Ein Kunstmarkt mit Format
Auch die diesjährige Art Cologne war kein Umschlagplatz für schnöde akkumulierte Ware. Sie präsentiert sich als konzentrierte Leistungsschau vor allem der deutschen Galerien. Deutschlands wichtigste und älteste Messe für zeitgenössische Kunst und Moderne wartete 2015 mit einer um einen Tag verkürzten Laufzeit und „nur“ 209 Galerien auf – gegenüber 221 im letzten Jahr.
Auch die diesjährige Art Cologne war kein Umschlagplatz für schnöde akkumulierte Ware. Sie präsentiert als konzentrierte Leistungsschau vor allem der deutschen Galerien. Deutschlands wichtigste und älteste Messe für zeitgenössische Kunst und Moderne wartete 2015 mit einer um einen Tag verkürzten Laufzeit und „nur“ 209 Galerien auf – gegenüber 221 im letzten Jahr.
Neu sind die drei Hallenebenen, auf denen Messechef Daniel Hug das Angebot locker verteilt hat. Und zwar trotz großzügiger Durchlässigkeit sehr ordentlich sortiert nach Epochen. Die Moderne und Nachkriegskunst sowie ausgewählte zeitgenössische Positionen sind in der optisch gediegener ausgestatteten untersten halben Halle (11.1) untergebracht, die Gegenwartskunst in der vollständigen Halle 11.2 darüber und die mit jungen Galerien durchsetzte zeitgenössische Kunst nebst zusätzlichem Film- und Videoprogramm auf der halben Hallenebene 11.3. Für eine angenehme Überraschung sorgen die homogene Qualität und das an kaum einer Stelle langweilige Bild. Es geht Messechef Daniel Hug, der die Art Cologne seit sechs Jahren unablässig weiterentwickelt, nicht um den schnöden Umschlagplatz für die Ware. Die Messe ist zwar ein Marktplatz. Aber sie ist zugleich die Leistungsschau eines Berufsstandes, ohne dessen Ideen, tatkräftiges und zeitraubendes Know-how Museen und Kunstvereine hierzulande einpacken könnten. Ohne die Galerien würden Künstler nicht mehr entdeckt und für die Öffentlichkeit wahrnehmbar. Wie eng dieser Nexus zwischen Handel und Institution ist, illustriert die große Zahl zeitnah oder parallel laufender Museumsausstellungen, mit denen jeder zweite Künstler auf der Messe aufwarten kann.
Ehrgeiz eines Ausstellungsmachers
Die meisten Galerien, auch die Kunsthändler, die sich auf dem Sekundärmarkt eindecken, haben sich vom kuratorischen Ehrgeiz Daniel Hugs anstecken lassen. Sie entschieden sich für eine konzentrierte, manchmal auch miteinander kommunizierende Auswahl von Künstlern oder für eine Soloausstellung so wie bei Rupert Pfab. Die Papiercollagen von Frauke Dannert, die demnächst auch im Museum Kunstpalast in Düsseldorf ausgestellt werden, präsentiert der Düsseldorfer Galerist auf einer Wand aus gemalten Architekturfragmenten. Die kleinformatigen kosten 1.600 Euro, die großen (50 x 35 cm) liegen gerahmt bei 3.000 Euro.
Thomas Rehbein hat sich für einen gemeinsamen Stand mit der dänischen Galerie Stalke in der neu eingeführten Sektion „Collaborations“ (Halle 11.3) entschieden. Die beiden stellen auch einen gemeinsamen Künstler aus, den unorthodoxen amerikanischen Zeichner William Anthony. Seine anspielungsreichen, krakeligen Figurenkonstellationen liegen zwischen 2.500 und 12.000 Euro.
