wir sollten langfristiger denken und von der kurzfristigen Sicht wegkommen.“ Langfristig denken ist immer gut, wer wollte etwas dagegen einwenden? Aber wenn man an der Börse ist, wird man nun einmal laufend bewertet, das ist das Wesen der Börse. Und der wichtigste Bereich der Deutschen Bank, das Investmentbanking, lebt genau davon. Dass das der Deutschen Bank, wenn es um sie selbst geht, nicht gefällt, kann man indes verstehen. Die Vorstände der Deutschen Bank verkünden seit Jahren nach jedem weiteren Kurseinbruch gebetsmühlenartig, ihre Anleger sollten bitte endlich mal „langfristig denken“, womit gemeint ist: Sie sollten Hoffnungen haben, dass es irgendwann wieder besser wird mit dem Kurs.

Die Französin Matherat fiel schon vor zwei Jahren durch kluge Sprüche wie diese auf: Mit dem Wandel der Bank sei das wie mit einer Diät. In der ersten Zeit schaue man in den Spiegel und halte sich immer noch für zu dick – auch wenn man bereits ein paar Kilo abgenommen habe. „Erst mit der Zeit fällt auf, wie viel man doch schon erreicht hat.“ Keynes meinte bekanntlich einmal: “Auf lange Sicht sind wir alle tot“. Würden die Investoren langfristig denken, ist es zweifelhaft, ob das der Deutschen Bank irgendetwas nützen würde: In den letzten zehn Jahren betrug der Kursverlust der Deutschen Bank-Aktie über 78 Prozent.

Drittens: Banken sollen zur Staatshilfe gezwungen werden

„Es war eine gute Entscheidung der US-Regierung, die Banken zu verpflichten, Staatshilfe anzunehmen“, meinte Matherat. „Sie hat das Richtige getan, als sie sagte: Wir wollen keine Zeit damit verlieren zu überprüfen, ob eine Bank staatliche Hilfen braucht.“ Statt sich darüber Gedanken zu machen, wie man zu einem Zustand kommt, dass Banken pleite gehen können, ohne das Finanzwesen und die Wirtschaft wegen Ansteckungseffekten an den Rand des Kollaps zu bringen, plädiert sie für einen Zwang zu Staatshilfe. Vermutlich steckt der Wunsch dahinter, der deutsche Staat hätte die Deutschen Bank damals zwingen sollen, Steuergelder zu nehmen. Wie sehr hat das aber ihrem Wettbewerber, der Commerzbank, geholfen? Sie wurde 2009 teilverstaatlicht. Die Aktie der Commerzbank hat in den letzten zehn Jahren über 91 Prozent verloren, also sogar noch mehr als die der Deutschen Bank. Soviel zur wunderwirkenden Heilkraft der Staatshilfe, an die Matherat glaubt.

Viertens: Finanzbranche ist nicht überreguliert

Matherat meint in dem Interview, sie sei nicht der Ansicht, dass die Finanzbranche überreguliert sei und gibt ihrer Hoffnung Ausdruck, dass es zu keinen Deregulierungen komme. Damit dürfte sie unter Bankfachleuten ziemlich alleine stehen, die sehen, wie der Regulierungswahn Banken handlungsunfähig macht und durch diese Überregulierung nur neue, massive Risiken von der Politik heraufbeschworen werden. Nirgendwo herrscht weniger Marktwirtschaft als in der Finanzwelt, kein Bereich ist so stark reguliert und durch so viele Beamte beaufsichtigt, vielleicht mit Ausnahme des Gesundheitswesens. Dass genau die beiden Bereiche der Wirtschaft, die am striktesten staatlich reguliert sind, die instabilsten sind, sollte zu denken geben. Matherat versteht offenbar nicht, dass Bemühungen, die auf zusätzliche Sicherheitsmerkmale, Regulierungen und Vorsichtsmaßnahmen gerichtet sind, vor allem die Komplexität des Systems erhöhen und damit die Unfallhäufigkeit sogar steigern.

Für ein Vorstandsmitglied, das von der Regulierung lebt, ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass Frau Matherat sich so äußert. Ihr etatistisches Denken ist typisch für jemanden, der in Frankreich Politikwissenschaft studiert hat. Bekanntlich ist man dort so staatsgläubig wie heute kaum sonst irgendwo auf der Welt.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Debattenportal The European.