Für Rehbein, der mit Stalke schon in der Vergangenheit kooperierte, ist die Sektion Collaborations ein interessantes Format für Galerien, die noch nicht international wahrgenommen werden. Hier finden sich viele junge Galerien aus dem Umfeld der Nada (New Artdealers Alliance), die vor drei Jahren noch als eigene Sektion geführt wurde. Zwar kritisieren einzelne Galeristen die so zügige Veränderungen am Messekonzept. Doch Rehbein glaubt, dass das jüngere Publikum die Abwechslung den eingefahrenen Usancen wie etwa auf der Art Basel vorzieht. Für den Sammler auf der Suche nach jungen, nicht etablierten Künstlern dürfte die Halle 11.3 die ergiebigste sein. Hier findet sich hier und da noch das wirklich Gewagte und Schräge. Etwa die verrückten Objekte und Skulpturen des Künstlerkollektivs „Chicks on Speed“, dem „Collaborations“-Partner von 401 Contemporary (Berlin). „Datastravaganza“ nennen sie ihre Ausstellung, die neue Datensätze und langsame, kunsthandwerkliche Prozesse wie die Malerei, das Patchwort, tragbare Computer- und E-Textilien vereinen. Sie liegen zwischen 500 und 20.000 Euro. Eine Skulptur von Peter Weibel ist auch dabei: die in einen transparenten Kubus verspannten Teile eines Küchenstuhls, die aussehen wie aus dem 3-D-Drucker ausgespuckt – eine Vision lange vor Einführung dieser Technik. Kostenpunkt: 25.000 Euro.
Renaissance der 1960er-Jahre
Das Nachdenken und Arbeiten mit alten und neuen Medien gebiert auch weniger schrille Werke. Etwa die Arbeiten von Harald F. Müller, der auf dem Gemeinschaftsstand von Mirko Mayer und Mai 36 eine Einzelschau hat. Seit 30 Jahren arbeitet er mit gefundenen Bildern. Dabei spielt der Einsatz der Fotografie und ihrer bildgebenden Technologie eine entscheidende, konzeptuelle Rolle. Die schöne, schwer bewaffnete Blondine im Leopardendress etwa fand er im Abfall auf dem Cover eines verdruckten Kriminalromans. 42.000 Euro kostet das Großformat aus der Serie „Maler und Modell“, Auflage 2.
Ansonsten ist die Fotografie, wenn es sich nicht gerade um zeitgenössische Fotokunst handelt, auf dem Rückzug und inzwischen eher auf den entsprechend ausgerichteten Spezialmessen zu finden. Tanit mit seiner Einzelschau von Selbstporträts von Urs Lüthi und Wilma Tolksdorf sind aber mit Zeitgenössischem gerüstet. Hier finden sich neben Arbeiten der Berliner Fotokünstlerin Johanna Diehl die einschlägigen Namen von Künstlern, die in Düsseldorf ausgebildet wurden, unter ihnen Katharina Sieverding, Laurenz Berges, Axel Hütte und Jörg Sasse. Bei Thomas Zander spielt die Fotografie in diesem Jahr nicht die Hauptrolle. Gerade einmal ein Stand ist den schwarzweißen Klassikern gewidmet: der von Johannes Faber aus Wien.
Eine Renaissance erleben die deutschen Tendenzen der 1960er-Jahre, allen voran der sogenannte „German Pop“, der vor nicht langer Zeit in der Schirn Kunsthalle Frankfurt gefeiert wurde. Überhaupt ist die Nachkriegskunst stark und mit guter Qualität vertreten. Die Klassische Moderne macht sich dagegen mehr und mehr rar. Glücklicherweise gehören darauf spezialisierte Stände wie Remmert & Barth, Fischer Kunsthandel & Edition oder Valentien dennoch mit ins Bild. Die Angebotssituation spiegelt beispielhaft der geschickt Mix mit Gegenwartskunst auf dem Stand von Thomas (München). Hier begegnen sich ausgesucht schöne, optisch ins Auge springende Beispiele aus einem ganzen Jahrhundert: vom „Stilleben mit Obstschale“ (1907) von Alexej von Jawlensky (780.000 Euro) über Rebecca Horns kleine Schmetterlingsskulptur mit Lavagestein von 2014 (128.000 Euro), ein kräftig mit seinem Sonnengelb auftrumpfendes Remix-Gemälde von Baselitz (450.000 Euro) bis hin zur Videoarbeit von Nam June Paik, deren Monitor in eine transparente, übermalte Acrylglasplatte mit abgerundeten Ecken eingelassen ist (150.000 Dollar).
Christiane Fricke